Das Urteil gegen zwei ehemalige Erzieherinnen der Kita Greußenheim ist gesprochen: Das Landgericht Würzburg hat am Freitag die 30-jährige Hauptangeklagte zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen mehrfacher Nötigung und Körperverletzung von Kleinkindern verurteilt. Außerdem muss die Erzieherin 6000 Euro an den Deutschen Kinderschutzbund zahlen. Ein Berufsverbot, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, wird ihr nicht erteilt.

Die 37-jährige Mitangeklagte, ehemalige Gruppenleiterin in der Kita der Gemeinde Greußenheim (Lkr. Würzburg), wurde wegen Unterlassung verurteilt. Sie hatte die angeklagten Vorfälle zwischen September und Dezember 2021 beobachtet, jedoch zu spät mitgeteilt. Dafür muss sie nun eine Geldstrafe zahlen: 150 Tagessätze à 50 Euro, insgesamt 7500 Euro.
Gezerrt, eingesperrt, unsanft angepackt: Was das Landgericht als erwiesen ansieht
Nach Auffassung des Gerichts ist es erwiesen, dass die 30-jährige Hauptangeklagte ein Kleinkind an der Hand aus dem Bett zerrte, sodass es mit dem Kopf voran auf den Boden fiel. Ein weiteres Kind hat sie nach Ansicht der Richter bis zum Erbrechen gefüttert. Andere Kinder habe sie als Strafe in einen abgedunkelten Schlafraum gesperrt. Sie habe Kinder unsanft angepackt, jedoch allem Anschein nach nicht in der von der Staatsanwaltschaft beschriebenen Brutalität.
Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die 30-Jährige vorsätzlich Kinder "quälte". In der Anklage war von "roher Misshandlung" und "Misshandlung von Schutzbefohlenen" die Rede. Dafür hielt die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten für angebracht. Für die 37-jährige Gruppenleiterin hatte die Anklage eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten gefordert.
Das Landgericht Würzburg folgte dieser Darstellung nicht.
Vorsitzender Richter: Vorsätzlich gehandelt, aber nicht absichtlich
Die 30-Jährige habe im juristischen Sinne "vorsätzlich" gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster. Sie habe die Folgen ihres Handelns also im Vorfeld absehen können. Allerdings habe sie nicht im allgemeinverständlichen Sinne "absichtlich" gehandelt. Ohne ein Geständnis aber, sagte Schuster, hätte die 30-Jährige wohl mit einer Haftstrafe rechnen müssen.
Während des Verfahrens habe sich die 30-Jährige insgesamt einsichtig gezeigt und Verfehlungen eingeräumt – teils gegen Empfehlungen aus ihrem persönlichen Umfeld. "Ich weiß, es war nicht einfach", wandte sich der Vorsitzende Richter an die Erzieherin. "Aber sie waren gut beraten, ihre Taten einzuräumen."
Nach Auffassung des Würzburgers Landgerichts: 30-Jährige war geständig
Ein "lupenreines, reuiges Geständnis" habe die Angeklagte zwar nicht abgegeben, sagte Schuster. Aber: "Sie hat Verantwortung übernommen. Sie ist einen weiten Weg gegangen für das Geständnis." Ein Berufsverbot sei nicht notwendig. Wiederholungsgefahr bestehe nicht und durch den Eintrag im Führungszeugnis werde die Erzieherin im Kita-Bereich wohl nur schwer eine Anstellung finden.
Über die 37-Jährige sagte der Vorsitzende Richter: "Sie hatte eine besondere Verantwortung innerhalb der Gruppe." Die ehemalige Gruppenleiterin habe zwar erkannt, dass ihre jüngere Kollegin Impulse nicht steuern konnte, sei aber nicht eingeschritten: "Es wäre ein Muss gewesen, sich an die Leitung zu wenden."
Die Eltern der Kitakinder, so Schuster, hätten der 37-Jährigen vertraut. Das sei ihr bewusst gewesen. Dieses Vertrauen habe sie enttäuscht, sie habe Vorfälle zudem aktiv vertuscht. Dass die 37-Jährige jedoch umfassend gestanden hat, komme ihr nun zugute.
Landgericht Würzburg: "Sie sind weder Monster- noch Horror-Erzieherin"
Schuster wandte sich direkt an die beiden Frauen: "Sie sind weder Monster- noch Horror-Erzieherin." Beide hätten Fehler und sich schuldig an "den Schwächsten der Gesellschaft" gemacht. "Nicht weniger und nicht mehr."

Der Prozess um mutmaßliche Misshandlungen in der Kita habe viele Emotionen ausgelöst und die Gemüter bewegt: "Es geht hier um die Kleinsten und Schwächsten der Gesellschaft und um Urängste, wenn man das Wertvollste, was man hat – unsere Kinder – in fremde Hände gibt."
Die Atmosphäre in der Kita beschrieb der Richter als unkollegial. Es habe Mobbingvorwürfe unter Kolleginnen gegeben. In der Pandemie sei der Stress in der Einrichtung enorm gewesen - verschärft durch ein "toxisches Beziehungsgeflecht" zwischen Mitarbeiterinnen. Die Gemeinde als Träger sei "unkritisch" mit bekannten Vorwürfen umgegangen.
Richter wendet sich an Kita-Mütter: "Sie haben nichts falsch gemacht"
Man habe in den Zeugenaussagen der Eltern deutlich gespürt, wie sehr sich gerade Mütter mit Gedanken geplagt hätten - wie "Ich habe mein Kind verraten". Und es sei auffällig gewesen, wie groß die Vorwürfe waren, die sie sich selbst machten. "Dabei haben Sie nichts falsch gemacht", richtet sich der Vorsitzende an die Mütter der Kinder. Es zeige, dass die Gesellschaft immer noch viel zu hohe Erwartungen an Frauen mit Kindern habe. Das sei bei Vätern in der Regel nicht so.
Gegen das Urteil sind Rechtsmittel möglich.