Nach monatelanger Untersuchungshaft ist bei den drei jungen Männern nicht mehr viel übrig vom Glanz erfolgreicher "Jungstars", von Saus und Braus. Bis vor einem Jahr sollen sie ein Luxusleben geführt haben. Jetzt werden sie - eskortiert von Polizisten und in Fußketten - in Würzburg in den Gerichtssaal geführt.
Sie sind 20 und 21 Jahre alt, zwei Schüler und ein Student aus Frankfurt. Am Landgericht Würzburg lässt sich jeder von ihnen von zwei oder sogar drei Anwälten verteidigen. Die drei sollen auf Deutschlands größter Gebrauchtwaren-Portal im Internet "gewildert" haben. Auf der Plattform - damals ebay-Kleinanzeigen genannt - werden monatlich von privat zu privat 30 Millionen Kaufangebote für gebrauchte Waren gemacht.

Das Trio aus Frankfurt soll seine Kenntnisse im Internet-Handel betrügerisch ausgenutzt haben, um illegal viel Geld zu machen: Laut Anklage boten die jungen Männer Technik wie Playstations oder Grafikkarten feil. Mit Hilfe von Komplizen und getarnt hinter gestohlenen Zugangskonten ehrlicher Kunden stellten sie sich als seriöse Geschäftspartner dar. Den Kaufpreis kassierten sie demnach über Tarnkonten - ohne die Ware zu liefern, die sie gar nicht hatten.
Staatsanwältin: Längst nicht alle Tatverdächtigen auf der Anklagebank
Die Würzburger Staatsanwältin Katja Richter ist sich klar darüber, dass ihre Anklage wohl nur einen Bruchteil der Fälle umfasst und nicht alle mutmaßlichen Täter auf der Anklagebank sitzen. "Darüber hinaus war eine Vielzahl weiterer Personen aus dem Familien-, Bekannten- und Freundeskreis der Angeklagten an der Begehung der Taten als Mitglieder der Bande beteiligt", sagt Richter.

Die Angeklagten indes genießen im Gerichtssaal lächelnd die mediale Aufmerksamkeit durch ein halbes Dutzend Fotografen und Kameras. Nickend begrüßen sie vier Gleichaltrige aus ihrem Bekanntenkreis im Zuschauerraum.
Dass sie an diesem Freitag in Würzburg auf der Anklagebank sitzen, geht auf die Arbeit der Schweinfurter Kripo und der für große Wirtschaftsdelikte in Unterfranken zuständigen Staatsanwaltschaft Würzburg zurück. Sie hatten ursprünglich bereits seit Ende 2020 gegen eine neunköpfige Gruppe aus der Region ermittelt - wegen Verdachts der Geldwäsche.
Schweinfurter Kripo ermittelte: Tarnkonten und falsche Ausweise
Die Komplizen hatten den Ermittlern zufolge Tarnkonten eröffnet und Zugangsdaten ehrlicher Kunden ohne Kenntnis der tatsächlichen Verwendung an Dritte weitergegeben. Erst allmählich zeigte sich das ganze Ausmaß organisierter Kriminalität: Die Schweinfurter Kripo stieß auf die drei mutmaßlichen Hintermänner aus Frankfurt, die solche "gekaperten" Konten als seriöse Fassade benutzt hatten, um illegal Kasse zu machen.
Die Waren, die es gar nicht gab, wurden überwiegend über bereits bestehende Nutzer-Accounts Dritter angeboten, die davon nichts ahnten. Zugangsdaten und Passwörter zu den Accounts waren offenbar im Vorfeld durch unbekannter Hacker abgegriffen worden. Um ihr Warenangebot seriös erscheinen zu lassen, sollen die Tatverdächtigen Bilder von Ausweisdokumenten anderer Betrugsopfer versandt haben.
Geld überwiesen, nie Ware erhalten: Geschädigte aus dem gesamten Bundesgebiet
Die Geschädigten, die das Geld gutgläubig auf die Konten der mutmaßlichen Betrüger überwiesen und nie Ware erhielten, stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Für den Prozess am Landgericht Würzburg sind sechs Verhandlungstage angesetzt. Gegen die aus dem Raum Schweinfurt stammenden weiteren Tatverdächtigen sowie gegen zahlreiche weitere Kontoinhaber wurden inzwischen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche eingeleitet.
Die drei Angeklagten wollen "derzeit keine Angaben" zur Sache machen. Nach der 80-minütigen Verlesung der Anklage wurde der Prozess an diesem Freitag für ein Gespräch zwischen Staatsanwältin und Verteidigern über das weitere Vorgehen unterbrochen. Ziel ist eine beschleunigende "Verständigung, nach der dieses Verfahren geradezu schreit", wie der Vorsitzende Richter der Jugendkammer, Michael Schaller, sagte.
Kommt es vor Gericht zu einem "Deal"?
Kommt eine Einigung, ein sogenannter "Deal", am zweiten Prozesstag am 11. Juli zustande, könnte es Teilgeständnisse gegen Zusicherung einer Strafobergrenze geben. Dann könnte der Prozess schneller als geplant zu Ende gehen.