Erleichterung bei der angeklagten Schwester Juliana Seelmann, Freude unter zahlreichen Vertretern der Kirche und Flüchtlingshilfe im Gerichtssaal: Das Landgericht Würzburg sah in zweiter Instanz nichts mehr Verwerfliches im Handeln der Ordensfrau. Die hatte im Kloster Oberzell (Lkr. Würzburg) zwei aus Italien geflüchteten Zwangsprostituierten aus Nigeria Kirchenasyl geboten – trotz eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnten Asylantrags.
Schwester Juliana: "Ich habe richtig gehandelt"
Binnen einer Stunde war der Berufungsprozess in Würzburg vorbei und die Vorsitzende Susanne Krischker verkündete: "Freispruch!" Die Schwester habe die Frauen nicht überredet, zu bleiben, sondern deren Willen respektiert, sich nicht zurück nach Italien abschieben zu lassen, wo sie zuvor zur Prostitution gezwungen worden waren. Allein die Tatsache, dass die Ordensschwester der Frau auch nach der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes weiter Unterkunft und Verpflegung geboten habe, sei nicht als Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt zu bewerten.
In schlichten Worten hatte die Angeklagte ihre Entscheidung verteidigt. Sie zitierte die Gründerin ihres Ordens: "Dort, wo die Menschenwürde gleichsam in Trümmern zusammengestürzt ist, wird Hilfe am dringendsten benötigt."

Aber selbst im Prozess dachte Seelmann nicht an sich, sondern an die verfolgte Frau aus Nigeria, die als Zeugin zu ihren Gunsten ausgesagt hatte. "Wenn ich sie so sitzen sehe – in so ganz anderer Verfassung als vor zweieinhalb Jahren – weiß ich: Ich habe richtig gehandelt", sagte die Menschenrechtsbeauftragte des Klosters vor dem Urteil. Beim Verlassen des Gerichtssaals erklärte die 39-Jährige aber auch aufatmend: "Ich habe gehofft, dass die Entscheidung so ausfällt."
Vor dem Gerichtssaal gab es Freudentränen
2021 hatte das Amtsgericht Würzburg der Ordensfrau eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt erteilt. Sie sollte 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Falls sie innerhalb von zwei Jahren straffällig geworden wäre, hätten ihr weitere 600 Euro Geldstrafe und ein neues Strafverfahren gedroht. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Verteidiger Franz Bethäuser legten Berufung ein.
Vor dem Gerichtssaal gab es nach dem Urteil Freudentränen, Beifall und Umarmungen von den vielen Unterstützern aus dem kirchlichen Bereich, die der Schwester im Prozess den Rücken gestärkt hatten. Kaum war das Urteil verklungen, lief eine Zuhörerin vor die Tür und telefonierte, um die Nachricht in Kirchenkreisen zu verbreiten: "Bitte rufen Sie bei allen Konventen an und teilen Sie mit: Freispruch für Schwester Juliana!"
Wegweisende Entscheidung aus dem Februar
Mit ihr freute sich auch Ordensbruder Abraham Sauer aus Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen). Er weiß, wie es ist, wegen Kirchenasyl auf der Anklagebank zu sitzen: In seinem Fall hatte das Bayerische Oberste Landesgericht im Februar in einer wegweisenden Entscheidung den Freispruch durch das Amtsgericht Kitzingen bestätigt. Daran hielt sich jetzt das Landgericht Würzburg. Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hatte mit Blick darauf die Berufung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen und auf Freispruch plädiert.
Die Vorsitzende Krischker betonte, dass es sich um ein rein rechtsstaatliches Urteil handle. Etwaige Gewissensentscheidungen hätten keine Rolle gespielt. Die Ordensfrau hatte auf Nachfrage betont: Sie habe die schutzsuchende Frau nie zu etwas gedrängt. "Ich habe nur gehört, was sie gesagt hat. Sie hatte große Angst und wollte nicht nach Italien zurück." Es habe großen Druck von dort gegeben, sie als Prostituierte ins Rotlichtmilieu zurückzuholen.
Als "starkes und wichtiges Signal in die Gesellschaft“ bezeichnet Bischof Dr. Franz Jung den Freispruch. Er betont in einem Schreiben an die Ordensfrau: Das Engagement Seelmanns verdiene Lob, Anerkennung und Unterstützung.