An der Mittelschule in Ochsenfurt arbeiten Heilpädagogin Sabine Serby und Sozialarbeiterin Vera Stier als Übergangsmanagerinnen. Sie stehen den Schülerinnen und Schüler der achten Klasse zur Seite, um ihnen Wege in das Berufsleben aufzuzeigen, ihre Neigungen herauszufinden und mit ihnen Interessen zu entwickeln. Doch die vertiefte Berufsorientierung (vBO), die bisher vom Landkreis Würzburg mit jährlich 345.000 Euro an acht Mittelschulen freiwillig gefördert wird, steht auf der Kippe.
Bei den Haushaltsberatungen, die am Montag im Kreisausschuss beginnen, wird die vertiefte Berufsorientierung an Mittelschulen sicher ein Streitthema. Denn der Landkreis muss sparen und viele freiwillige Leistungen, auch im sozialen Bereich, stehen deswegen auf der Streichliste. Dazu gehört auch die vertiefte Berufsorientierung an den Mittelschulen in Gaukönigshofen, Gerbrunn, Höchberg, Margetshöchheim, Ochsenfurt, Unterpleichfeld, Veitshöchheim und Waldbüttelbrunn.
Landkreis Würzburg sucht nach einer Co-Finanzierung
Als einziger in Bayern hat der Landkreis Würzburg für jährlich etwa 700 Schülerinnen und Schüler noch Übergangsmanager mit 345.000 Euro jährlich gefördert. Alle anderen Städte und Landkreise sind im Jahr 2012, als der Freistaat das bislang erfolgreiche Projekt nach fünf Jahren eingestellt hatte, auf das Programm der Agentur für Arbeit umgestiegen.
Unbestritten bei den meisten Kreisrätinnen und Kreisräten ist die Bedeutung der vertieften Berufsorientierung, die Schülerinnen und Schülern auf das Arbeitsleben vorbereitet. Einzig aus finanziellen Gründen wird eine Fortsetzung des Projekts infrage gestellt. Landrat Thomas Eberth wünscht sich daher, eine Co-Finanzierung, beispielsweise durch die Agentur für Arbeit oder der Handwerkskammer. Entsprechende Gespräche werden geführt, aber: "Der Durchbruch ist noch nicht da", sagt Daniela Fritz, Geschäftsführerin der HWK-Service GmbH, bei der Sabina Serby, Vera Stier und ihr sieben Kolleginnen und Kollegen angestellt sind.
Warum eine Berufsorientierung wichtig ist
Michael Hümmer, Schulleiter der Ochsenfurter Mittelschule, ist besorgt: "Dort zu sparen, wo man finanzielle und soziale Schieflagen präventiv reduzieren kann, halte ich für wenig zielführend. Gerade diese Jugendlichen laufen sonst Gefahr, dem ersten Arbeitsmarkt verloren zu gehen. Und das, obwohl sie dringend als Fachkräfte gebraucht werden."

Das Gros der Schülerinnen und Schüler habe diesen Orientierungsbedarf und das können auch nicht mit Lehrerstunden abgefangen werden, so Hümmer. Waren es früher in jeder Klasse einzelne Schüler mit wenig familiärer Unterstützung und erhöhtem Betreuungsbedarf, habe sich das in den vergangenen 20 Jahren komplett gedreht. Er hält die vBO für "außerordentlich wichtig, gerade für Schülerinnen und Schüler, denen aus unterschiedlichen Gründen in den eigenen Familien nur wenig Hilfen zur Verfügung stehen".
Das Ziel der Berufsorientierung sei es, dass der Berufseinstieg gelingt. "Weniger Fehlstarts, weniger Abbrüche", sagt Vera Stier. Dazu tragen dreiwöchige Praktika, Jobmessen und Firmenbesuche bei, wie auch praktische Workshops mit Firmen.
Woran oft schon ein Praktikumsplatz scheitert
"Die beruflichen Vorstellungen liegen, wenn wir die Schüler kennenlernen, oft sehr weit von der Realität entfernt", sagt Sabine Serby. Ein sehr großes, aber auch sehr geringes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein seien typisch. "Es erfordert ganz viel Geduld und Fingerspitzengefühl, berufliche Vorstellungen realistisch zu machen."
Tatsächlich würde nicht selten schon ein Praktikumsplatz daran scheitern, dass die Jugendlichen gar nicht wissen, wie eine Kurzbewerbung per E-Mail verschickt wird. Telefonieren, fremde Menschen ansprechen, sich mit dem Namen vorstellen – Serby und Stier coachen wenn nötig jeden einzelnen der 180 Jugendlichen an der Mittelschule in Ochsenfurt.
In einem Pilotprojekt begleiten sie ihre Schützlinge seit kurzem sogar noch bis zu ihrer Ausbildung. Falls sich dort Schwierigkeiten ergeben, können sich sowohl die ehemaligen Schüler als auch die Ausbildungsbetriebe an die Übergangsmanagerinnen wenden. Dann werden gemeinsam Lösungswege erarbeitet. Denn mit fachlicher und frühzeitiger Intervention bestehe die Chance, dass Ausbildungen nicht abgebrochen würden.