Im Dachgeschoss der Frauenland-Villa ragen riesenhohe Regalwände, im Flur winkeln sich niedrigere Schränke: das Hardcover-Archiv, 70 Jahre Kinder- und Jugendliteratur. 50 Mitarbeiter des Arena Verlages sorgen indes derzeit für weitere 400 Neuerscheinungen jährlich, entwickeln neue Reihen, handeln mit Lizenzen, halten im Netz persönlichen Kontakt zu Autoren und Bloggern, zu Kindergartenausstattern, führen Schulklassen (monatlich eine jedenfalls) durch die drei Stockwerke. Trotz vieler offener Bürotüren wirkt die Atmosphäre still, konzentriert. Chaotisch sieht allenfalls die Pinnwand mit den Umschlägen russischer, griechischer, amerikanischer Übersetzungen von Arena-Büchern aus.
Übersicht über das Haus, das inzwischen zur Westermann-Gruppe gehört, und seine Bücher verschafft Pressesprecherin Susanne Baumann. Arena hat zwei Lektorate mit je rund acht Mitarbeitern: eins für Ein- bis Achtjährige, zuständig für Kuschelbücher über aufwändige Papp-Bilderbücher bis hin zum "Bücherbär", laut Baumann die "erste Leselern-Reihe mit pädagogisch durchdachtem Konzept". Die wird heuer grade durch die Sach- und Naturkunde-Bände erweitert.

Verlag setzt auf langjährige Partnerschaften mit den Autoren
Das Lektorat für Leser ab acht Jahre betreut die bekanntesten Hits: Seit sieben Jahren erscheint halbjährlich ein neuer Titel aus Alice Pantermüllers "Mein Lotta-Leben" und bringt es weltweit (inklusive USA und Iran!) auf 3,6 Millionen verkaufte Exemplare. Kerstin Giers "Rubinrot"-Serie ist auch schon bei drei Millionen angelangt. Weitere Autoren: Andreas Eschbach, Isabel Abedi, seit 25 Jahren betreut Arena Jürgen Banscherus: "Das ist ganz stark Arena", bezeichnet Susanne Baumann nicht nur den Erfinder der Kwiatkowski-Kinderkrimis, sondern überhaupt die langjährigen Partnerschaften zwischen Schriftstellern und dem Arena-Verlag. Und: Der drittgrößte Kinder- und Jugendbuchverlag des Landes habe mit 80 Prozent den höchsten Anteil an deutschen Autoren. Zudem "steht Arena für den Aufbau neuer Autoren", sagt Baumann. Denen kauft der Verlag nicht nur die Manuskripte ab, sondern entwickelt mit ihnen auch manchmal das Handlungsgerüst einer Serie.

Mediengeschichte in der Umbruchszeit: Jugendbuch-Cheflektorin Dr. Almut Werner nimmt die Streaming- und Download-Herausforderung an, um die Zielgruppe auch am Buch zu halten. Bei einer neuen Reihe "takten wir die Veröffentlichungen extra kurz. Da erscheint alle zwei Monate ein neuer Titel." Aber man stellt sich nicht nur auf die Konsumgewohnheiten der jüngeren Generation ein, sondern auch auf das neue politische Bewusstsein, etwa mit Öko-Romanen wie "Schneetänzer". So heißt Antje Babendererdes kommendes (Ende September) erstes Buch, das mit dem Blauen Engel zertifiziert ist.

Bis zu 20 Titel pro Saison erscheinen ausschließlich digital
Digitale Trends behält Arena im Blick: Werke erscheinen als E-Book, wenn sie nicht zu bildlastig sind, zehn bis 20 Titel pro Saison kommen sogar ausschließlich digital raus. Im Internet gibt es Unterrichtshilfen zu Büchern, die zum "Klassenlektürepreis" gedruckt werden. Im Vertrieb macht der Netz-Versand über einen großen Händler schon einen ähnlichen, mehrere Millionen Euro starken Umsatzanteil aus wie der Verkauf über Buchhandelsketten, sagt Vertriebsleiterin Sigrid Klemt.
"Der Verlag braucht ein Gesicht."
Susanne Baumann, Arena-Verlag
Ihre Kollegin Verena Rehagel pflegt nicht nur die Website des Verlags. Sie schickt Influencern Arena-Bücher zu, macht Lesern exklusive Inhalte zugänglich, etwa wie und wo beliebte Autoren arbeiten, welche Umschläge für einen erwarteten Bestseller gestaltet werden, Leser dürfen auch über Klappentexte abstimmen. Rehagel lanciert Instagram-Gewinnspiele wie "Woodwalker"-Schminkwettbewerbe nach den Fortsetzungsromanen um den kleinen Puma, der lieber Mensch wurde. Die Pflegerin der digitalen Fan-Szene ist stolz auf 15 000 Instragram-Follower, Tendenz steigend: "Das sind Leute, die sich für Inhalte interessieren. Wir haben die Zahl nicht durch Werbekampagnen gepuscht; die ist organisch gewachsen."
Bilderbücher dürfen heute abstrakter gestaltet sein
Je mehr Abteilungsleiterinnen Susanne Baumann vorstellt, desto stärker wird der Eindruck, dass jede gleichberechtigt mit allen anderen im Zentrum einer gemeinsamen Sache sitzt. Das bestätigt sich beim letzten Treffen mit der Programmleiterin für die U8, die "speichelfeste Druckerzeugnisse" produzieren lässt, aber auch beobachtet, dass die Dinge und Tiere in Bilderbüchern heute sehr viel abstrakter gemalt werden dürfen als vor 20 Jahren: "Wir können mehr Phantasie zulassen."
Isa-Maria Röhrig-Roth stellt den gesamten Verlag noch einmal aus ihrer Perspektive dar: "Am Anfang war Erdbeerinchen ein Charakter in der Pappe", also eine Figur in Pappbilderbüchern. Aber: "Das besondere an unserem Programm ist: Wir schauen, welche Charaktere wir haben, und überlegen uns, bei welchen Zielgruppen die sonst noch ankommen könnten." So weitet sich das Angebot aus, wird aber auch bewusst begrenzt, sagt Susanne Baumann: "Wir wollen nicht zu viele verschiedene Autoren und Illustratoren haben. Der Verlag braucht ein Gesicht."
In einer Serie stellt die Redaktion Buchverlage in Würzburg und Umgebung vor.