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DÜRRBACHTAL: Kleine Welt im Schatten hinter dem Steinberg

DÜRRBACHTAL

Kleine Welt im Schatten hinter dem Steinberg

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    Weniger idyllisch: Die Wirtschaft pulsiert in der Dürrbachau. Nicht jeder Anwohner freut sich.
    Weniger idyllisch: Die Wirtschaft pulsiert in der Dürrbachau. Nicht jeder Anwohner freut sich.

    Es ist ein wunderschöner frühsommerlicher Morgen. Im Hof vom Weingut Reiss an der Unterdürrbacher Straße treffen wir uns mit einigen rüstigen Rentnern. Es ist warm genug, um hemdsärmlig draußen zu sitzen. Christian Reiss weiß, wer einen Roten oder eine Schorle will. Stadtrat Karl Adam ist dabei. Man kennt sich. Sofort Palaver über das und jenes. Am liebsten über die „alten Zeiten“. Doch wenn man fragt, wie es weiter geht? Schnurgrade geht es nicht.

    Die Herrschaften kommen zwar nicht jeden Tag, aber schon öfter hierher. Denn so viele Möglichkeiten zur Kommunikation gibt es nicht mehr im Dürrbachtal, wenn man öffentliche Gaststätten als Orte der Begegnung nimmt. Zuletzt haben der „Schwan“ und der „Adler“ geschlossen. Übrig geblieben sind die Gaststätte des Sportvereins TV Unterdürrbach und die Jahn-Gaststätte.

    Früher! Ja früher hat es auch noch mindestens acht Heckenwirtschaften gegeben, die vor allem bei den Würzburger Studenten sehr beliebt waren, weil da ein zünftiger Rausch halt doch nicht so teuer war wie in der Stadt. Die Würzburger mussten ja nur über den Steinberg. Zu Fuß eine halbe Stunde.

    Die 2007 verstorbene Autorin Irmgard Schmidt hat in ihren Gschichtli und Anekdoten „Sallesmal warsch wirkli sou“ oder „Es geit öbbes Neu's“ noch die Probleme festgehalten, die mancher „Städter“ hatte mit zu viel Federweißen im Hirn und „Dürrbacher Kaviar“ im Bauch – also größten Schwierigkeiten, wieder über den Berg heimzukommen.

    Vorbei. Auch keine Heckenwirtschaft gibt es mehr. Das ist bezeichnend für diesen Stadtteil, der es zunehmend schwer hat mit einem eigenen Image. Den älteren Herren in der kleinen Runde fällt es leicht, von der Vergangenheit zu sprechen. Fast jeder ist in einem der 24 Vereine Mitglied oder gar verantwortlich in der Vorstandschaft. Für sie ist die Welt soweit intakt.„Unter uns Alten gibt es einen Zusammenhalt“, ob im Gesangerverein, beim Sportverein oder bei der Feuerwehr. Darauf sind sie stolz.

    Und die Jugend? Die geht ihre Wege und bleibt in der Regel nicht mehr im Dürrbachtal. Dabei gibt es doch so traumhafte Flecken mit unendlich großen Grundstücken und viel Natur. Im schönsten Grün enden die meisten Seitenstraßen. Wer als Innenstadt-Würzburger die sieben Kilometer von der Veitshöchheimer Straße bis zum Ende von Oberdürrbach an der Gadheimer Straße durchfährt, glaubt sich auch fast in einer anderen Welt.

    In Straßen, die oft so eng sind, dass man ganz konzentriert auf den Verkehr achten muss, sieht man kaum, was sich an Bebauung rechts und links in den Hängen versteckt. Charakteristisch ist die ellenlange Steinburgstraße mit 111 Hausnummern. Verkehrsmäßig ein einziger Kompromiss. Mehr Parkverbotsschilder gibt es wohl in der ganzen Stadt nicht, damit man überhaupt fahren kann. Ein richtiges Baugebiet gibt es eigentlich nur in Oberdürrbach, wo die Nähe zur Stadt und den Universitätskliniken auch in der Besiedlung deutlich spürbar wird. Beispiel ist die Stellenberger Siedlung in Oberdürrbach. Das hat mit dem früheren Ort nichts mehr zu tun, „wir sind überfremdet“, sagen Einheimische.

    Dazu muss man wissen, dass die einst selbstständigen Gemeinden Unter- und Oberdürrbach immer ein etwas mit Spannung geladenes Verhältnis hatten, weil sie total unterschiedlich waren und auch heute noch sind. Unterdürrbach war die Winzergemeinde. Sogar die Nordhänge waren mit Reben bepflanzt. Die größten Lagen waren der Pfaffenberg und die Heinrichs-leite. Nur im Tal gab es etwas Ackerbau. Oberdürrbach, das waren die Bauern mit Äckern auf der Höhe. Alles vorbei. Einziger Winzer in der Talgemeinde ist noch Christian Reiss vom Weingut Bruno Reiss. In Oberdürrbach gibt es noch zwei Nebenerwerbslandwirte und einen Aussiedler, der Landwirtschaft betreibt.

    Was die Bevölkerung angeht, haben sich die beiden früheren Gemeinden ganz unterschiedlich entwickelt. Seit der Eingemeindung 1976 gab es viele Ideen, die Talgemeinden voranzubringen. Sie sind fast alle nicht realisiert worden. „Gott sei Dank“, sagt man in der kleinen Herrenrunde. Doch dann wird sie nachdenklich. Was ist das Dürrbachtal heute? Die Dürrbachau am Eingang und am Main hat einen rührigen Bürgerverein, sie besteht am Fuß des Schenkenturms aus Wohngebieten und Gewerbe. „Die hat schon immer zu Würzburg gehört“, sagen die „Eingeborenen“ aber. „Die gehört nicht zu uns.“ Dann kommt Unterdürrbach, der Stadtteil, der sich aus topografischen Gründen eigentlich nicht entwickeln konnte. In 50 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von rund 1700 auf 1820 erhöht. Anders Oberdürrbach, wo die Einwohnerzahl von 580 auf 3500 hoch ging.

    Bodenständig und schön mögen manche Ruheständler das wunderbare Tal finden. Es hat aber auch tiefe Schatten. So gibt es nur noch eine Grundschule. Das bedeutet: Wenn die Kinder ins Jugendalter kommen, müssen sie in die Stadt. Und es gibt zwar drei Kirchen, aber keinen einzigen Pfarrer im Dürrbachtal. Damit ist es vorbei mit der „heilen Welt“ des Tals.

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    Foto: Theresa Müller
    Typisch Dürrbachtal: Steile Hänge, die eine ganz besondere Siedlungsstruktur nötig machen.
    Typisch Dürrbachtal: Steile Hänge, die eine ganz besondere Siedlungsstruktur nötig machen.

    Auch mit der Grundversorgung sieht es recht düster aus. Noch gibt es eine Bäckerei und einen Metzger, der aber nur stundenweise öffnet. Als „Vollversorger“ ist inzwischen an der Gadheimer Straße das „Lädchen“ eingestiegen, wo die Edeka dicht gemacht hat. Der Zusammenschluss von Tegut, Brauchbar, einer Buchhandlung und dem Weingut Reiss hat jedoch auch nach einem halben Jahr um Akzeptanz zu kämpfen.

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