Es klingt alarmierend: Unterfranken wird im Klimawandel immer trockener. Das letzte Mal, dass sich reichlich neues Grundwasser gebildet hat, mehr als 150 Millimeter im Jahr, war vor 16 Jahren. Und es wird noch trockener. Bis zum Jahr 2035 könnten die Quellschüttungen in Unterfranken um 15 Prozent und das Wasserdargebot der Brunnen um fünf Prozent nachlassen. Dann könnte es bei der öffentlichen Wasserversorgung an manchen Orten eng werden.
Die Versorgungssicherheit gilt in 30 Prozent der 270 Gebiete, in denen Wasser in der Region gewonnen und verteilt wird, bis 2035 als "stark eingeschränkt". Betroffen sind 5,9 Prozent der Bevölkerung. Dies geht aus einer Prognose der Regierung von Unterfranken hervor, der "Wasserversorgungsbilanz". Die Studie wurde 2010 erstellt und 2018 inklusive aktueller Klimaszenarien fortgeschrieben. Sie ist noch nicht öffentlich. Erste Ergebnisse aber gibt es bereits.
Quellen in der Rhön, im Spessart und im Odenwald lassen nach
Sitzen wir in Unterfranken schon in weniger als 20 Jahren auf dem Trockenen? "Nein", beruhigen Christian Guschker, Leiter der Aktion Grundwasserschutz, und Axel Bauer, Leiter des Sachgebiets Wasserwirtschaft. Insgesamt gesehen gebe es in der Region auch in 20 Jahren keinen Mangel an Trinkwasser. Oft sei das Wasser aber sehr ungleich verteilt. "Wir haben Gebiete, die vor allem von Quellen gespeist werden, da ist es tatsächlich knapp. Quellen reagieren sehr viel schneller auf Trockenheit als das Grundwasser zu unseren Füßen. Da kann es fallweise schon mal eng werden", sagt Axel Bauer.

Alles in allem gebe es in der Natur noch genügend Wasser. Die Experten rechnen mit 120 bis 140 Millionen Kubikmeter, die theoretisch jedes Jahr in Unterfranken gewonnen werden könnten. Derzeit werden pro Jahr aber nur 80 Millionen Kubikmeter Wasser benötigt. Auf jeden Einwohner eines Privathaushaltes gerechnet sind das 120 Liter Wasser pro Tag. Die Frage ist: Wie gelingt es, die Gebiete, in denen Wasser Mangelware ist, mit dem Rest der Region zu vernetzen?
Knirschen könnte es zum Beispiel in der Wasserversorgung der Mittelgebirgslagen, etwa in der Rhön, dem Spessart und dem Odenwald, obwohl es dort mehr regnet als in der Fränkischen Trockenplatte zwischen Würzburg und Schweinfurt. "Das, was der Bürger aus dem Wasserhahn bekommt, hat nichts damit zu tun, ob das Gebiet trocken ist", sagt Axel Bauer. Denn Unterfranken bezieht sein Trinkwasser aus unterirdischem Grundwasser, genauer gesagt aus 561 Brunnen und 206 Quellen. Kleine Wasserversorger, die auf einzelne Quellen angewiesen sind, könnten im Klimawandel Probleme bekommen. Und Quellgebiete gibt es in Unterfranken vor allem in den Mittelgebirgslagen.
Kommt im August 2035 überall noch genug Wasser aus dem Hahn?
Laut der Prognose könnte es im Jahr 2035 zu bestimmten Uhrzeiten, wenn der Tagesspitzenbedarf am höchsten ist, mancherorts ein Defizit von mehr als 20 Prozent geben. Müssen wir also an einem heißen Augusttag, etwa in einigen Ortschaften in der Rhön, damit rechnen, dass kein Tropfen Wasser mehr aus dem Hahn läuft?
"Man wird es merken, wenn ein Großbrand entsteht und die Hydranten nicht mehr genügend Wasser liefern."
Axel Bauer, Leiter des Sachgebiets Wasserwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken
"Nein", sagt Axel Bauer. Jeder Wasserversorger habe Spielräume in seinem Leitungsnetz und halte Reserven vor. Der Verbraucher wird es also kaum merken, sollte es eng werden. Aber: "Man wird es merken, wenn ein Großbrand entsteht und die Hydranten nicht mehr genügend Wasser liefern." Denn Puffer gibt es deshalb, damit im Ernstfall genügend Löschwasser zur Verfügung steht.
Welche Wasserversorger sind gefährdet?
Eines jedoch brennt den Experten noch mehr auf den Nägeln als die drohende Trockenheit. Denn die Hauptursache für die mangelnde Versorgungssicherheit in 20 Jahren liegt woanders: "Jeder Versorger, der sein Wasser aus nur einem Brunnen zieht, hat ein Problem, wenn dieser ausfällt. Jeder, der zwar mehrere Brunnen, aber nur ein Gewinnungsgebiet hat, kommt ins Schwitzen, wenn bei einem Unfall Öl ausläuft oder ein Flugzeug ins Wasserschutzgebiet stürzt", sagt Christian Guschker.

Vor allem kleine Wasserversorger, die nur ein Standbein haben, seien gefährdet. Besonders dann, wenn ihre Anlagen veraltet sind. Da die Kommunen in Bayern gesetzlich verpflichtet sind, die öffentliche Wasserversorgung sicherzustellen, ist diese kleinteilig. Allein in Unterfranken sind es 309 Einzelunternehmen, die die Menschen mit Trinkwasser versorgen.
Viele Gemeinden müssten für neue Leitungen sehr viel Geld in die Hand nehmen. Ruckzuck bewege man sich im siebenstelligen Bereich. Allerdings übernehme der Freistaat 50 Prozent der Kosten, wenn sich ein Versorger mit einer Verbundleitung ein zweites Standbein schaffe. Aktuell sind zehn unterfränkische Gemeinden dabei, neue Leitungen zu planen, zu bauen oder sich zu vernetzen, etwa Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld), Schweinfurt, Haßfurt, Lohr und Obernburg (Lkr. Miltenberg).
Wird das Trinkwasser in Unterfranken teurer?
Bei einer Umfrage nach dem Trockenjahr 2015 gaben zwei Drittel aller Wasserversorger in Unterfranken an, sich auf den Klimawandel vorzubereiten. Die Fernwasserversorgung Franken, die jährlich etwa vier Millionen Kubikmeter Wasser in die Region leitet, wird ihren Wasserpreis für Städte und Gemeinden zum 1. Juli 2020 von aktuell 1,05 Euro auf 1,20 Euro je Kubikmeter anheben. Danach könnte der Preis weiter steigen. Begründung: Um auch in Zukunft den Spitzenbedarf an heißen Sommertagen zu bedienen, müsse man Wasser flexibler vorhalten und die Infrastruktur ausbauen. Und das kostet.
Ähnlich ergeht es der Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM), die 90 000 Menschen in den Landkreisen Würzburg und Main-Spessart mit Trinkwasser versorgt. Immer mehr Gemeinden, die eigentlich ihren eigenen Brunnen haben, lassen sich als zweites Standbein eine zusätzliche Leitung zur FWM legen. Die Folge: "Wir müssen immer flexibler kalkulieren, um im Vorfeld realistische Fördermengen zu beantragen, aber auch Extremfälle abzudecken, etwa, wenn an einem heißen Augusttag drei Gemeinden zusätzlich beliefert werden müssen, weil deren Brunnen ausgefallen ist", sagt Werkleiterin Eva von Vietinghoff-Scheel.
Sollten Sportplätze im Sommer bewässert werden?
Kontrovers diskutiert wird in vielen unterfränkischen Gemeinden bereits der Eigenbedarf: Sollten Sportplätze, öffentliches Grün oder Friedhöfe bewässert werden, wenn ringsherum alles braun ist und das Wasser knapp wird?
Auch die Bewässerung des Obst- und Gemüsebaus, etwa in der Bergtheimer Mulde (Lkr. Würzburg), erhitzt die Gemüter. Dabei werden weniger als zehn Prozent der Wasserentnahmen aus dem Grundwasser in Unterfranken für die landwirtschaftliche Bewässerung und über 90 Prozent für die öffentliche Trinkwasserversorgung verwendet. Sollten allerdings die Berechnungen der Klimaforscher eintreten, könnte der Bewässerungsbedarf in Unterfranken bis zum Jahr 2100 explodieren.
"Die Infrastruktur für Wasser bereitzustellen, wird eine der größten Herausforderungen für Nordbayern im Klimawandel", sagt Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. Eine Lösung sei, künftig mehr Wasser im Winter zwischenzuspeichern. Als Vorzeigeprojekt gilt "Vinaqua", ein Bewässerungssystem der Weinberge in Volkach (Lkr. Kitzingen).
Gießen wir Gemüse bald mit Abwasser?
In einem anderen Projekt untersuchen Experten der TU München am Beispiel der Schweinfurter Trockenplatte, ob man künftig sogar, ähnlich wie in Israel , gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen so aufbereiten kann, dass es zur Bewässerung verwendet werden kann. Doch dafür muss zuerst geklärt werden, wie man das Abwasser von Antibiotika und Hormonen befreien kann.
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