Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: Künstliche Intelligenz an Universität und TH: Lassen Würzburger Studierende ihre Arbeit jetzt von ChatGPT schreiben?

Würzburg

Künstliche Intelligenz an Universität und TH: Lassen Würzburger Studierende ihre Arbeit jetzt von ChatGPT schreiben?

    • |
    • |
    Eine mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz "Midjourney" erstellte Illustration. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Leistung. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber Schwächen, hier etwa der Stift.
    Eine mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz "Midjourney" erstellte Illustration. Auf den ersten Blick eine beeindruckende Leistung. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber Schwächen, hier etwa der Stift. Foto: Nikola Biscan

    Eines vorweg: Dieser Beitrag ist nicht von einem Textroboter – also Künstlicher Intelligenz (KI) – verfasst, sondern in Hand- und Kopfarbeit vom Redakteur persönlich, ohne Zuhilfenahme von "ChatGPT". Dies festzuhalten, scheint nicht mehr abstrus, seit der sogenannte Chatbot vor zwei Monaten an den Start ging und über das Internet für jedermann frei zugänglich ist. Der Hype ist gewaltig, zu beobachten sind Schock und Euphorie.

    ChatGPT – eine Textmaschine, die immer weiter dazulernt

    ChatGPT, das intelligente Sprachmodell des US-Unternehmens Open AI (Open Artificial Intelligence), dürfte – davon sind Experten überzeugt – ganze Branchen revolutionieren. Auf Knopfdruck und mit persönlichen Vorlieben lassen sich damit Briefe oder Beileidskarten schreiben, Mitteilungen an Vereinsmitglieder oder Finanzamt, Inhalte für Webseiten und Kunden, Kurzgeschichten, journalistische Beiträge oder Zusammenfassungen für die Schule.

    Quasi ein Taschenrechner für Texte – mit dem Unterschied, dass er immer neue, einzigartige Texte ausspuckt. Das System kann übersetzen, programmieren und lernt immer weiter dazu. Man kann sich mit ihm "unterhalten", Fragen stellen und bekommt in der Regel plausible Antworten.

    Ob Texte von Mensch oder Maschine stammen, werde bald nicht mehr zu unterscheiden sein, prophezeit Informatiker Prof. Andreas Hotho von der Universität Würzburg. Eine gewaltige Herausforderung, gerade für die Hochschulen: Was haben Studierende noch selbst fabriziert? Was hat die KI erledigt? Und was heißt das für die Benotung von Hausarbeiten?

    An der Universität Würzburg, so Sprecherin Esther Knemeyer, habe die Hochschulleitung das Thema "auf dem Schirm". Konkrete Leitlinien zum Umgang mit ChatGPT sind allerdings noch nicht in Sicht. Andere Hochschulen, wie etwa die Universität Hamburg, haben bereits Positionspapiere entwickelt. Auch an der Technischen Hochschule (TH) Würzburg-Schweinfurt will man keine Zeit verlieren.

    "'Das wird alles auf links drehen."

    Andreas Fuchs, Professor für Marketing und Digital Business an der THWS

    "Wir brauchen bis zu Beginn des Sommersemesters Mitte März halbwegs Klarheit", drückt Andreas Fuchs aufs Tempo. Der Professor für Marketing und Digital Business an der THWS beschäftigt sich seit vielen Monaten mit der Text-KI und hat seit dem Start von ChatGPT vieles ausprobiert. Fuchs,  spezialisiert auf das die Automatisierung von Geschäftsprozessen auch und besonders mithilfe von Künstlicher Intelligenz, ist überzeugt: "Das wird alles auf links drehen."

    Bedrohung oder Chance? Um die Dimension deutlich zu machen, hat Fuchs 40 Professorinnen und Professoren der TH zusammengeholt: Er ließ die KI im Live-Modus Forschungsfragen zu einem Thema generieren und dann Gliederung und Einleitung für eine Masterarbeit über "Statistik und Wohlstand" schreiben, Literaturverzeichnis inklusive. Ungläubigkeit und Staunen im Saal müssen gewaltig gewesen sein, so gut war das Ergebnis. 

    Umgehend richtete die TH eine Arbeitsgruppe zum Umgang mit ChatGPT unter Fuchs' Leitung ein. In regelmäßigen Sitzungen sollen die Wissenschaftler in den kommenden Wochen definieren, wie die KI im Hochschulbetrieb sinnvoll eingesetzt werden kann und wo ihre Grenzen sind. Und rechtliche Fragen sind zu klären: Was ist noch legal, wo fängt das Plagiat an?

    Von reinen Verboten jedenfalls hält der Marketingprofessor nichts. "Dieser Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, aber wir müssen Leitplanken setzen." Dazu gehörten Vorschriften wie im Straßenverkehr. "Ohne Regelungen ginge es auch dort nicht."

    Seminararbeiten: Nicht nur schreiben, sondern auch mündlich verteidigen?

    Gut möglich, dass Studierende künftig ihre Seminararbeiten nicht nur abgeben, sondern auch noch mündlich verteidigen müssen wie bei Promotionen. "Das wäre eine Möglichkeit der Sicherung", sagt Fuchs, allerdings äußerst personal- und zeitintensiv. Zudem könnte bei der Bewertung mehr auf den methodischen Aufbau und empirische Elemente wie etwa Befragungen geachtet werden.

    Andreas Fuchs ist seit 2019 Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und beschäftigt sich mit den Auswirkungen von KI auf die Wissenschaftslehre.
    Andreas Fuchs ist seit 2019 Professor für Marketing und Digital Business an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt und beschäftigt sich mit den Auswirkungen von KI auf die Wissenschaftslehre. Foto: Thomas Obermeier

    Neu ist die Problematik nicht: Theoretisch konnte man sich auch bisher schon mit fremden Federn schmücken, zum Beispiel einen Ghostwriter für eine Abschlussarbeit bezahlen. Durch ChatGPT und weitere KI-Sprachmodelle werde der Betrug aber viel einfacher, sagt KI-Experte Andreas Hotho von der Uni Würzburg. Von Mensch oder Maschine geschrieben? Gerade haben die Macher von ChatGPT ein eigenes Programm zur Überprüfung auf den Markt gebracht.

    TH-Professor Andreas Fuchs geht davon aus, dass sich nicht nur das Prüfungswesen, sondern die Hochschullehre als solche drastisch verändern wird. Was nicht zum Schlechteren sein müsse. Das reine Faktenwissen durch stures Auswendiglernen verliere weiter an Bedeutung, wichtiger würden Einordnung und Zusammenhänge, sagt Fuchs: "Studierende sollen ja mit eigenständigem Denken die Hochschule verlassen." Künstliche Intelligenz müsse man klug in Forschung und Lehre einbinden.

    Noch deutlicher wird Informatikerin Prof. Ute Schmid von der Universität Bamberg. Es sei "höchste Zeit", in Schule und Hochschule vom stupiden Lernen und Abfragen wegzukommen. Es brauche ein Umdenken und neue Kompetenzen, sagt die Leiterin der Fraunhofer-Projektgruppe "Erklärbare Künstliche Intelligenz". Herleiten und Verstehen statt plumpes Wiederkauen - Schmid sieht die Chance zur überfälligen Veränderung. Die Frage sei: "Was meinen wir mit Bildung in Zeiten von KI?"

    Schwachpunkt und Risiko: Was die Text-KI nicht kann

    Von einer "Revolution" möchte die Bamberger Informatikerin bei ChatGPT indes nicht sprechen, lieber von "Evolution" beim maschinellen Lernen. Ein zentraler Schwachpunkt des Sprachmodells: Es kann Informationen, die es verarbeitet und in neue Texte packt, kaum auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Es kann die Quelle meist nicht genau benennen, ihre Seriosität nicht prüfen und bewerten. Das kann mitunter gefährlich sein, "am Ende auch für die Demokratie", warnt TH-Professor Andreas Fuchs. So bleiben Quellenklarheit und damit Verlässlichkeit weiterhin der Wissenschaft und dem guten Journalismus vorbehalten. Jedenfalls: noch.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden