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Würzburg: Josef Schuster bei Würzburger Gedenkfeier zur Reichspogromnacht: "Wir dürfen als Gesellschaft nicht wegschauen"

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Josef Schuster bei Würzburger Gedenkfeier zur Reichspogromnacht: "Wir dürfen als Gesellschaft nicht wegschauen"

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    Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht.
    Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht. Foto: Johannes Kiefer

    Am 9. November 2021 hatte Josef Schuster an gleicher Stelle bereits einen "gesellschaftlichen Klimawandel" gefordert. Und auch in diesem Jahr sprach der Präsident des Zentralrats der Juden bei der Gedenkveranstaltung am 84. Jahrestag der Reichspogromnacht von seiner großen Sorge darüber, "dass wir einen Winter vor uns haben, in dem sich das gesellschaftliche Klima merklich verändert".

    Zum stillen Gedenken der Stadt, der israelitischen Kultusgemeinde und der Regierung von Unterfranken kamen wie immer mehr als 100 Menschen, die meisten aus Politik, Kirche, Justiz und Verwaltung, am Platz der ehemaligen Hauptsynagoge in der Domerschulstraße zusammen. Josef Schuster, der am Mittag noch bei einem Symposium des Bundespräsidenten in Berlin gesprochen und als Notarzt versucht hatte, das Leben des DDR-Bürgerrechtlers Werner Schulz zu retten, begründete seine Sorge unter anderem mit den brennenden Flüchtlingsunterkünften und Hakenkreuzschmierereien dieser Tage.

    Die Novemberpogrome der Nationalsozialisten seien 1938 der letzte Test der Willfährigkeit der Deutschen gewesen, "die lange schon die Augen davor verschlossen hatten, was den Juden in diesem Land angetan wurde", betonte Schuster.

    Schuster: "Unsicherheit war schon immer ein Nährboden für radikales Denken"

    Durch die Folgen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine werde der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland auch heute wieder auf eine harte Probe gestellt: "Unsicherheit war schon immer ein Nährboden für radikales Denken, für vereinfachende Ideologie und einen Hass, der sich gegen alles richtet, was als anders wahrgenommen wird." Deutsche Jüdinnen und Juden seien in der heutigen Zeit wieder Opfer von Angriffen und Beleidigungen. "Sie müssen als Sündenböcke herhalten", so Schuster: "Wir dürfen als Gesellschaft nicht wegschauen und das einfach so hinnehmen."

    Auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt wies auf die Parallelen zwischen 1938 und heute hin. Die Judenverfolgung im sogenannten Dritten Reich zeige exemplarisch, "wie kurz der Weg vom menschenverachtenden Wort zur mörderischen Tat ist". Schuchardt sprach von einem Zivilisationsbruch, der sich bis auf den letzten Akt in den osteuropäischen Vernichtungslagern vor den Augen der Bevölkerung abgespielt habe.

    Antisemitisch motivierte Straftaten in Bayern mehr als verdoppelt

    Daher sei es alarmierend, dass in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres knapp sechs antisemitisch motivierte Straftaten pro Tag polizeilich erfasst wurden. In Bayern hat sich die Zahl der angezeigten Taten von 2018 bis 2021 mehr als verdoppelt, die Dunkelziffer liegt nach Auffassung von Experten deutlich höher. Laut Umfragen vertritt etwa ein Viertel aller Deutschen antisemitische Ansichten.

    "Neu ist, dass der Antisemitismus immer unverhohlener in Erscheinung tritt und dass judenfeindliche Ansichten immer unverschämter geäußert werden", sagte der OB. Daher dürfe das Gedenken am 9. November nicht folgenlos bleiben. Es sei alltägliche Aufgabe, Haltung zu zeigen und dagegen zu halten, "wann und wo auch immer wir mit Rassismus und Antisemitismus konfrontiert werden."

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