„Das geht oft bis an die Schmerzgrenze“: Wer mit Paketzustellern hinter vorgehaltener Hand redet, bekommt solche Sätze zu hören – auch in Mainfranken. Zeitdruck, wenig Lohn und erhebliche körperliche Anstrengung: Kein Zweifel, dieser Job ist hart. Je älter ein Mitarbeiter ist, desto schwerer tue er sich, sagen Insider.
Wie berichtet, läuft zurzeit landauf, landab die Paketzustellung auf Hochtouren – das Weihnachtsgeschäft und vor allem die rasante Zunahme des Online-Handels lassen grüßen. Experten schätzen, dass im deutschen Handel ein Siebtel des Umsatzes auf die Onliner entfällt – was eine entsprechende Welle an Paketen und Päckchen auslöst.
Zusteller haben derzeit alle Hände voll zu tun
Das hat auch in der Region den Paketdiensten eine Zunahme der Sendungen von 50 Prozent und mehr eingebracht. Die Zusteller haben alle Hände voll zu tun.
Nach Ansicht von Kritikern zu viel. Doch offen über die Zustände reden will scheinbar niemand von den Zustellern – selbst wenn man ihnen absolute Anonymität zusichert, wie unsere Redaktion es in zwei Fällen aus der Region getan hat. Zu groß ist offenbar die Angst der Mitarbeiter, ihren Job zu verlieren. Die beiden Gesprächspartner ließen sich nicht auf Interviews ein, deuteten im Vorgespräch aber Missstände in ihrem Beruf an.
ver.di prangert an
Unverblümt äußert sich indes die Gewerkschaft ver.di. Die Paketzusteller stünden landauf, landab unter einem „immensen Zeit- und Leistungsdruck“, ist sich der für Unterfranken zuständige ver.di-Sekretär Patrick Gerson (Aschaffenburg) sicher. „Es geht darum, möglichst viele Pakete in möglichst kurzer Zeit an den Adressaten zu bringen.“
Nach Gersons Angaben setzen die Deutsche Post (mit dem Tochterunternehmen DHL) und das US-Unternehmen UPS hierzulande eigene Fahrer ein, der Rest der Anbieter arbeitet mit Fremdfirmen oder Subunternehmen. Deren Fahrer „verdienen meist erheblich weniger“.
Wie die Zusteller ihre Fahrer bezahlen
Die Deutsche Post und UPS entlohnen nach ver.di-Darstellung ihre Fahrer auf der Grundlage des bayerischen Entgelttarifvertrags für das Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe, kurz Tarifvertrag für Speditionen. Demnach haben die Paketzusteller Anspruch auf eine 38,5-Stundenwoche und einen Brutto-Monatslohn von 2118 Euro. Er steigt zum Jahreswechsel um 2,7 Prozent.
Die Gewerkschaft fordert unter anderem, dass sich auch die restlichen Zustellunternehmen dem Tarifvertrag anschließen, dass die Lenk- und Schichtzeiten besser kontrolliert werden und dass das „Lohn- und Sozialdumping“ durch Sub- und Sub-Subunternehmen aufhört.
Schon Günter Wallraff zeigte die Missstände
Die Branche steht seit Jahren in der Kritik. So hatte sich schon 2012 der bundesweit bekannte Journalist Günter Wallraff inkognito bei einer Paketzustellfirma anheuern lassen. Seine Schilderungen über 14-Stunden-Arbeitstage, über Dauerlauf mit bis zu 30 Kilo schweren Paketen und über ständigen Zeitdruck sorgten für Schlagzeilen.
Mittlerweile sind einige Firmen offenbar sensibilisiert – zumindest nach außen. So betonte UPS auf Anfrage, dass mit den kooperierenden Unternehmen vertraglich geregelt sei, dass dort die Jobs sozialversicherungspflichtig zu sein haben. Die Zusammenarbeit mit solchen mittelständischen Firmen sei stets langfristig angelegt.
Zustellfirmen sagen: Alles geht mit rechten Dingen zu
Auch Hermes betont, auf Recht und Gesetz bei den Partnerfirmen zu achten. „Wir überprüfen im Rahmen unserer jährlichen Zertifizierung die Einhaltung der Mindestlohnvorgaben“, teilte Hermes-Sprecher Martin Frommhold mit.
Ähnliches war von GLS zu erfahren: Man arbeite „ausschließlich mit Vertragspartnern zusammen, die sich zur Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften verpflichten“. Das bedeute unter anderem, dass die Partnerunternehmen nur Zusteller mit sozialversicherungspflichtigen Verträgen und auf der Basis des Mindestlohns beschäftigen dürften.
Leser-Reaktionen auf unsere Berichterstattung
Unsere jüngste Berichterstattung über einen DHL-Paketzusteller in Würzburg hat indes im Internet für Kommentare gesorgt. So schrieb ein mainpost.de-Leser: „Wer sagt eigentlich, dass es nur an Weihnachten so zugeht? Bei weniger Paketen werden einfach weniger Touren gefahren. Hauptsache, die Zahlen stimmen.“ Auf der Facebook-Seite der Main-Post weist ein Nutzer darauf hin, dass auch die Zusteller auf dem Land Stress hätten, weil sie nicht nur Pakete, sondern auch Briefe und Werbung ausliefern müssten. Ein anderer Nutzer regt sich darüber auf, dass ihm ein Zustelldienst die Pakete ständig verspätet ausliefere. Für solche Fälle hat übrigens die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen das Online-Formular Paket-Ärger.de aufgelegt. Dort gibt es unter anderem eine Beschwerde-Pinnwand.