Mit grimmiger Miene Richtung Lkw fährt das junge Pärchen wieder aus dem Autobahn-Parkplatz an der A7 zwischen Schweinfurt und Würzburg heraus. Nichts wird's mit Pinkeln oder Picknick. Kein Fleckchen ist mehr frei, die komplette Parkbucht zugestellt mit Brummis. Es ist früher Abend, es wird eng auf den Rast- und Halteplätzen Unterfrankens, wie in ganz Deutsch(transit)land. Die Lkw-Fahrer richten sich zum Übernachten ein.
Was tun, wenn alle Autobahn-Parkplätze voll sind?
Längst nicht alle haben dann überhaupt noch eine Lücke an der Autobahn gefunden. Sie fahren herunter und suchen in nahen Gewerbegebieten nach einem Stellplatz für die Nacht – was auch nicht allen gefällt. "Die bauen immer öfter Barrieren hin, damit wir gar nicht reinkommen", schimpft ein altgedienter Trucker aus Rostock, der an diesem Tag an der A7 bei Kürnach (Lkr. Würzburg) schlafen wird.
Bisweilen fühlen sich Lkw-Fahrer wie Aussätzige. Keiner will sie haben – obwohl sie eigentlich jeder braucht, damit die Regale voll sind. "Der Verkehr wird immer mehr, die Parkplätze reichen einfach nicht", das erlebt der 60-Jährige täglich. Seit einigen Jahren werde es immer schlimmer.

Dass zunehmend Gemeinden das Lkw-Parken in ihren Gewerbegebieten verbieten, bestätigt der Landesverband Bayerischer Spediteure. "Das verschärft die Situation noch weiter", sagt Geschäftsführerin Sabine Lehmann. Sie wirbt um Verständnis für die Not der Fahrer: "Die machen das ja nicht zum Spaß, sondern sie transportieren wichtige Güter."
Warum müssen die Fahrer ihre Lkw zu bestimmten Zeiten abstellen?
Und sie haben gesetzliche Vorgaben. Werden Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten, drohen bei Kontrollen Geldstrafen. Bezahlen müssen sie die Trucker selbst, so will es das Fahrpersonalgesetz. Es regelt auch die erlaubten Fahrzeiten. Die Vorschriften sind komplex, grob gesagt darf ein Lkw-Fahrer pro Tag maximal neun oder zehn Stunden hinterm Steuer sitzen, mit mindestens 45 Minuten Pause nach viereinhalb Stunden. Sie kann in eine viertel und eine halbe Stunde gesplittet werden.

In ihrer Verzweiflung am überfüllten Parkplatz bleiben manche Fahrer für 15 Minuten mit Warnblinklicht auf dem Standstreifen stehen. Die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit beträgt je nach Wochenfortgang neun oder elf Stunden, am Wochenende (Freitag bis Sonntag) 45 Stunden. Jede Bewegung eines Trucks wird mit einem digitalen Tachometer erfasst und auf einem Chip gespeichert. Gläserne Brummifahrer.
Vor Ort an A3 und A7: Werden denn keine neuen Parkanlagen gebaut?
Unterwegs auf der A3 an einem Donnerstagabend. Kurz vor 18 Uhr, alle Lkw-Plätze an der Raststätte Würzburg-Süd sind belegt. Kennzeichen aus aller Herren Länder, internationaler geht's kaum. Rund 50 Fahrzeuge stehen hier in Reih und Glied, die meisten für die Nacht. Ähnlich das Bild ein paar Kilometer weiter am Parkplatz Sandgraben. Die Anlage ist groß und noch relativ neu, rund 30 Lkw parken hier, nur vereinzelt sind noch Lücken frei.

Tatsächlich, das bestätigt der Spediteurverband, wurden in den vergangenen Jahren neue Parkanlagen gebaut. Rund 2500 Stellplätze seien seit 2008 in Nordbayern entstanden, heißt es von der Autobahn GmbH des Bundes. Nur, so die Kritik der Spediteure: Im Gegenzug habe man viele kleinere Parkbuchten geschlossen, das spare Aufwand für den Unterhalt.
Zu sehen sind mehrere verwachsene und abgesperrte Parkbuchten zum Beispiel an der A7 von Würzburg Richtung Schweinfurt. Die kleineren Parkplätze werden eigentlich als Ausweichmöglichkeit für die großen Raststätten und Autohöfe gebraucht.
Ist die Situation in der Reise- und Ferienzeit besonders angespannt?
Ihr Abbau, sagt Verbandsgeschäftsführerin Lehmann, "war ein schleichender Prozess. Das rächt sich jetzt furchtbar". Mehr Güterverkehr, weniger Parkplätze: "Die Schere klafft immer weiter auseinander." Und der Mangel macht sich in der Ferien- und Reisezeit besonders bemerkbar. Dann sind zusätzlich noch Tausende von Wohnmobilen und Wohnwagen-Gespannen unterwegs. Seit der Pandemie boomt der Wohnmobiltourismus noch stärker als schon zuvor. Der Kampf um große Parkplätze an den Autobahnen wird noch härter.

Wer es sich erlauben kann, steuert teilweise schon am späten Nachmittag einen Verweilplatz für die Nacht an. Ein bulgarischer Fahrer mit rudimentären Deutsch-Kenntnissen formuliert es so: "17 Uhr voll. 18 Uhr voll. 19 Uhr voll voll voll." Dann geht also gar nichts mehr, den letzten beißen die Hunde.
Wie erleben Lkw-Fahrer die schwierige Suche nach einem Parkplatz?
Die Suche erinnert an die "Reise nach Jerusalem": Irgendwo wird zwar immer ein Platz frei – aber nie gibt es genug für alle. "Die Fahrer", sagt Thomas Kästner (Name von der Redaktion geändert), "haben die Schnauze voll. Das will bald keiner mehr machen." Statt Lagerkapazitäten vorzuhalten, setzen Firmen und Kunden auf "Just-in-Time-Lieferungen". Die Autobahn als riesengroßes Warenlager – ausbaden müssen es die Fahrer.
Kästner transportiert Stückgut für die Schenker-Gruppe. Er holt Ladung von Fährschiffen in Travemünde und Rostock oder bringt sie dorthin. Manchmal kann er erst um 20 Uhr mit seinem 40-Tonner losfahren. Später dann noch einen Nachtplatz finden? Praktisch unmöglich. "Ich bin auch schon an der Zapfstelle an einer Tanke gestanden."
An diesem Abend ist er früher dran, steht mit fünf anderen Lkw am A7-Parkplatz Masuren, zwischen Biebelrieder Kreuz und der Ausfahrt Estenfeld. Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Norden, diesmal transportiert er Kleingeräte. Kästner hat normalerweise eine Feiertagsgenehmigung, fährt am Sonntag um 11 Uhr vom Hof. Doch selbst an Fahrverbotstagen geht es auf Raststätten und Parkplätzen oft eng zu, denn: Vielfach werden Lkw über den Feiertag oder das Wochenende an Ort und Stelle geparkt, Fahrer – so hat es Kästner beobachtet – "werden mit Kleintransportern eingesammelt und ausgetauscht".
Sind große Raststätten genauso betroffen wie kleinere Parkplätze?
Für Robert Meister (Name von der Redaktion geändert) ist im Oktober Schluss. Dann wird der Thüringer 64 und will für immer aus dem Fahrerhaus steigen. Er transportiert Propangas, mit seinem Zehn-Tonner, gerade mal zehn Meter lang, hat er es etwas leichter als die 16 bis 18 Meter langen Sattelschlepper. Doch auch Meister fühlt sich gestresst. "Es ist immer mehr Verkehr geworden, und kleinere Parkplatze sind weggefallen."

An diesem Tag hat er Glück: Um 18 Uhr findet er noch Platz in einer Parkbucht kurz vor der Raststätte Riedener Wald an der A7. Dort stehen die Lkw nämlich schon neben der Tankstelle, alle Plätze sind belegt, über 60 Laster parken teilweise sogar in zweiter Reihe. Robert Meister nimmt das Drama mit der Gelassenheit des Bald-Rentners. Dass sich die Situation grundlegend verbessert? "Da habe ich keine Hoffnung."
Wie sehr leiden Speditionen unter dem Mangel und was fordern sie?
Bei der Geis Gruppe, international tätiger Logistikdienstleister mit Stammsitz in Bad Neustadt/Saale, kennt man das Problem zu gut – auch wenn nur zehn Prozent der Lkw im Fernverkehr unterwegs sind. Das Gros der Fahrer ist abends zuhause. "Ab 19 Uhr geht das Drama los", weiß Christian Hackl, Leiter des zentralen Geis-Fuhrparkmanagements.
Zwar komme der Parkplatz-Bau voran. "Aber was heute entsteht, ist morgen schon wieder zu wenig", so schnell wächst das Transportaufkommen. Unter diesen Umständen werde es immer schwieriger, überhaupt noch Fahrer zu finden. Hackls Appell: "Noch mehr Parkplätze schaffen!"
Was unternimmt die bundeseigene Autobahn GmbH, um die Lage zu verbessern?
Dabei ist das Thema bei den verantwortlichen Autobahnbauern längst aufgeschlagen. Erst vor einem Jahr hat das Bundesverkehrsministerium ein neues Förderprogramm zur Schaffung von Lkw-Parkplätzen an Autobahnen aufgelegt. In Nordbayern liege der Fokus derzeit auf den stark befahrenen Autobahnen A3, A6, A7 und A9, heißt es aus der Niederlassung Nordbayern der bundeseigenen Autobahn GmbH. Bis 2030 plane man 2400 Stellflächen für Lkw "baulich umzusetzen", so Sprecherin Maria Schraml auf Anfrage.

Aktuell stünden an den Autobahnen in Nordbayern 6100 Plätze zur Verfügung, bis 2030 sei ein Bedarf von 8500 prognostiziert. An der A3 und A7 sollen außerdem Parkleitsysteme helfen und in zwei Abschnitten bis 2025 fertig gestellt werden.
Es tut sich also etwas, um die Parknot an den Autobahnen zu lindern. Als Lkw-Fahrer in der Auslaufspur werden Robert Meister und Thomas Kästner zwar kaum mehr etwas davon haben. Vielleicht aber als reisende Rentner im Wohnmobil.
Parkplatznot auf den AutobahnenDie Belegung der Lkw-Stellplätze an deutschen Autobahnen wird alle fünf Jahre überprüft. Dazu führt die Bundesanstalt für Straßenwesen eine Erhebung durch, zuletzt im Jahr 2018. Die Ergebnisse: In den Nachtstunden fehlten bundesweit 23.300 Lkw-Parkmöglichkeiten auf und an den Autobahnen – mit fast 4000 die meisten in Bayern. Und dies, obwohl deutschlandweit mit 71.000 Stellplätzen fast ein Drittel mehr zur Verfügung stand als noch im Jahr 2008 mit 54.000. Wurden damals im Schnitt rund 68.000 Lkw nachts abgestellt, waren es zehn Jahre später bereits 94.000. Vor allem seit 2013 hat sich der Fehlbestand drastisch verschärft.Der ADAC mahnt einen zügigen Ausbau der Lkw-Stellplatzkapazitäten an. Verkehrsexperte Jürgen Berlitz: "Das ist zwingend erforderlich. Zu oft sind Lkw-Fahrer gezwungen, ihr Fahrzeug auf dem Standstreifen oder in Ausfahrten von Rastanlagen abzustellen. Dies führt zu einer massiven Gefährdung der Verkehrssicherheit."Das Bundesverkehrsministerium hat im Januar 2020 einen Fünf-Punkte-Plan bekannt gegeben, mit dem die Parksituation an Autobahnen verbessert werden soll. Dazu gehört auch die Schaffung neuer Parkflächen. Mit einem neuen Förderprogramm, das im Juni 2021 gestartet ist, sollen im Drei-Kilometer-Radius von Autobahnanschlussstellen 4000 zusätzliche Lkw-Stellplätze entstehen. Man setzt auf private Investoren. Dafür stellt das Ministerium im ersten Schritt 90 Millionen Euro bis zum Jahr 2024 bereit. Für die Umsetzung ist das Bundesamt für Güterverkehr zuständig.Quelle: BMDV, ADAC