Der Verdacht gegen einen 37-jährigen Logopäden, er habe jahrelang kleine Jungen zur Herstellung von Kinderpornografie missbraucht, wühlt die Region auf. Mütter und Väter, deren Kinder der Verdächtige therapiert oder im Verein trainiert hat, wollen wissen, ob ihr Nachwuchs zu den mutmaßlichen Opfern gehört. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, versichert Oberstaatsanwalt Christian Schorr, Sprecher der "Zentralstelle Cybercrime Bayern" bei der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg. Er könne die Besorgnis der Eltern gut verstehen, die Recherchen im sogenannten Darknet und in den sichergestellten (Film-)Dateien gestalteten sich aber schwierig. Schorr: "Das ist Puzzlearbeit, für die es Spezialisten braucht."
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Mehr als 50 Beamte gehören der Sonderkommission bei der Kriminalpolizei Würzburg an. Sie sind unter anderem damit beschäftigt, das sichergestellte kinderpornografische Material auf Hinweise zu Opfern, Tatorten und Tatzeitpunkten zu untersuchen. Mal ist es der Leberfleck eines Kindes, mal ein Kleidungsstück, das weiterhilft. Allzu viele Details ihrer Arbeit wollen die Behörden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht öffentlich machen. Regie bei den Ermittlungen führt die "Zentralstelle Cybercrime Bayern", die der Freistaat Bayern auf Initiative des damaligen Justizministers Winfried Bausback (Aschaffenburg) Anfang 2015 bei der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg eingerichtet und im Sommer 2018 noch einmal ausgeweitet hat.
Spezialeinheit mit 14 Staatsanwälten
Allein 14 Staatsanwälte umfasst die Spezialeinheit, die Internetverbrechen zentral für den ganzen Freistaat verfolgen soll – in Zusammenarbeit mit den Fachleuten beim Landes- und beim Bundeskriminalamt sowie den Polizeidienststellen vor Ort. "Herausgehobene Ermittlungsverfahren" laufen unter ihrer Führung, zudem unterstützen sie die Kollegen anderer Staatsanwaltschaften mit ihrem Knowhow in Sachen Computer- und Informationstechnik.
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Die Fälle, die von Bamberg aus bearbeitet werden, sind vielfältig: Dazu zählen laut Schorr unter anderem Hackerangriffe, Fälle von Vorkasse-Betrug im Internet (etwa durch die Einrichtung von Fake-Shops), der Einsatz von Erpressungstrojanern ("Ransomware") sowie der Handel mit Waffen, Drogen, Falschgeld und Kinderpornografie im Darknet. Außerdem ermittelt die Zentralstelle Cybercrime in "herausgehobenen Fällen von organisierter Cyberkriminalität in der Wirtschaft".
Als "Speerspitze im Kampf gegen Internetkriminalität" hat Bausback die Zentralstelle unter der Führung des Leitenden Oberstaatsanwalts Lukas Knorr einmal gewürdigt. Die hohe Zahl der Ermittlungsverfahren belege ihre Bedeutung, sagt Schorr. Im Jahr 2017 leitete sie knapp 2100 Ermittlungsverfahren ein, ein Jahr später waren es dann über 5000.
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Die Staatsanwälte arbeiten schwerpunktmäßig in drei Arbeitsgruppen. Eine behandelt Wirtschaftsstrafsachen, eine beschäftigt sich mit Drogen- und Waffenhandel im Darknet, die dritte mit Kinderpornografie. Allein 700 Fälle waren dort 2018 zu bearbeiten. Unterstützt werden die Juristen aktuell von drei sogenannten IT-Forensikern, das sind Spezialisten für Datenanalyse.
Zentralstelle schult Kriminalbeamte
In Abstimmung mit dem Justizministerium schaut die Zentralstelle aber auch danach, wo unabhängig von einzelnen Verfahren Nachbesserungsbedarf besteht, sei es bei der technischen Ausstattung von Dienststellen, sei es bei der Schulung von Kriminalbeamten. Sie arbeitet dabei mit den Fachkollegen aus den anderen Bundesländern und dem Ausland zusammen. Man analysiere dabei technische und soziale Strukturen, "um aktuelle Entwicklungen der Cyberkriminalität frühzeitig zu erkennen und nachhaltig bekämpfen zu können".
Neben der Zentralstelle Cybercrime Bayern gibt es in Bayern noch eine zweite ähnlich aufgebaute Spezialstaatsanwaltschaft: die Zentralstelle Extremismus und Terrorismus in München.