Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg: "Läden wie meinen braucht die Stadt": Der Würzburger Schrauben Sepp hört auf - und stellt der Stadt eine große Aufgabe

Würzburg

"Läden wie meinen braucht die Stadt": Der Würzburger Schrauben Sepp hört auf - und stellt der Stadt eine große Aufgabe

    • |
    • |
    Der Schrauben Sepp geht in Rente und sucht einen Nachfolger. Josef Vogt sammelt Unterschriften, damit sein Laden nicht verschwindet.
    Der Schrauben Sepp geht in Rente und sucht einen Nachfolger. Josef Vogt sammelt Unterschriften, damit sein Laden nicht verschwindet. Foto: Ulises Ruiz Diaz

    Für manche Probleme gibt es eine einfache Lösung: "Mach' einen Böbbel aus dem Zeug und klebs' an die Ecke. Dann klappt des." Der  66-Jährige nimmt eine Packung Reparatur-Kitt aus dem Regal und gibt sie der Frau, die eine abgeschlagene Ecke an einem Funkgerät reparieren will. "Auf die Idee wäre ich nicht gekommen", sagt sie. "Aber dem Sepp fällt immer was ein." 

    "Der Sepp" heißt eigentlich Josef Vogt, so nennt ihn aber kaum jemand. Für die Würzburger ist er seit 20 Jahren der "Schrauben Sepp": Problemlöser bei Heimwerker-Pannen, Ratgeber, Zuhörer - und Schraubenverkäufer. Sei 2003 betreibt er schon den gleichnamigen Werkzeug- und Schraubenladen in der Bronnbachergasse 43. Spätestens ab September 2025 soll damit Schluss sein: Der Schrauben Sepp will in den Ruhestand. "Ich hab immer gesagt, ich höre auf, so lange es mir noch Spaß macht und ich noch fit bin. Denn auch wenn es mir vielleicht schwer fällt aufzuhören, fällt es mir noch leicht, neue Dinge anzufangen. Das ist der richtige Zeitpunkt." 

    "Auch wenn es mir vielleicht schwer fällt aufzuhören, fällt es mir noch leicht, neue Dinge anzufangen. Das ist der richtige Zeitpunkt."

    Der Schrauben Sepp

    Aber einfach so gehen, die Schächtelchen mit den Tausenden von Schrauben, Dübeln, Muttern und die Regale voller Werkzeuge hinter sich lassen, das kann er dann doch nicht. Der gelernte technische Zeichner hat lange überlegt, wie es weiter gehen kann, wenn er nicht mehr hinter der Ladentheke steht: "Einen Nachfolger für so einen Laden zu bekommen, das kannst du eigentlich schlichtweg vergessen. Aber wer weiß, vielleicht findet sich eine Lösung?"

    Seit einer Woche hat er deshalb eine Unterschriftenliste ausliegen: Wer der Meinung ist, dass ein Laden wie der "Schrauben Sepp" erhalten bleiben sollte, kann unterschreiben. Irgendwann möchte Vogt die gesammelten Unterschriften dann der Stadt übergeben. "Das soll eine Steilvorlage an die Stadt sein: Wenn viele Leute wollen, dass ein kleiner Laden bleibt, dann kann auch eine Lösung gefunden werden."

    Ideen hat Vogt einige: Die Stadt könnte einen sozialen Träger anwerben, der den Schraubenladen mit Menschen betreibt, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Im unteren Stockwerk könnte eine kleine Werkstatt eingerichtet werden, in der junge Leute handwerkliche Fertigkeiten lernen können und gleichzeitig das soziale Miteinander im Geschäft erleben. Arbeiter, die bei der Stadt angestellt sind, aber vielleicht zu alt sind, um noch jeden Tag auf dem Bau zu gehen, könnten sich in ihren letzten Berufsjahren um den Laden kümmern.

    Verdienen würde er selbst nichts daran, wenn der Laden, den er selbst auch nur gemietet hat, weitergeführt werde. Gehen könne er jederzeit, sobald es eine geeignete Lösung gibt. Sich selbst hat er mit September 2025 eine Frist gesetzt: "Wenn es bis dahin keine Lösung gibt, dann ist das so." Es geht ihm nicht um sich, nicht um die Marke "Schrauben Sepp", die zwar nicht eingetragen ist, aber dennoch in Würzburg jeder kennt. "Wegen mir könnte ein Nachfolger auch den Namen behalten", sagt der Schrauben Sepp. Eitelkeiten, das sind nicht sein Ding.

    Doch warum sollte sich eine Kommune dem Erhalt eines Geschnftes annehmen? Ist das nicht Privatsache? "Ich denke, dass eine Stadt alles in ihrer Macht stehende dafür tun sollte, dass solche Geschäfte erhalten bleiben. Läden wie meinen braucht die Stadt. Sie sind viel wichtiger als die anonymen Kaufhausketten und große Baumärkte vor dem Toren der Stadt", sagt Vogt. "Hier geht es nicht um ein paar Schrauben. Hier geht es um jeden einzelnen Menschen, der hier rein kommt. Und da sehe ich auch die Kommunen in der Pflicht."

    "Hier geht es nicht um ein paar Schrauben. Hier geht es um jeden einzelnen Menschen, der hier rein kommt."

    Der Schrauben Sepp

    Eine Begegnung mit einer älteren Dame vor ein paar Jahren habe ihm die Augen geöffnet. "Sie kam hier rein, war ganz verunsichert. Sie konnte nicht recht sagen, was sie braucht und plötzlich hat sie angefangen zu weinen. Ich hab gefragt, ob wir mal reden wollen. Und dann habe ich meine Stühle von draußen reingeholt und wir haben uns hier mitten in den Laden gesetzt. Ich hab' ihr aus meinem Leben erzählt und sie mir aus ihrem. Und irgendwann konnte sie wieder lachen." Was die Dame damals so bedrückt hatte, weiß er heute nicht mehr. Wohl aber, was er sich hinterher dachte: "Wo lebe ich denn? Hat diese Frau denn niemanden, mit dem sie reden kann, dass sie beim Schraubenkaufen in Tränen ausbricht?"

    Josef Vogt verkauft nicht nur Schrauben, sondern plaudert auch gerne mal mit seinen Kunden über Gott und die Welt vor seinem Laden.
    Josef Vogt verkauft nicht nur Schrauben, sondern plaudert auch gerne mal mit seinen Kunden über Gott und die Welt vor seinem Laden. Foto: Ulises Ruiz Diaz

    Vogt ist sich sicher: Die Anonymität, die keine 40 Meter weiter auf der Schönbornstraße mit ihren großen Shoppingketten herrscht, ist ein Problem der heutigen Zeit. "Das tut den Menschen nicht gut, das tut einer Stadt wie Würzburg nicht gut. Dort kommt niemand mehr ins Gespräch, da ist alles nur schnell und hektisch." Mit seinem Laden versuchte er die letzten beiden Jahrzehnte, einen Gegenentwurf zu bieten. "Hier kommen Leute her, einfach weil sie ein bisschen reden können, weil sie hier einen Ratschlag bekommen. Weil es hier eben noch nicht anonym ist und keiner mehr weiß, wer der andere ist." Der Schrauben Sepp blickt von seinem Tresen: "Und das muss doch erhalten bleiben, oder?" 

    Der Schrauben Sepp sammelt Unterschriften, um den Laden zu erhalten.
    Der Schrauben Sepp sammelt Unterschriften, um den Laden zu erhalten. Foto: Ulises Ruiz Diaz
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden