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Würzburg: Landratsamt: Vorgesetzter soll Mitarbeiter gemobbt haben

Würzburg

Landratsamt: Vorgesetzter soll Mitarbeiter gemobbt haben

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    Im Würzburger Landratsamt sind Mitarbeiter einer Abteilung gegen das Mobbing durch ihren Vorgesetzten vorgegangen. Aber Konsequenzen blieben aus.  
    Im Würzburger Landratsamt sind Mitarbeiter einer Abteilung gegen das Mobbing durch ihren Vorgesetzten vorgegangen. Aber Konsequenzen blieben aus.   Foto: Thomas Obermeier

    Im Landratsamt brodelt es. In einem anonymen Brief an diese Redaktion erhebt jemand schwere Vorwürfe gegen einen Abteilungsleiter der Behörde. "Die Mitarbeiter (weit über die Hälfte) hatten permanent Angst" vor dem Chef und "seinen Gemeinheiten, Launen, Schikanen, falschen Tatsachenbehauptungen", heißt es in dem Schreiben. "Keiner wollte besonders auffallen, denn man könnte ja der/die Nächste sein." 

    Es wird auch gravierende Kritik an der Personalstelle des Landratsamtes laut. "Beschwerden brachten absolut nichts. Sie verklangen wie Schall und Rauch." Und Landrat Eberhard Nuß soll "seine schützende Hand" über den Abteilungsleiter gehalten haben - und dies immer noch tun.

    Beschwerden hatten keine Konsequenzen

    Wie ist der anonyme Brief zu bewerten? Ehemalige Mitarbeiter der Abteilung und Eingeweihte aus dem Landratsamt bestätigen die Vorwürfe, die sich nach bisherigen Recherchen wohl im Zeitraum zwischen 2007 bis 2012 ereigneten. Namentlich wollen die Beschäftigten nicht genannt werden, sie sind aber dieser Redaktion bekannt. "Mehrere Kolleginnen haben sich über seelische Verletzungen durch ihren Chef beschwert. Viele haben Angst gehabt, sich zu äußern und lange damit zurück gehalten", sagt ein Beschäftigter des Landratsamtes, der gut mit den Vorgängen vertraut ist. Und die Frauen hätten immer wieder den Eindruck gewonnen, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden. 

    "Mein Chef konnte von Anfang an machen, was er wollte."

    Eine ehemalige Mitarbeiterin der Abteilung

    Norbert Hart war zwischen 2001 und 2015 Personalratsvorsitzender im Landratsamt. "Mitarbeiterinnen der Abteilung haben sich an mich gewandt. Ich habe die Beschwerden der Kolleginnen an die Personalführung des Landratsamtes weitergegeben", sagt er. Was die Frauen ihm anvertraut haben, will Hart nicht sagen. "Es wurde Vertraulichkeit vereinbart." Ob es daraufhin Konsequenzen für die Führungskraft gab, wisse er nicht.  

    Mitarbeiter ließen sich auf eigenen Wunsch versetzen, andere kündigten

    Eine ehemalige Mitarbeiterin, die jetzt nicht mehr am Landratsamt tätig ist, spricht offen: "Ich wurde von meinem Chef unter Druck gesetzt. Weil ich nicht gehorsam genug war, wurde mir mit Versetzung gedroht. Sachliche Gründe dafür hatte er keine." Dabei sei es stets um Lappalien gegangen. Die Frau hat dann darum gebeten, sich in eine andere Abteilung versetzen zu lassen. "Wir haben alle unsere Konsequenzen gezogen. Zu gehen ist ein großer Kraftakt", sagt sie. "Jetzt sind alle froh, dass sie in Sicherheit sind." 

    "Viele Mitarbeiterinnen wurden permanent unter Druck gesetzt. Er war launisch und herrisch und man konnte nicht wissen, welche Gemütslage er im Moment hat", heißt es im anonymen Schreiben. "Einige Mitarbeiterinnen hielten es nicht mehr aus." Die Rede ist von mehreren Versetzungen auf eigenen Wunsch und Kündigungen. 

    Vor allem ältere Kolleginnen im Fokus

    Eine andere Frau aus der Abteilung, auch sie ist nicht mehr im Landratsamt beschäftigt, leidet noch heute unter den Geschehnissen. "In der Abteilung sind vorwiegend Frauen beschäftigt. Vor allem auf die älteren Kolleginnen hatte er es abgesehen", sagt sie. "Ich habe mich zwar beschwert, aber mein Chef konnte von Anfang an machen, was er wollte." 

    "Dass das in meiner Behörde geschehen ist, ist für mich ein Trauma."

    Eberhard Nuß, Landrat

    Landrat Nuß will von alledem nichts gewusst haben - und verstrickt sich in Widersprüche. Auf Nachfrage der Redaktion schreibt er in einer E-Mail zunächst:  "Weder unserer Personalstelle noch der seinerzeit zuständigen Geschäftsbereichsleitung oder mir als Landrat war bis zum jetzigen Zeitpunkt etwas von Mobbingvorwürfen bekannt." Zwei Tage später räumt er dagegen ein, dass er bereits früher davon Kenntnis hatte: "Ich wusste vor dem 8. März 2018 von alledem nichts."

    Beschäftigte hatten sich im Februar vor einem Jahr erneut an den Personalrat gewandt und sich dieses Mal nicht nur über das Führungsverhalten ihres Vorgesetzten beschwert. Sie äußerten auch den Verdacht, dass ihr Chef öffentliches Geld veruntreut. Der Landrat erfuhr davon am 8. März 2018. Die Büroräume des Beamten wurden Anfang Juli durchsucht. Seitdem ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Der Fachbereichsleiter ist vom Dienst suspendiert. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren. 

    Was wusste der Behördenchef?

    Nuß ist die Recherche dieser Redaktion ein Dorn im Auge, droht einem Reporter sogar Hausverbot im Landratsamt an, sollte er weiterhin Mitarbeiter seines Amtes befragen. Zur Sache selbst will sich der Landrat aber zunächst nicht äußern. Kurz darauf ist er dann doch zu einem Gespräch bereit. Später wird dieses Angebot wieder zurückgenommen. Der Landrat möchte die Fragen schriftlich, noch am gleichen Tag werden sie übermittelt, aber der Behördenchef lässt sie unbeantwortet und verweist auf die laufenden Ermittlungen. 

    Zwei Wochen später, nach einem Austausch mit den betroffenen Mitarbeiterinnen, ändert Nuß wieder seine Meinung. Im Gespräch mit dieser Redaktion widerspricht er mehrmals dem Vorwurf, er habe seine schützende Hand über den Abteilungsleiter gehalten. Die Beschwerden der Mitarbeiterinnen seien nie an ihn herangetragen worden. "Wenn das damals bei mir angekommen wäre, hätte ich mich gekümmert", sagt er. Warum der damalige Personalleiter des Landratsamtes, der jetzt eine andere Führungsposition im Haus inne hat, nicht mit ihm darüber gesprochen hat, könne er nicht sagen. Einmal in der Woche saßen beide zusammen und haben über Personalangelegenheiten geredet, aber nicht über die Mobbing-Beschwerden der Mitarbeiterinnen - weder damals noch heute. 

    Landrat will Vorfälle nicht aufarbeiten

    Die Gespräche mit den Betroffenen haben ihn aufgewühlt, sagt Nuß. "Dass das in meiner Behörde geschehen ist, ist für mich ein Trauma." Aus den Äußerungen der Frauen ziehe er den Schluss, dass sein damaliger Verwaltungschef den Fachbereichsleiter "in den Senkel" gestellt hat. Genau wisse er es aber nicht. Es gibt weder einen Vermerk in der Personalakte des Mitarbeiters, noch möchte er mit dem damaligen Verwaltungsdirektor, der mittlerweile in Ruhestand ist, darüber sprechen.

    "Was vor sechs, sieben oder acht Jahren war, weiß ich nicht", sagt der Landrat. "Seit März 2018 habe ich konsequent gehandelt. Und das ist entscheidend." Bernhard Wallrapp, der seit dem 1. August 2012 die Stabsstelle Personal und Organisation leitet, ergänzt: "Vielleicht waren die Beschwerden nicht so gravierend, um sie an den Landrat weiter zu leiten. Zu meiner Zeit gab es keine Beschwerden."  

    "Was vor sechs, sieben oder acht Jahren war, weiß ich nicht."

    Eberhard Nuß, Landrat

    Kann es sein, dass der Landrat von alldem wirklich nichts wusste? "Beim Mobbing von oben nach unten stellen sich Behördenleiter gerne erst einmal solidarisch hinter Führungskräfte", sagt der Würzburger Arbeitsrechtler Bernd Spengler. "Auch, weil sie anderen Führungskräften nicht das Signal geben wollen, auf Druck von unten einen Vorgesetzten zu opfern." Häufen sich allerdings die Beschwerden, sei es angebracht, zusammen mit dem Personalrat zu prüfen, ob Grenzen überschritten wurden. "Wenn es klar ist, dass es sich zuspitzt, muss der Arbeitgeber einschreiten ", sagt Spengler. "Unterlässt er es, wird er schadenersatzpflichtig." 

    SPD und Grüne fordern Aufklärung 

    Die ganze Tragweite ist in der Kreispolitik noch nicht angekommen. Nur nichtöffentlich wurde in einem Ausschuss über die Neubesetzung der Stelle des Abteilungsleiters diskutiert, weil aus vier Bewerbungen ein CSU-Mann den Vorzug bekam. "Uns wurde die Auswahl vom Personalleiter erklärt. Alles ist korrekt abgelaufen", sagt ein Teilnehmer der Sitzung. Den anonymen Brief selbst haben nur Kreisräte der Grünen und der SPD erhalten. Beide Fraktionen wollen nun eine "vollumfängliche Aufklärung", fordern deren Fraktionschefs Karen Heußner (Bündnis 90/Die Grünen) und Stefan Wolfshörndl (SPD) übereinstimmend. 

    Diese Redaktion bat das Landratsamt darum, Fragen an den Fachbereichsleiter weiterzuleiten, damit dieser sich zu den Vorwürfen äußern kann. Die Behörde hat dies abgelehnt.

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