Durch den Ukraine-Krieg ist die Bedrohungslage in Europa so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Viele Menschen haben Angst, dass der Krieg auch auf andere Länder übergreift. Wie gehen diejenigen damit um, die im Ernstfall in den Einsatz müssen? Ein Berufssoldat und zwei Reservisten aus der Region erzählen, wie sie die aktuelle Lage einschätzen und welche Auswirkungen der Ukraine-Krieg für sie hat.
Berufssoldat: "Unmöglich, dass deutsche Soldaten im Ukraine-Krieg eingesetzt werden"
"Ich gehe eigentlich nicht davon aus, dass die Bundeswehr in der Ukraine eingesetzt wird", sagt ein Berufssoldat aus Unterfranken, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte. Der 40-Jährige berichtet, dass sich sein Arbeitsalltag seit dem Beginn des Ukraine-Krieges nur marginal verändert hat. Er hat Außen- und Sicherheitspolitik studiert und schätzt die aktuelle Lage so ein: "Ich halte es für nahezu undenkbar, dass sich dieser Krieg auf Nato-Territorium ausweitet", sagt er. "Ich halte es auch für nahezu undenkbar, dass Atomwaffen eingesetzt werden." Dass deutsche Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen im Ukraine-Krieg eingesetzt werden, halte er sogar für unmöglich. "Sicherheitspolitisch wäre das nicht im Interesse unseres Staates und auch nicht im Interesse der Nato", sagt er.

Die Stimmung unter seinen Kameradinnen und Kameraden sei nicht angespannt. "Ich bin der Ansicht, dass jeder, der ein bisschen was von den Mechanismen versteht, nicht wirklich angespannt sein muss." Bei weniger erfahrenen Kameradinnen und Kameraden komme es darauf an, wie Vorgesetzte ihre Soldatinnen und Soldatinnen informieren. "Eine gewisse Angespanntheit kann ich besonders bei den deutschen Kräften im Baltikum verstehen", sagt er. Er glaubte nicht, dass der Krieg noch lange dauere: "Ich hoffe, dass er in den nächsten zwei Wochen ein Ende findet", sagt er.
Für die Familien von Soldatinnen und Soldaten, die sich oft verstärkt Sorgen machen, wenn neue Kriege ausbrechen oder Auslandseinsätze anstehen, gebe es beispielsweise Familienbetreuungszentren bei der Bundeswehr. Als er selbst in Einsätze musste, hatte er noch keine familiären Verpflichtungen, außer seinen Eltern. Heute habe er Kinder und wisse, dass die sich Gedanken machen, erzählt der Berufssoldat.
Reserveoffizier aus Würzburg: "Das ich da persönlich Angst habe, kann ich nicht sagen"
"Wir kennen das alle nicht in unserer Generation. Dass jetzt Krieg in Europa herrscht, ist schwer einzuordnen", sagt Max Weckesser, Reserveoffizier aus Würzburg. Der 28-jährige Student hat nach dem Schulabschluss freiwilligen Wehrdienst geleistet und anschließend neben dem Studium die Laufbahn als Reserveoffizier eingeschlagen. Ob er Einsätze für die Bundeswehr übernimmt, kann er allerdings freiwillig entscheiden. In diesem Jahr hat Weckesser in Brandenburg Amtshilfe geleistet und mitgeholfen, die Afrikanische Schweinepest einzudämmen.

Andere Einsätze für Reservisten waren etwa die Nachverfolgung von Corona-Kontakten, Hilfe in Erstaufnahme-Einrichtungen für Geflüchtete oder die Hochwasser-Hilfe im Ahrtal. Auslandseinsätze seien in der Reserve ebenfalls möglich, aber nicht üblich, erklärt der Student: "Reservisten sind ja in erster Linie Zivilpersonen, die verschiedenen Berufen nachgehen und in zweiter Linie in ihrer Freizeit Reservedienst leisten."
Über den Krieg in der Ukraine sagt Max Weckesser: "Die Leichtigkeit ist ein Stück weit weg. Aber dass ich da persönlich Angst habe, kann ich nicht sagen." Sorgen mache ihm die Situation so wie jedem anderen auch, aber nicht speziell in seiner Rolle als Reservist. Unter seinen Kameraden im Reservistenverband herrsche auch keine Unruhe.
Der Bezirksvorsitzender des Reservistenverbands Unterfranken. "Erst einmal Ruhe bewahren"

"Ich kenne die Situation noch vom Kalten Krieg. Für die Jüngeren ist die Situation neu", sagt Hans-Joachim Stadtmüller, der Bezirksvorsitzende des Reservistenverbands (VDRBW) Unterfranken. 41 Jahre lang habe er als aktiver Reservist für einen Dienstposten trainiert, den er im Verteidigungsfall übernommen hätte.
Zum Krieg in der Ukraine sagt der 64-Jährige: "Ich kann jetzt aus meiner persönlichen Situation nicht sagen, dass ich völlig erstarrt wäre oder die größten Ängste hätte." Im Verband werde auch darüber gesprochen, aber Stadtmüller schränkt ein: "Es ist auch die erste Bürgerpflicht, erst einmal Ruhe zu bewahren."
Über die Bundesgeschäftsstelle der Verbands können sich Reservisten derzeit melden, um bei der Hilfe für die Ukraine zu unterstützen. "Meine Reservisten im Verband haben sich noch vor keiner Aufgabe gescheut", sagt er. Auch in der Pandemie hätten sie geholfen.
Stadtmüller betont allerdings auch, dass das ehrenamtliche Engagement der Reservisten Grenzen habe: "Viele Reservisten sind auch Feuerwehrmänner, einige sind beim THW, manche beim Roten Kreuz. Ein Tag hat aber nur 24 Stunden."
Reservistinnen und Reservisten der BundeswehrReservist ist zunächst einmal jeder, der mindestens einen Tag in der Bundeswehr gedient hat und seinen Dienstgrad nicht verloren hat. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhält jeder automatisch den Status "Reservist". Darüber hinaus gibt es noch einige adere Möglichkeiten, als Zivilist Angehöriger der Reserve zu werden.Quelle: VDRBW