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WÜRZBURG: Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof

WÜRZBURG

Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof

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    Selten zu sehen: Noch bis zum 17. September kann das Memorbuch der jüdischen Gemeinde Eibelstadt in der Ausstellung „Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof“ im Museum am Dom besichtigt werden. Es ist um 1610/20 entstanden und ist eine Leihgabe der Central Archives für the History of the Jewish People in Jerusalem. Memorbücher erinnern an die Verstorbenen der Gemeinde und ihre Verdienste.
    Selten zu sehen: Noch bis zum 17. September kann das Memorbuch der jüdischen Gemeinde Eibelstadt in der Ausstellung „Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof“ im Museum am Dom besichtigt werden. Es ist um 1610/20 entstanden und ist eine Leihgabe der Central Archives für the History of the Jewish People in Jerusalem. Memorbücher erinnern an die Verstorbenen der Gemeinde und ihre Verdienste. Foto: Thomas Obermeier

    Zuerst ein Lob: „Julius Echter hat viel Gutes für Würzburg getan“, sagt Josef Schuster. Der Würzburger Mediziner und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland erwähnt die Universität, die Verwaltungsreform und seine Stiftung, das nach ihm benannte Juliusspital.

    Josef Schusters Worte sind nur über Kopfhörer vernehmbar. Sein Gesicht ist auf einem Monitor zu sehen. Die Medienstationen sind Teil der Ausstellung „Julius Echter. Der umstrittene Fürstbischof“ im Museum am Dom in Würzburg. Sie findet anlässlich des 400. Todestages Echters statt. Am 13. September 1617 schloss das weit über die Region hinaus bekannte Mitglied der Echter-Familie aus Mespelbrunn seine Augen für immer.

    Ein Haus für die Ewigkeit

    Nach dem Lob kommt Josef Schuster zum Kernpunkt seines Statements: Man müsse im Gedenkjahr auch an seine Verfehlungen erinnern. Schuster verweist auf das Jahr 1575, in dem der Fürstbischof alle Juden aus der Stadt vertreiben, ihren Besitz konfiszieren und auf dem jüdischen Friedhof das Juliusspital errichten ließ. „Das ist für die Würzburger Juden bis heute sehr schmerzhaft“, so Schuster, denn ein Grab sei ein Haus für die Ewigkeit, das weder angetastet noch aufgelassen werden dürfe.

    Auch eine Nachfahrin kommt in der Ausstellung zu Wort: Marie Antoinette Gräfin von Ingelheim, genannt Echterin von und zu Mespelbrunn, hebt sein Aufwachsen in einer sehr liebevollen Familie, seine hervorragende Ausbildung und die „geniale Leistung seines Lebenswerks“ hervor. Natürlich äußert sich auch Bischof Friedhelm Hofmann.

    Er spricht von den Schwierigkeiten Echters, Fürst und Bischof zugleich gewesen zu sein – und verschweigt die „Schattenseiten“ nicht: Protestanten hätten das Bistum verlassen müssen, Juden seien ihres Besitzes beraubt worden. „Wir bedauern dies heute sehr und wünschten, dass es anders gekommen wäre.“

    Besucher sollen sich eigenes Urteil bilden

    Der wissenschaftlicher Leiter der Ausstellung, der Würzburger Historiker Professor Rainer Leng, hat das Umstrittene im Wirken Julius Echters bewusst in den Mittelpunkt gestellt, nicht polarisierend, aber „auf angemessene Weise“. Ausstellungsbesuchern werde kein bestimmtes Echter-Bild vermittelt, sie sollen sich ein eigenes Urteil bilden können.

    Das Thema „Juden“ ist Teil der Schau. Zu den Exponaten gehören – wie Rainer Leng betont – selten zu sehende Stücke wie das Memorbuch der jüdischen Gemeinde Eibelstadt von 1610/20, eine Leihgabe aus Jerusalem. In ihm wird an Verstorbene und ihre Verdienste erinnert.

    In Eibelstadt existierte eine größere jüdische Gemeinde. „Sie hatte sich ab 1583 aus einigen Familien gebildet, die aus dem umliegenden Gebiet des Hofstifts vertrieben worden waren“, informiert Leng im Ausstellungskatalog. Sie lebten unter dem Schutz der Herren von Pappenheim, die der fränkischen Reichsritterschaft angehörten. Nur so war es überhaupt für Juden möglich, in Eibelstadt, das zum Besitz des Domkapitels gehörte, eine Heimat zu finden. Denn die Territorien der Reichsritterschaft stand außerhalb der Würzburger Landesherrschaft, so Leng.

    Memorbuch war ab 1937 verschollen

    1619 wurde der Pappenheimer Hof ans Domkapitel verkauft. Das führte auch in Eibelstadt zu Vertreibungen. 1653 erlosch die jüdische Gemeinde im Ort. Ein Teil konnte sich in Goßmannsdorf niederlassen und nahm das Memorbuch mit. Ab 1937 war das Buch verschollen und tauchte 1965 in einem Antiquariat in London wieder auf.

    Bronzebüste des heiligen Kilian mit den Gesichtszügen des Fürstbischofs Julius Echter. Die sogenannte Stifterbüste aus dem Juliusspital in Würzburg wird dem Bildhauer Peter Osten zugeschrieben (Datierung um 1580). Sie ist noch bis 17. September im Museum am Dom Teil der Ausstellung „Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof“.
    Bronzebüste des heiligen Kilian mit den Gesichtszügen des Fürstbischofs Julius Echter. Die sogenannte Stifterbüste aus dem Juliusspital in Würzburg wird dem Bildhauer Peter Osten zugeschrieben (Datierung um 1580). Sie ist noch bis 17. September im Museum am Dom Teil der Ausstellung „Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof“. Foto: Thomas Obermeier

    Im Würzburg selbst mussten Juden ab 1575 Hab und Gut zurücklassen. Echter war – wie andere weltliche und geistliche Herrscher auch – der Ansicht, dass in einem christlichen Staatswesen jüdische Gläubige keinen Platz hätten, so Leng. „Er schloss aus seinem Herrschaftsverband diejenigen aus, die sich nicht integrieren ließen.“ Protestanten mussten seinen Herrschaftsbereich ebenso verlassen, wenn sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten.

    Auch auf Juden außerhalb Würzburgs übte der Fürstbischof laut Leng „unter den Prämissen einer sozialen und konfessionellen Homogenisierung des Untertanenverbands erheblichen Druck“ aus. Jedoch nur wenige Juden konvertierten. Das Angebot der „Judentaufe“ erhielten sie erst nach dem Bau des Juliusspitals. Echter wollte dort einen „Ort jüdischer Konversion“ einrichten.

    Echters „Herz für Arme und Kranke“

    Zuvor wählte Echter einen anderen Weg. In einem Mandat vom 9. Februar 1575 befahl er seinen Vögten und Amtsleuten, die Ausweisung der Juden aus dem Hochstift durchzusetzen. Zu dieser Zeit ging ihre Vertreibung einher mit der Umsetzung seines Plans „uff dem Judenkirchhoff im Plaichacher vierthel Gott dem allmechtigen zu Ehren und denn armen nottürfftigen leuthen zum besten, dergleichen ein gemein spital oder Armenhaus aufzurichten“ – so steht es im Protokoll der Domkapitelsitzung vom 22. November 1575.

    Auf diese Fürsorge Echters beziehen sich mehrere Würzburger Persönlichkeiten, die via Medienstation in der Ausstellung über Echter sprechen. Der Oberpflegeamtsdirektor der Stiftung Juliusspital, Walter Herberth, betont ausdrücklich Echters „Herz für Arme und Kranke“, bezeichnet ihn als umtriebigen Menschen mit einem klaren sozialen Auftrag und fragt, wie der Fürstbischof heute entscheiden würde beziehungsweise ob es auch unter ihm ein Palliativ- und Hospizzentrum gegeben hätte, wie es seit 2001 im Juliusspital eingerichtet wurde. Es gehört zu den größten in Bayern und kann als zeitgemäße Erweiterung des Stiftungsauftrags gesehen werden.

    Proteste der jüdischen Gemeine wurden ignoriert

    Echters Fürsorge, seine sozialen und caritativen Vorstellungen wirken unbestritten bis in die Gegenwart. Das Juliusspital ist jedoch auch mit seiner Entscheidung verbunden, es auf einem Platz zu bauen, der anderen heilig ist. Ein Gedenkpunkt erinnert seit 2013 daran, dass das Gelände, auf dem das Juliusspital steht, seit 1147 ein jüdischer Friedhof ist.

    Die Grundsteinlegung des Juliusspitals war am 12. März 1576. „Für den Baugrund wurde der Judenfriedhof kurzerhand enteignet“, so Leng. Die Proteste der jüdischen Gemeinde ignorierte er. Sabine Ullmann, Geschichtsprofessorin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, hat sich näher mit dem Thema „Echter und die Juden“ befasst. Ihre Erkenntnisse sind im Tagungsband „Fürstbischof Julius Echter – verehrt, verflucht, verkannt“ (Echter Verlag Würzburg) abgedruckt.

    Nur acht Monate nach der Grundsteinlegung des Juliusspitals habe der Fürstbischof im November 1576 seine Stiftung vor dem Kaiser rechtfertigen müssen, so Ullmann. Die „Gemeine Judenschaft im Land zu Franken“ hatte Monate zuvor am Reichshofrat eine Beschwerde gegen das Bauvorhaben eingereicht. Darin führte sie aus, dass ihnen der Platz beziehungsweise der Friedhof widerrechtlich entzogen worden sei. Als Beweis legten sie eine beglaubigte Kaufurkunde vor.

    Fürstbischof muss sich vor dem Kaiser rechtfertigen

    Der Bischof wurde zu einer Stellungnahme aufgefordert. Er verteidigte sich vor dem „allergnädigsten Kaiser“ Rudolf II., dass die Juden den Platz zwar für Begräbnisse genutzt hätten, aber seit ihrer „Ausschaffung derselbig platz durch meine lieben seligen Vorfahren und mich unseres gefallens gebraucht und von ihnen nicht mehr genutzt worden“ sei.

    Laut Ullmann folgte Echters Verteidigung zum einen „einer pragmatischen Argumentation – es gibt keine Juden mehr in der Stadt Würzburg, also wird auch der Friedhof nicht mehr benötigt“. Zudem betonte Echter, dass nun die Sache jetzt in einen christlichen, gottgefälligen und damit besseren Stand komme. Christentum über Judentum also.

    Letztlich verlor der Zusammenschluss der fränkischen Juden – sonst gäbe es das Juliusspital ja nicht.

    Bereits vor Julius Echter gab es einschneidende Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Friedhofs wie das Pogrom im April 1349. Die Pest wütete in Würzburg, den Juden wurde die Schuld dafür gegeben. Sie sollen Brunnen vergiftet haben. Bereits damals wurden Grabsteine entfernt.

    Grabsteine tauchen 1997 wieder auf

    Dies war jedoch noch nicht das Ende des Friedhofs. Im 15. Jahrhundert wurden die Juden erneut vertrieben, dann konnten sie zurückkehren – somit wurde auch der Friedhof wieder benutzt. Fürstbischof Friedrich von Wirsberg ordnete die Vertreibung ab 1560 an – sein Nachfolger Julius Echter dann ab 1575.

    Nicht geklärt ist, was mit den Grabsteinen des jüdischen Friedhofs nach dem Pogrom von 1349 geschah. 1997 kamen bei Abrissarbeiten in der Pleich, zu Zeiten Echters Würzburger Vorstadt, viele Fragmente ans Licht. Darunter befindet sich jedoch kein Grabstein, der nach 1348 datiert ist. Deshalb stellt sich für Professor Leng die Frage nach dem Verbleib der Steine aus der Zeit davor. Er vermutet, dass sie tief in den Fundamenten des Juliusspitals ruhen.

    Hoffnung auf den Garten Eden

    Nicht nur im einstigen Kloster in der Pleich wurden Grabsteine vermauert.

    1949 tauchte ein Fragment in der Augustinerstraße auf. Es steht zurzeit in der Ausstellung im Museum am Dom – „exemplarisch für die Beschlagnahme des jüdischen Friedhofs durch Julius Echter“, so Rainer Leng. Die Inschrift von 1339 zeigt an, dass „hier“, also auf dem heutigen Gelände des Juliusspitals, „der greise Herr Ja'aqov, der Sohn des Herrn Moscheh“ verborgen wurde, verbunden mit der Hoffnung, dass seine Seele im Garten Eden sei.

    Endspurt bei den Ausstellungen im Echter-Gedenkjahr Im Museum am Dom der Diözese Würzburg steht „Der umstrittene Fürstbischof“ im Zentrum. Die Ausstellung ist noch bis zum 17. September zu sehen, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Infos: www.echter2017.de Im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg im Südflügel der Residenz dreht sich noch bis zum 24. September alles um Julius Echter als „Patron der Künste, Konturen eines Fürsten und Bischofs der Renaissance“: Di. bis Sa. 9.30 bis 17 Uhr, So. 9.30 bis 13.30 Uhr. Internet: www.martinvonwagner-museum.com Der dreiteiliger Workshop „Julius Echter. Aus der Werkstatt der Historiker“ startet am 21. September, im Staatsarchiv Würzburg. Robert Meier referiert über „Echter und die Hexen“. Am 29. September lautet im Staatsarchiv das Thema „Echter und die Protestanten“, Referent ist Hans-Wolfgang Bergerhausen. Am 5. Oktober spricht Rainer Leng in Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg über „Echter als Bischof“. Die Workshops dauern jeweils von 18 bis 20 Uhr. Anmeldung bis 14. September bei der Domschule Würzburg: www.domschule-wuerzburg.de oder per E-Mail: info@domschule-wuerzburg.de

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