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Würzburg/Aschaffenburg: Junge Patientin in Würzburger Spezialklinik schwer verletzt: Wie Meris Familie seit Jahren um Aufklärung kämpft

Würzburg/Aschaffenburg

Junge Patientin in Würzburger Spezialklinik schwer verletzt: Wie Meris Familie seit Jahren um Aufklärung kämpft

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    Die Klinik am Greinberg in Würzburg, Spezialklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, steht unter der Trägerschaft des Bezirks Unterfranken. 
    Die Klinik am Greinberg in Würzburg, Spezialklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, steht unter der Trägerschaft des Bezirks Unterfranken.  Foto: Thomas Obermeier

    Wie konnte es dazu kommen, dass ein mehrfach behindertes Kind in einer Spezialklinik in Würzburg schwer verletzt wurde? Fügte eine Mitpatientin dem Kind die Verletzungen zu? Trägt die Einrichtung die Verantwortung? Wurde die Aufsichtspflicht verletzt? Seit Jahren schon läuft ein Rechtsstreit um diese Fragen. Eine gütliche Einigung ist gescheitert, jetzt läuft am Landgericht Würzburg das zivilrechtliche Verfahren. Das Urteil steht noch aus. 

    Klägerin ist das Mädchen Meri. "So wird sie von den meisten genannt", sagt Mutter Ardita V., die mit ihrem Mann und einer Rechtsanwältin das Kind vor Gericht vertritt. Der Fall zehrt an den Nerven der Familie aus Aschaffenburg. Vor fünf Jahren – vom 18. Oktober 2017 bis 6. Januar 2018 – war Meri für einige Wochen in der Klinik am Greinberg in Würzburg untergebracht. Träger der Spezialeinrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ist der Bezirk Unterfranken.

    Verletztes Mädchen kann nichts zur Aufklärung beitragen

    In der Klinik zog sich Meri am 6. Januar 2018 einen mehrfachen Gesichtsbruch unter der Augenhöhle zu. Auch der Kiefer war der Mutter zufolge betroffen. Das damals zehnjährige Mädchen wurde notfallmäßig in die Unikinderklinik eingewiesen und operiert.

    Meri selbst kann nichts schildern und nicht zur Aufklärung beitragen. Sie ist nicht sprachfähig und hat eine schwere Intelligenzminderung, sagt Ardita V.. In ihrer Entwicklung sei ihre Tochter auf dem Stand einer Zwei- bis Dreijährigen.

    Familie zeigte Klinik am Greinberg wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen an

    Nach dem Unfall hatten die Eltern die Klinik am Greinberg wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelte gegen Unbekannt. 2019 wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Die Begründung: Es sei davon auszugehen, dass die Verletzungen eine Folge autoaggressiven Verhaltens waren, dass das Mädchen sich also selbst verletzt hat.

    Strafrechtlich wurde der Fall damit zu den Akten gelegt. Doch die Familie aus Aschaffenburg bemüht sich seither auf zivilrechtlichem Weg um Schadensersatz. Ardita V. sagt, für sie fühle es sich an wie ein Kampf "David gegen Goliath".

    Im Dezember sagte vor dem Landgericht Würzburg die letzte Zeugin in dem Zivilverfahren aus: eine Psychologin, die Meri aus mehreren Aufenthalten im Zentrum für Körperbehinderte in Würzburg kennt. Sie hatte damals eine Verlegung in die Klinik am Greinberg befürwortet, weil Meri "herausfordernd" gewesen sei und eine Eins-zu-Eins-Betreuung gebraucht habe. Im Zentrum für Körperbehinderte sei das nicht möglich gewesen.

    Sachverständiger: Behandlung der Patientin sei ordnungsgemäß gewesen

    Vor Gericht geladen war auch ein Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Tübingen. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Würzburger Klinik keine Fehler gemacht habe.

    Damit bleibt offen, ob die Mitpatientin, mit der sich Meri in der Klinik das Zimmer teilte, ihr die Gesichtsverletzungen zugefügt haben könnte. Etwa, indem sie Meri heftig gestoßen hat und die Zehnjährige dadurch auf eine Tischkante fiel.

    "Keiner weiß genau, wie es passiert ist."

    Richter zum Fall des verletzten Mädchens

    "Keiner weiß genau, wie es passiert ist", hielt der Richter fest und stellte die Frage, ob der Unfall zu verhindern gewesen wäre. "Ja", lautet die Antwort der Aschaffenburger Rechtsanwältin der Familie, Natascha Braunschläger. Der Anwalt des Bezirks Unterfranken schwieg bislang zu allen Ausführungen vor Gericht.

    Rechtsanwältin schreibt nach Verhandlung ans Landgericht Würzburg

    Braunschläger, Fachanwältin für Familienrecht, will das Urteil nicht abwarten. Sie hat nach dem jüngsten Verhandlungstag ans Landgericht Würzburg geschrieben und ausgeführt, dass Meri am 6. Januar 2018 just in der Zeit des Schichtwechsels verletzt worden sei. Die Übergabe von der Früh- zur Spätschicht beim Pflegepersonal finde im Stationszimmer statt und dauere etwa eine Stunde, so die Anwältin. Zeugen zufolge könnten Kinder und Jugendliche während dieser Zeit ihre Zimmer verlassen und sich auf dem Gang oder in anderen Zimmern aufhalten. Die Pflegekräfte, so die Anwältin, hätten die Kinder vom Stationszimmer aus nicht im Blick.

    Justizzentrum in der Ottostraße in Würzburg. Vor dem Landgericht finden die Verhandlungen im Fall des verletzten Mädchens statt. Eine Entscheidung steht noch aus.
    Justizzentrum in der Ottostraße in Würzburg. Vor dem Landgericht finden die Verhandlungen im Fall des verletzten Mädchens statt. Eine Entscheidung steht noch aus. Foto: Thomas Obermeier

    Zudem war laut Braunschläger kein Verantwortlicher aus dem Pflege- und Erziehungsdienst auf der Station anwesend. Damit liege ein Verstoß gegen das Kinderschutzkonzept der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Würzburg vor, zu der auch die Klinik am Greinberg gehört.

    Der Tübinger Sachverständige sagte vor Gericht, eine umfassende Betreuung sei wünschenswert. Aber angesichts der Ressourcen gebe es Grenzen. Die Klinik habe immer abgewogen gehandelt. Er erkenne keine Punkte, bei denen andere Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Es gebe immer wieder Situationen, wo Kinder nicht in direkter Beobachtung sind.

    Waren die Kinder ohne Aufsicht?

    Rechtsanwältin Braunschläger verweist darauf, dass hier psychisch kranke und aggressive Kinder eine Stunde lang ohne Aufsicht seien. Zudem habe man in der Klinik nicht darauf reagiert, dass es immer wieder Konflikte zwischen Meri und ihrer Zimmernachbarin gegeben hatte. 

    Generell sei für Meri der Kontakt mit anderen Kindern schwierig, sagt ihre Mutter. "Deshalb haben wir ja versucht, einen Platz in der Klinik am Greinberg zu erhalten." Die Hoffnung sei gewesen, dass sich dort Meris auto- und fremdaggressives Verhalten bessern würde.

    Für den Gutachter war die Situation kein Anlass, die beiden Kinder zu trennen. Diese Art von Konflikten habe man ständig. "Ist mein Kind also allein schuld?", fragte Meris Mutter jetzt aufgewühlt vor Gericht. Er sei kein Chirurg, antwortete ihr der Gutachter ruhig. Aber "aus eigener ärztlicher Erfahrung" bejahe er. Man könne sich solche Verletzungen selbst zufügen.

    "Ist mein Kind also allein schuld?"

    Ardita V. bei der Verhandlung vor Gericht

    Laut Braunschläger sollte der Sachverständige eigentlich genau diese Frage erörtern: Hat sich Meri die Verletzungen selbst zugefügt oder sei eine Mitpatientin dafür verantwortlich? "Diese Beweisfrage wurde bis heute nicht beantwortet", so die Anwältin in ihrem Schreiben ans Landgericht. Sie beantrage deshalb ein weiteres Gutachten.

    Termin für Entscheidung vom Gericht "weiträumig verlegt"

    Das Landgericht Würzburg hat der Rechtsanwältin inzwischen mitgeteilt, dass ihre Argumente an den Bezirk Unterfranken zur Stellungnahme übermittelt würden. Wann ein Urteil in der Sache fällt, ist offen. Die Verkündung der Entscheidung sei "weiträumig verlegt" worden. 

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