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Josef Neckermann und die Nazis

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Josef Neckermann und die Nazis

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    "Die Neckermanns", so der Titel des Buches, legt schonungslos die Verstrickungen Neckermanns in das Nazi-Regime offen. Autor ist der Münchner Journalist Thomas Veszelits. Seine Recherche bringt auf 435 Seiten nicht nur alle Facetten und Abgründe im Leben des einstigen Glücksbringers der kleinen Leute zum Vorschein, sondern "Licht und Schatten einer deutschen Unternehmerfamilie" - so der Untertitel.

    Ein überaus faktenreiches, lebendig geschriebenes Buch, das den Bogen spannt von einer unterfränkischen Metzgerei im Jahre 1890, wo Veszelits die Geschichte der Familie beginnen lässt, bis in unsere Tage, wo die vierte Generation das alte Traditionsunternehmen J.  C. Neckermann zu neuer Blüte bringt - als führender Biodiesel-Lieferant in Deutschland und Europa. Eine faszinierende Saga voll bislang unbekannter Details über den Aufstieg der Unternehmerfamilie in Würzburg, Berlin und Frankfurt, und ihren brisanten Verstrickungen in die Geschichte Deutschlands und des Nationalsozialismus.

    "Ich war damals so jung, so ungestüm und auch ein bisschen verwirrt", schrieb Josef Neckermann in seinen "Erinnerungen", die kurz vor seinem Tod 1992 auf den Markt kamen. Eine Verharmlosung seiner Rolle im NS-Staat, von der er glauben machen wollte, sie sei die eines Mitläufers gewesen. Veszelits hingegen offenbart Neckermann detailreich als Täter des NS-Regimes.

    Die Neckermanns hatten die Nähe zur Politik nie gescheut. Großvater Peter Neckermann hatte als Zentrums-Abgeordneter im Reichstag gesessen, dessen Sohn Josef Carl war aufgrund seiner guten Beziehungen zu einem Kohlen-Hauptlieferanten der Reichsbahn aufgestiegen. Josef Neckermann schließlich suchte gleich zu Beginn des "Dritten Reichs" die Nähe zu den NSDAP-Granden, um seine Geschäftskarriere zu beschleunigen. Schon im Spätherbst 1933 war er als 21-Jähriger den SA-Reitern beigetreten, nachdem SA-Chef Ernst Röhm für seinen Besuch in Würzburg einen reitenden Adjutanten gesucht hatte.

    Die folgenden "braunen" Jahre sollten Neckermann ganz nach oben bringen. Als der jüdische Kaufhausbesitzer Siegmund Ruschkewitz durch Boykott und weiteren NS-Terror in Würzburg zum Aufgeben gezwungen wurde, nutzte Neckermann die Gunst der Stunde. Er übernahm im Oktober 1935 für ganze 50 000 Reichsmark als "Arisierer" das vierstöckige Kaufhaus mit der klassizistischen Fassade, die bis zur Zerstörung 1945 die Schönbornstraße prägte. Der Grundstein des Kaufhaus-Imperiums war gelegt, 1938 riss Neckermann mit skrupellosem Geschäftssinn den Versandhandel der jüdischen Familie Joel an sich, lieferte im Krieg Uniformen für Hitlers Feldzüge und brachte es zuletzt zum "Reichsbeauftragten für Bekleidung".

    "Ich war damals jung und ungestüm"

    Josef Neckermann in seinen Memoiren

    Wie Veszelits beschreibt, verwickelte sich Neckermann weitaus stärker in die Machenschaften der braunen Machthaber als bisher vermutet. Adolf Hitler lud den Würzburger Unternehmer 1942 in die Wolfsschanze zur Geburtstagsfeier, wo Neckermann mit SS-Chef Heinrich Himmler, Generaloberst Alfred Jodl und dem berüchtigten Todesarzt Karl Brandt plauderte. Im Getto von Bialystok, so die Recherchen, ließ Neckermann zur selben Zeit Zwangsarbeiterinnen Kleider verschleppter und ermorderter Juden für die deutsche Kriegswirtschaft umnähen. Neckermann sei selbst mit KZ-Häftlingen in Kontakt gekommen sein, so die Erkenntnisse Veszelits.

    Als Häftling Nummer 561 saß Neckermann ein gutes Jahr im Zisterzienserkloster Ebrach bei Bamberg ein - weil er gegen das Recht der US-Besatzer eigenmächtig einen Geschäftsführer eingestellt und eine Vollmacht erteilt hatte. Für seine Verstrickungen mit dem SS-Staat wurde er nicht belangt. Vor Gericht musste er lediglich erscheinen, weil zwei jüdische Unternehmen Schadensersatz verlangten, die Neckermann mit Hilfe der Nazis um ihre Handelsfirmen gebracht hatte. Einer, der Großvater des US-Popsängers Billy Joel, prozessierte bis 1957.

    "Besser leben ein Leben lang, am besten gleich durch Neckermann". Schon bald nach dem Krieg begann der Wiederaufstieg Neckermanns im Wirtschaftswunderland. Die dunkle Vergangenheit war kein Hindernis auf dem Weg zum Versandhauskönig. Der lebte fortan in Frankfurt, wohl vor allem deswegen, weil ihn in Würzburg die Geschichte und die Geschichten eingeholt hätten. Die große Saalschlacht im Platzschen Garten zum Beispiel, die der Hitzkopf Neckermann entfesselte, oder das Schicksal von Görings Diamanten, die nach dem Krieg unter der Bank eines Wirtshauses in Goßmannsdorf versteckt waren, bevor sie in Ochsenfurt beschlagnahmt wurden.

    Für Würzburger bietet das Buch von Thomas Veszelits zahlreiche Aha-Erlebnisse. So dürften nur Insider wissen, dass die Würzburger Neckermanns einen eigenen Luftschutzbunkers hatten, einen geräumigen Wein- und Sektkeller am ehemaligen Adolf-Hitler-Ring 6. Dort, am Ringpark, überlegten laut Veszelits mehr als 2000 Menschen das Inferno vom 16. März 1945 unversehrt. "Wer dort war, schreibt der Autor, nannte fortan den Namen Neckermann in einem Atemzug mit den Heiligen Kilian, Kolonat und Totnan.

    Thomas Veszelits: Die Neckermanns, Campus Verlag, Frankfurt 2005, 435 Seiten, 24,90 Euro.

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