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Wolkshausen: Klimawandel in Franken: Wird die Melone die neue Zuckerrübe?

Wolkshausen

Klimawandel in Franken: Wird die Melone die neue Zuckerrübe?

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    Landwirt Benno Karl in Wolkshausen (Gemeinde Gaukönigshofen im Lkr. Würzburg) baut Sojabohnen an. Es läuft fast so gut wie in Brasilien.
    Landwirt Benno Karl in Wolkshausen (Gemeinde Gaukönigshofen im Lkr. Würzburg) baut Sojabohnen an. Es läuft fast so gut wie in Brasilien. Foto: Thomas Obermeier

    Das hätte er sich vor 40 Jahren nicht träumen lassen. Dass er einmal Sojabohnen anbauen würde. Ausgerechnet hier in Wolkshausen im Ochsenfurter Gau (Landkreis Würzburg). Landwirt Benno Karl zerdrückt eine Hülse: Es sind vier Bohnen drin. Der Wassergehalt stimmt. Mit einem Ertrag von 30 Doppelzentnern pro Hektar stehen seine Sojabohnen heuer genauso gut da wie die brasilianischen. Sogar besser als die kanadischen. Wenn die Brasilianer allerdings weiter ihren Regenwald abholzen und zu billigem Ackerland umwandeln, wird das den Preis drücken. 

    Warum sich die Sojabohne in Unterfranken wohl fühlt

    Benno Karl seufzt. "Ein 20-Hektar-Betrieb hätte heute kaum eine Chance", sagt er. Dem Ackerbauern gehört ein konventioneller Betrieb mit rund 100 Hektar. Früher waren das mal drei kleine Familienbetriebe. Benno Karl arbeitet in der Landwirtschaft seit er 17 ist, seit 40 Jahren also. Doch im Jahr 2019 ist vieles anders. Heute kämpft er vor allem mit unsichtbaren Gegnern, etwa mit den sich verschärfenden Umweltauflagen, mit der Billigkonkurrenz aus dem Ausland und mit den Folgen des Klimawandels: monatelange Trockenphasen, die viele Pflanzen nicht mehr ausgleichen können, extreme Hitzetage, die den Ertrag mindern und milde Winter, in denen Schädlinge überleben.

    Klimaresistente Pflanzen werden von staatlichen Stellen auf einem Feld bei Wolkshausen im Ochsenfurter Gau ausprobiert. Der örtliche Bauer Benno Karl ist im Oktober bei der Sojabohnenernte.
    Klimaresistente Pflanzen werden von staatlichen Stellen auf einem Feld bei Wolkshausen im Ochsenfurter Gau ausprobiert. Der örtliche Bauer Benno Karl ist im Oktober bei der Sojabohnenernte. Foto: Thomas Obermeier

    Da kommt dem Bauern die Sojabohne gerade recht: Sie ist unkompliziert, wärmeliebend, wenig pilzanfällig. Als Leguminose düngt sich die Pflanze über ihre Wurzelknöllchen, in denen sie eine Symbiose mit Bakterien eingeht, sozusagen selbst. Und mit zwei bis drei Gewitterschauern im Juli und August ist sie auf den guten unterfränkischen Lössboden genauso zufrieden wie in Brasilien. Denn: "Je wärmer es ist, desto höher sind die Erträge, bei gleichem Wasserdargebot", sagt Herbert Siedler. Der Experte für Pflanzenschutz am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) berät Bauern in ganz Unterfranken und Teilen Mittelfrankens über Anbaustrategien im Klimawandel.

    In Unterfranken wird mehr Dinkel produziert als gegessen

    Warum also wird so wenig Soja in Unterfranken angebaut? Auf insgesamt 240.000 Hektar Ackerfläche sind es nur 2.000 Hektar. Der Selbstversorgungsgrad bei Soja in Deutschland liegt bei gerade mal 0,2 Prozent. "Weil der Anbau allein nicht ausreicht", erklärt Siedler. Es müsse Akteure geben, die die Produkte der Bauern kaufen, weiterverarbeiten, vermarkten und bis an die Verbraucher weiterreichen. Geklappt hat das beim Dinkel. Erstens: Die Dinkelernte im trockenen Unterfranken ist sicher. Anders als etwa in Norddeutschland, wo immer mal eine Ernte bei feuchtem Wetter in die Hose geht, weil die Pflanze auswächst. Zweitens: Ein Händler und Verarbeiter hat sich im Würzburger Hafen niedergelassen. Drittens: Dinkel hat beim Verbraucher ein gutes Image.

    "Im Grunde müssten alle Unterfranken Dinkelbrot essen."

    Herbert Siedler, Experte für Ackerbau am Landwirtschaftsamt Würzburg

    Von den ehemals 90.000 Hektar Weizen in Unterfranken hat der Dinkel bereits 11.000 Hektar übernommen. In Unterfranken wird schon mehr Dinkel produziert als gegessen: 60.000 Tonnen pro Jahr. Das entspricht etwa 2.000 Lastern. "Im Grunde müssten alle Unterfranken Dinkelbrot essen", sagt Siedler. Anders sieht es aus bei anderen alternativen Ackerfrüchten, die im Klimawandel gute Chancen hätten. Amaranth beispielsweise, der nur auf 38 Hektar angebaut wird und noch nicht beim Verbraucher angekommen ist. Amaranth-Brötchen beim Bäcker? Fehlanzeige.

    Ähnlich ist es bei Miscanthus (24 Hektar), der sich als Brennstoff eignet oder der durchwachsenen Silphie (41 Hektar), einer Maisersatzpflanze für Biogasanlagen. Sie versorgt Hummeln und Bienen mit reichlich Nektar und ist auch noch gut gegen Starkregen, Bodenerosion und Nitratanreicherung.  Winterdurum hat sich mit 1.500 Hektar bereits in Unterfranken etabliert. Hirse ist mit 340 Hektar auf einem guten Weg. Bei Hanf (25 Hektar) fehlt das weiterverarbeitende Gewerbe.

    Hätte die fränkische Wassermelone eine Chance?

    Wie sieht es aus mit fränkischen Melonen, Feigen oder Artischocken? Neue Arten beim Obst und Gemüseanbau sind in Unterfranken bislang selten. Zum einen machen es die Spätfröste in Unterfranken schwer, Melonen anzubauen. Zum anderen müsse man die fränkische Wassermelone in einer Zeit auf dem Markt etablieren, in der es günstig riesige Melonen aus der Türkei gibt. Momentan kaufe der Verbraucher ja nicht einmal verschorfte Äpfel aus der Region, sagt Nikolai Kendzia, zuständig für Gartenbau am AELF Kitzingen. Er meint: "Unterfranken wird nie ein Aprikosenanbaugebiet."

    Es ändern sich also weniger die Arten, als vielmehr die Sorten und Anbaumethoden. Ob Würzburger Norden, die Gegend um Albertshofen oder um Schweinfurt: Obst- und Gemüse wird immer öfter in Gewächshäusern, unter Folientunneln und unter Hagelnetzen angebaut. Wasserspeicher, die den Niederschlag im Winter auffangen und im Sommer tröpfchenweise an die Pflanzen abgeben, sind im Kommen. Himbeeren wachsen zunehmend in Topfkulturen und werden einzeln bewässert.

    "Unterfranken wird nie ein Aprikosenanbaugebiet."

    Nikolai Kendzia, Experte für Obst, Gemüse, Zierpflanzen am Landwirtschaftsamt Kitzingen

    Während es bei Obst und Gemüse in Unterfranken also bald nicht mehr ohne Bewässerung geht, lohnt sie sich im Ackerbau nicht. Stattdessen wird dort die Fruchtfolge erweitert. Denn je mehr Kulturen, desto geringer ist das Risiko, wenn eine kaputt geht. Beim Ackerbau geht es vor allem um die Kunst, den Boden über Mulchsaaten (organisches Material statt blanker Erde) und Regenwurm-Aktivitäten so zu bewirtschaften, dass Niederschläge in tiefere Schichten sickern, der Boden das Wasser speichert und Starkregen die Erde nicht abschwemmen kann.

    Rübenbauern profitieren vom Klimawandel

    Erstaunlich: Einige Landwirte, wie etwa die unterfränkischen Zuckerrübenbauern, profitieren sogar vom Klimawandel. Denn durch die steigenden Temperaturen werden die Wachstumsphasen der Pflanzen länger. So sind die Erträge der Rübenbauern innerhalb von 60 Jahren nicht allein durch den technologischen Fortschritt enorm gestiegen. Derzeit werden auf 17.000 Hektar in Unterfranken Zuckerrüben angebaut. Auf einem guten Standort sind es heuer 700 Doppelzentner Ertrag.

    "Hohe Erträge pro Fläche sind wichtig", sagt Herbert Siedler. Andernfalls könnten die unterfränkischen Bauern mit den Preisen am Weltmarkt nicht mithalten. Die Produkte würden woanders angebaut."Wenn wir nicht effizient produzieren, dann fällt der brasilianische Regenwald, dann importieren wir nur noch Tomaten aus Spanien, wo ganz andere Umwelt- und Sozialstandards gelten oder Soja aus Kanada, für dessen Transport wir enorme Mengen an CO2 verbrauchen."

    Klimaschutz kontra Artenschutz?

    Doch je intensiver der Anbau, desto schlechter steht es meist um den Arten- und Grundwasserschutz. Deshalb finden auf 10.000 Parzellen in Unterfranken wissenschaftliche Feldversuche, koordiniert von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, statt. "Es kristallisieren sich die Sorten heraus, die mit dem Klimawandel besser zurecht kommen, die die besten Erträge bringen und am umweltschonendsten sind", sagt der Leiter des Versuchszentrums Nordwestbayern, Wolfgang Miederer. Der Experte versucht, einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Auch in Wolkshausen. Auf einem Stück Feld von Benno Karl.

    Auch ein Stück Sojabohnenfeld von Bauer Benno Karl in Wolkshausen haben die Experten für ihre Versuche gepachtet.
    Auch ein Stück Sojabohnenfeld von Bauer Benno Karl in Wolkshausen haben die Experten für ihre Versuche gepachtet. Foto: Thomas Obermeier
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