Das Chronische Fatigue Syndrom ist eine heimtückische Krankheit, die oft junge Menschen aus ihrem Alltag reißt und zu Pflegefällen macht. Etwa 500.000 Menschen in Deutschland leiden an Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS), so die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Die Anzahl der Erkrankten habe sich durch die Corona-Pandemie verdoppelt.
Die Ursache der Erkrankung ist bislang unbekannt. Sie tritt vor allem nach einem Virusinfekt wie einer Grippe, Corona oder dem Pfeifferschen Drüsenfieber auf. Betroffene leiden an ausgeprägter Erschöpfung und einer sehr hohen Belastungsintoleranz. Ihr Körper ist nicht mehr in der Lage, ausreichend Energie bereitzustellen.
Diese Redaktion hat mehrfach über das Thema Chronisches Fatigue Syndrom berichtet. Daraufhin haben sich viele Menschen gemeldet, die selbst an der Krankheit leiden oder Angehörige von Erkrankten sind. Was alle vereint ist, dass sie kaum medizinische Hilfe in der Region finden.
Mittlerweile gibt es für Würzburg und Umgebung eine Selbsthilfegruppe, der aktuell 39 Erkrankte angehören. Wir haben mit drei Betroffenen dieser Krankheit gesprochen.
Sabine H. (53), Landkreis Main-Spessart: "Vom Gesundheitssystem fühle ich mich alleingelassen."

"Früher war ich sportlich aktiv und liebte es, in der Natur zu wandern oder Rad zu fahren, bis meine Krankheit mich ausbremste. Ich bin seit vielen Jahren von ME/CFS betroffen. Doch viele Jahre hatte ich keine richtige Diagnose, wurde falsch diagnostiziert und immer wieder zu mehr Leistung und Bewegung animiert – mit fatalen Folgen für meine Gesundheit. Manchmal habe ich regelrecht in den Schmerz hineintrainiert, was aufgrund der Belastungsintoleranz bei dieser Erkrankung meist zu einer Verschlechterung des Zustands führt.

Angefangen hat die Krankheit bei mir im jungen Erwachsenenalter, wahrscheinlich nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr Virus. Plötzlich strengten mich die kleinsten Dinge des Alltags an. Ich erholte mich nicht mehr, war immer wieder zwei oder drei Wochen schwer krank, musste im Bett bleiben.
Und ich hatte zunehmend diese fiesen Schmerzen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Erkrankungen hinzu. Die Symptome verschlimmerten sich, bis sich die Multisystem-Erkrankung in ihrer ganzen Bandbreite zeigte. Seit 2019 kann ich nicht mehr arbeiten und bin auf Hilfe zur Bewältigung meines Alltags angewiesen.
"Wir Kranken müssen unsere Krankheit ständig aufs Neue beweisen"
Sabine H., ME/CFS-Patientin
Mein Freundeskreis ist im Laufe der Jahre stark geschrumpft. Gemeinsame Unternehmungen waren nicht mehr planbar, ich musste krankheitsbedingt immer wieder Treffen absagen.
Vom Gesundheitssystem fühle ich mich alleingelassen. Wir Kranken müssen um jede Kleinigkeit kämpfen und unsere Krankheit ständig aufs Neue beweisen. Anträge stellen, über den Grad der Schwerbehinderung oder die Übernahme der Fahrtkosten - um all diese Dinge muss ich mich trotz der schweren Krankheit kümmern. So lehnte es meine Krankenkasse beispielsweise mehrfach trotz meiner Mobilitätseinschränkungen ab, die Fahrten zur Schmerzbehandlung als Krankenfahrten zu übernehmen.
Noch dazu finde ich keinen Hausarzt, der bereit ist, sich mit den Besonderheiten meines Krankheitsbilds zu beschäftigen. Mein Traum wäre eine interdisziplinäre ME/CFS-Ambulanz, bei der ich mich nicht immer wieder neu erklären muss. Das würde uns Kranken viel Kraft und Energie sparen. Natürlich träume ich davon, irgendwann wieder Fahrrad zu fahren."
Klara H. (23), Würzburg: "Immer wieder werden wir Kranken in die Psycho-Ecke gedrängt."

"Ich bin 23 Jahre alt, gelernte Krankenschwester und seit mehr als zwei Jahren von Post-Covid betroffen und infolgedessen an ME/CFS erkrankt. Im Dezember 2020 habe ich mich mit dem Coronavirus angesteckt – vermutlich im Krankenhaus bei der Arbeit. Zuerst hatte ich nur Schnupfen und Husten, aber dann wurde es mit jedem Tag schlimmer und ich war fast vier Wochen lang krank. Gesund geworden bin ich bis heute nicht.
Dann ging die Reise los, zu Ärzten und Fachärzten. Die Versorgungslage für Patientinnen und Patienten mit dieser Krankheit hier in der Region ist katastrophal. Wenige Ärzte in Würzburg und Umgebung interessieren sich für diese Erkrankung. Meine Hausärztin ist wenig hilfreich, sie kannte die Krankheit nicht.
Auch in der Uniklinik bin ich immer wieder auf Unverständnis gestoßen. Selbst um neurologische Standarduntersuchungen musste ich kämpfen. Immer wieder werden wir Kranken in die Psycho-Ecke gedrängt. Dabei ist ME/CFS keine psychische Erkrankung.
"Ich habe furchtbare Schmerzen und meine Erkrankung ist fortschreitend."
Klara H., ME/CFS-Patientin
Gegenwärtig bin ich schwer betroffen und kann nur noch selten das Haus verlassen, zum Beispiel für einen Arztbesuch. Mein Freund versorgt mich, meine Eltern wohnen weit entfernt. Ich verbringe die Tage im Bett und bewege mich mittlerweile mit einem Rollstuhl fort. Lesen oder fernsehen geht kaum noch, da mir die kognitive Leistungsfähigkeit fehlt und mich die Reize überfordern. Meistens höre ich Podcasts oder Hörspiele. Ich habe furchtbare Schmerzen und meine Erkrankung ist fortschreitend.

Ein Jahr lang habe ich noch Kranken- und später Arbeitslosengeld bekommen, dann wurde ich in Rente geschickt. Trotz der Schwere meiner Erkrankung habe ich noch keinen Pflegegrad, er wurde schon zweimal abgelehnt.
Für meinen Freund ist die Situation belastend. Ich wünsche mir, dass die Krankheit endlich anerkannt wird. Und ich würde gerne ein bisschen Lebensqualität zurückbekommen, um mehr am Leben teilhaben zu können."
Nadine B. (32), Landkreis Rhön-Grabfeld: "Wie viele Erkrankte habe ich einen Ärzte-Marathon hinter mir."

"Im Jahr 2008 habe ich Pfeiffersches Drüsenfieber bekommen, da war ich 18 Jahre alt - und ich bin nicht mehr gesund geworden. Alles fing mit einer Mandelentzündung an, das grippeähnliche Gefühl habe ich bis heute behalten. Es ging nicht mehr weg. Ich fühlte mich schlapp und hatte keine Kraft mehr.
Meine Ausbildung als Steuerfachangestellte musste ich abbrechen. Bald war klar, dass ich nicht mehr arbeiten kann. Weil ich so jung erkrankt bin und zu kurz eingezahlt habe, bekomme ich keine Rente sondern lebe von Grundsicherung.
"Die Diagnose war keine Erleichterung, denn die Krankheit ist unberechenbar."
Nadine B., ME/CFS-Patientin
Wie viele Erkrankte habe ich einen Ärzte-Marathon hinter mir. Das hat mich sehr viel Kraft gekostet. Erst 2017 erhielt ich die Diagnose ME/CFS. Doch die Diagnose war keine Erleichterung. Die Erkrankung ist unberechenbar. Durch die drei Corona-Impfungen und eine anschließende Corona-Infektion hat sich mein Zustand weiter verschlechtert. Ich habe sehr starke Schmerzen am ganzen Körper und ich leide unter Schlaflosigkeit und Übelkeit.

Im täglichen Leben bin ich auf Unterstützung angewiesen. Zum Glück kann ich noch bei meiner Familie wohnen. Eine eigene Wohnung hatte ich nie. Außerdem habe ich ein Netz an guten Freundinnen und Freunden. Natürlich läuft vieles nur über das Handy. Aber ich versuche so, am Leben meiner Freundinnen teilzuhaben und auch ihre Kinder mit aufwachsen zu sehen.
In den ersten Jahren habe ich vieles probiert - Kräuterkuren, Heilpraktiker, Ernährungsumstellung. Wir Kranken müssen uns alles mühsam aus dem Internet heraussuchen, weil kein Arzt oder keine Ärztin uns hilft. Dabei ist die Krankheit seit 1969 bekannt."