Ein Einkauf im Supermarkt kann ganz schön anstrengend sein –besonders zu den Stoßzeiten. Lange Schlangen an den Kassen sind dabei nur ein Problem. Grelle Lichter, überfüllte Gänge, laute Werbe- und Informationsdurchsagen über die Lautsprecher, die Dauermusik oder die piepsenden Kassensysteme können nach einem stressigen Arbeitstag zu einer regelrechten Reizüberflutung führen.
Für hochsensible und autistische Menschen ist das Alltag. Sie nehmen Details und Reize intensiver und weniger gefiltert war, wie Manuela Schmied, Sonderpädagogin beim Autismus Kompetenzzentrum Unterfranken erklärt. Daher meiden viele von ihnen den Gang in den Supermarkt, greifen auf Unterstützung zurück oder bestellen online. In Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) haben drei Supermärkte dafür jetzt eine Lösung gefunden: die "Stille Stunde".
Konzept der Stillen Stunde bald auch in Würzburger Supermärkten?
Inklusion steht dabei an oberster Stelle. Vor wenigen Monaten führte Markus Hetzenegger auf Eigeninitiative die "Stille Stunde" während der regulären Öffnungszeiten ein, wie Kerstin Holla, Pressesprecherin von Edeka Rhein-Ruhr erklärt. Die selbstständigen Kaufleute betreiben ihre jeweiligen Märkte eigenständig und entscheiden individuell über Aktionen und Projekte.

Deshalb entschied sich Hetzenegger, die Beleuchtung, Geräusche und Gerüche in seinem Markt so weit wie möglich zu reduzieren und längere Wartezeiten zu vermeiden, wie Kerstin Holla, Pressesprecherin von Edeka Rhein-Ruhr erklärt. Das Auffüllen von Regalen, Reinigungsarbeiten, Musik und Kassengeräusche würden während der "Stillen Stunde" weitestgehend vermieden werden. Lautsprecherdurchsagen gäbe es nur im Notfall.

Die Kundinnen und Kunden freut es, sagt Holla und fügt hinzu: "Viele Kunden – auch die, die keine Reizverarbeitungsschwierigkeiten haben – begrüßen es, in einer ruhigen Atmosphäre einzukaufen." Neu ist das Konzept allerdings nicht. In Ländern wie der Schweiz und Großbritannien ist das Konzept bereits seit vielen Jahren fest etabliert. Ob es in Würzburg bald auch eine "Stille Stunde" im Supermarkt gibt, ist jedoch fraglich.
In Würzburg kennt kaum einer das Konzept der "Stillen Stunde"
Als diese Redaktion bei einzelnen Supermarktfilialen nachfragte, kannten viele die "Stille Stunde" noch nicht. So auch Stefan Lutz, Filialleiter des Rewe-Marktes in der Frankfurter Straße. "Von dem Konzept höre ich gerade das erste Mal", gibt er zu. Generell fände er die Idee gut, könne sich spontan allerdings nicht vorstellen, wie sich dies umsetzen ließe. "Das Piepsen der Kassensysteme lässt sich nicht abstellen und gleiches gilt für unsere Lüftungssysteme, die relativ laut sind." Ließe sich dafür eine Lösung finden, wäre er prinzipiell nicht gegen die "Stille Stunde", erklärt Lutz.

Ähnlich äußerte sich auch Peter Körner, Filialleiter des Edeka-Marktes in Randersacker. Die Umsetzung stelle er sich schwer vor, da Lichter und Lautsprecher von der Zentrale gesteuert würden. Eine "Stille Stunde" sei vermutlich mit einem hohen Programmieraufwand verbunden. Dennoch würde er das Konzept einführen. "Ob dafür Bedarf besteht, weiß ich allerdings nicht", sagt Körner. Er glaubt, dass die betroffenen Personengruppen schon jetzt zu Zeiten einkaufen gehen würden, in denen wenig Publikumsverkehr herrsche.
Laute Lüftungs- und Kühlanlagen sind ein Problem
Auch im Edeka-Markt von Christian Riedmeyer gibt es aktuell keine konkreten Pläne, eine "Stille Stunde" einzuführen. Doch der Inhaber weiß durch seine eigenen täglichen Erfahrungen, dass Supermärkte generell Orte sind, an denen Menschen vielen Reizen und einem hohen Geräuschpegel ausgesetzt sind. Die Idee von der "Stillen Stunde" findet er gut und würde diese in seinen Märkten in der Brettreichstraße und St.-Benedikt-Straße umsetzen, sagt er.
Nur die Frage nach dem "Wie" lässt ihn zögern. Zwar sehe kein Problem darin, die Musik- und Lautsprecheranlagen für eine Stunde am Tag auszuschalten, die Kühl- und Lüftungsanlagen hingegen seien ein größeres Hindernis. "Die sind ziemlich laut", könnten aber nicht ohne weiteres abgeschaltet werden. Doch bei entsprechenden Vorschlägen und Umsetzungskonzepten seitens der Edeka-Zentrale sei er "immer dafür, diese Menschen in das gesellschaftliche Leben zu integrieren, wo immer es möglich ist."
Zu viele Reize auf einmal sorgen für Kopfschmerzen und Überforderung
Manuela Schmied fände die Idee für Würzburg gut. Sie glaubt auch, "wenn es dieses Angebot gäbe, dann würde es auch verstärkt genutzt werden." Doch sie betont auch, dass das Empfinden von autistischen Menschen sehr unterschiedlich sein kann. "Es gibt Personen, die können das sehr gut aushalten und haben Strategien entwickelt, anderen fällt es schwerer." Das sei auch häufig von der Tagesform abhängig.

Grundsätzlich würden Autistinnen und Autisten Informationen anders verarbeiten, erklärt Schmied. Sind sie einer Reizüberflutung ausgesetzt, dann können Anspannungen, psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen oder Überforderung die Folge sein, so die Sozialpädagogin.