Seit Tagen gehen in Deutschland die Gaslieferungen aus Russland zurück. Mit Blick auf den kommenden Winter wird die Lage kritisch, sagen Fachleute. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Donnerstag Stufe zwei des Gas-Notfallplanes ausgerufen.
Düstere Aussichten, die am Donnerstag auch bei einem Treffen des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer in Würzburg deutlich wurden. Der Verein hat 4500 Mitglieder, darunter viele mittelständische Unternehmen – auch aus Unterfranken.
Auf dem Treffen redete Gas-Experte Heiko Lohmann aus Berlin Klartext: Verbraucher und Betriebe müssen sich auf das Schlimmste einstellen. Lohmann ist ein bundesweit gefragter Experte und Berater rund um den internationalen Gasmarkt.

Frage: Herr Lohmann, werden wir im nächsten Winter in unseren Wohnungen frieren müssen, weil es kaum noch Gas zum Heizen gibt?
Heiko Lohmann: Ich würde das Risiko nicht ausschließen – vor allem, wenn Russland das Gas abstellt. Wir werden dann die Speicher nicht füllen können, so dass wir bei den Haushalten Engpässe sehen werden. Grundsätzlich ist es so: Es gibt eine Abschaltreihenfolge, die klar sagt, dass Haushalte als sogenannte geschützte Kunden als Letztes und die Industrie als Erstes abgeschaltet werden.
Sollte in den Haushalten das Gas abgedreht werden: Wie können die Verbraucherinnen und Verbraucher reagieren? Wie sollten sie mit ihrem Gasversorger umgehen?
Lohmann: Das wird so sein, dass die Gasversorger auf die Kunden zukommen, um zu schauen, wie zum Beispiel die Heizung heruntergedreht und was sonst noch getan werden kann. Das gab es ja in dieser Form noch nicht. Das ist technisch alles nicht ohne, weil die Leitungen danach wieder entlüftet werden müssen. Ich hoffe, dass man versucht zu reduzieren und dass es nicht zu einer echten Abschaltung kommt. Es kommt jetzt darauf an, was in den nächsten Wochen passiert.

Wird Russland das Gas für Deutschland komplett abdrehen?
Lohmann: Das ist unklar. Wir haben jetzt tatsächlich eine Reduktion erreicht, die eine neue Dimension hat. Denn die Mengen sind so stark reduziert, dass die Langfristverträge gekürzt wurden. Wie das weitergeht, ist nicht klar.
Was haben Unternehmen zu erwarten, die stark am Gas hängen?
Lohmann: Das ist der große Kampf. Denn dazu gibt es keine eindeutigen Vorgaben der Politik. Das ist letztendlich Sache der Bundesnetzagentur, wie sie damit umgeht. Da wird im Moment sehr gerungen. Es gibt den allgemeinen Rat an Unternehmen, den Kontakt mit ihren Gasversorgern zu suchen, um zu klären, was passieren kann und wie sie mit der Situation umgehen. Da kann man dann natürlich versuchen, dem Gasversorger die eigene Wichtigkeit nachzuweisen.

Es hat in Mainfranken in jüngster Zeit schon Wehklagen von Unternehmen gegeben mit dem Hinweis, dass ohne Gas nichts mehr gehe und der Betrieb dichtmachen müsse. Wie schätzen Sie das ein?
Lohmann: Das Problem ist, dass der Informationsstand der Bundesnetzagentur und der Netzbetreiber unterschiedlich ist. Deswegen sagt man auch, dass die Unternehmen ruhig auf die Netzbetreiber zugehen sollten, um klarzumachen, was da für Konsequenzen dranhängen. Es ist in der Tat eine schwierige Situation.
Gibt es für Privathaushalte und Unternehmen irgendeine auch noch so kleine Chance, etwas an den Gas-Tarifen zu drehen? Durch einen Wechsel des Anbieters zum Beispiel?
Lohmann: Überhaupt nicht. Das Problem ist: Im Moment sind ja häufig die Grundversorgungstarife der örtlichen Versorger die günstigsten Tarife überhaupt, weil sie Gas relativ langfristig beschafft haben und jetzt noch die günstigeren Mengen haben. Wenn jetzt jemand zu einem anderen Anbieter wechselt, muss dafür neues Gas beschafft werden. Das ist dann in der Regel teurer. Im Moment ist Wechseln nicht wirklich eine probate Strategie.
Oft gibt es Sogwirkungen bei der Energieversorgung: Wird Gas teurer, steigt auch der Preis bei Strom oder Öl – und umgekehrt. Was erwarten Sie in dieser Hinsicht?
Lohmann: Normalerweise ist Öl das Leitmedium. Es geht gerade in die andere Richtung als Gas. Da sehe ich gerade keinen Zusammenhang. Strom ist tatsächlich ein anderer Punkt. So lange Gaskraftwerke laufen, hat das Auswirkungen auf den Strompreis – und zwar nach oben.
Haben Sie unter dem Strich Angst, was bei der Gas- und Energieversorgung auf uns zukommt?
Lohmann: Ich glaube durchaus, dass es Auswirkungen in Richtung Rezession haben kann. Das macht mir Sorge, davor habe ich Respekt. Andererseits gibt es beim Gas im Gegensatz zum Strom nicht diese Blackout-Wirkung. Strom ist etwas Existenzielles. Gas nicht.