Fasching hat in Franken einen besonderen Stellenwert, nicht zuletzt durch die Sendung "Fastnacht in Franken". Doch hat Fasching noch dieselbe Bedeutung wie früher? Rudi Hepf aus Veitshöchheim, mit 85 Jahren ältester Büttenredner im Landkreis Würzburg und mit Leib und Seele Karnevalist, hat seit seiner Premiere in der Bütt über viele Jahrzehnte hinweg miterlebt, wie sich der Fasching entwickelt hat.
Im Gespräch verrät Hepf, was er aus den früheren Zeiten vermisst, was heute besser ist und über wen er niemals Witze reißen würde.

Frage: Herr Hepf, was für ein Image hat Fasching heute – war er früher beliebter?
Rudi Hepf: Fasching ist nach wie vor beliebt. In Franken gibt es über 335 Faschingsvereine – mit insgesamt 100.000 Mitgliedern, darunter 30.000 Jugendliche, die Tanzsport betreiben.
Gibt es auch in der Bütt Nachwuchs?
Hepf: Ja. In der Deutschen Fastnacht-Akademie in Kitzingen kommen junge Talente aus ganz Deutschland zusammen und werden dort gecoacht. Da ist viel geboten, zum Beispiel Schulungen und Seminare, mit Profis wie Volker Heißmann und Martin Rassau. Die können den jungen Leuten sagen, wie sie ihre Bütt am besten formulieren.
Muss man aus einer faschingsbegeisterten Familie stammen, um schon als Kind oder Jugendlicher in die Bütt zu gehen?
Hepf: Das Interesse dafür kommt meist von der Familie. Bei Ines Procter zum Beispiel, die seit vielen Jahren als "Putzfraa" bei "Fastnacht in Franken" auftritt, war auch ihr Vater ein hervorragender Büttenredner und hat seiner Ines schon als Kind Reden geschrieben. Manche Talente werden aber auch plötzlich entdeckt oder finden ohne Vorbilder in der Familie Gefallen daran.
Was fasziniert die Leute an Fasching?
Hepf: Man kann mal anders sein als normal. Und die Lebenslust im Fasching: Heiterkeit, Fröhlichkeit, Gelassenheit, Alkohol.

Seit wann treten Sie im Fasching in der Bütt auf?
Hepf: Am 24. Januar 1970 bin ich mit meiner ersten Rede aufgetreten, das war "Der Volksläufer". Darin ging es um die Volksläufe, die Turnvereine in den 70er Jahren veranstaltet haben. Da konnten alle mitlaufen, vom Kleinkind bis zum Senior. Ich hab' auch mitgemacht und lustige Geschichten erlebt – daraus hab' ich die Rede gemacht.
Haben Sie auch politische Themen aufgegriffen?
Hepf: Ja, mit den "Spätzeck Nachtigallen", das war eine Gruppe, die ausschließlich aus Mitgliedern des Veitshöchheimer Männergesangvereins bestand. Da haben wir 14 Jahre lang politische Texte gemacht.
Was hat Sie zu Ihren Büttenreden inspiriert?
Hepf: Nach "Der Volksläufer" habe ich was über die Hippie-Zeit geschrieben und bin als Hippie aufgetreten, das war 1971 der Zeitgeist. Ansonsten ging’s auch oft um Geschichten aus dem Leben, zum Beispiel, warum ich erst wieder nachts um drei nach Hause gekommen bin. 1974 hab' ich ein Haus gebaut und dabei auch viel tapeziert – daraus ist eine Büttenrede als Tapezierer entstanden.

Was sind Ihre beliebtesten Reden?
Hepf: Ich hab' zwei wunderschöne Standard-Reden: "Der schönste Mann Veitshöchheims" und "Der Vereinsmeier", die bringe ich immer wieder.
Testen Sie vorher, ob Ihre Gags zünden?
Hepf: Nein. Ich weiß, dass ich rhetorisch stark bin und kaum Hänger habe.
Gibt es Themen, die für Sie tabu sind?
Hepf: Schwiegermütter-Witze – ich hatte eine wunderbare Schwiegermutter. Ich hab' mich außerdem immer bemüht, keine Minderheiten zu verunglimpfen. Meistens habe ich mich in meinen Reden selbst verarscht.

Gibt es Themen, die damals ok waren, die man aber heute in der Bütt nicht mehr aufgreifen würde?
Hepf: Geschichten unter der Gürtellinie oder obszöne Witze gab's früher hin und wieder, das ist vorbei. Wobei der Sitzungspräsident in solchen Fällen auch früher schon Redner abgeläutet hat. Auch heute hat er noch eine Glocke, mit der er die Leute zur Ordnung rufen kann. Oder er bimmelt, wenn's zu laut oder der Applaus zu lang ist, er muss ja sein Programm durchbringen.
Was war bei den Auftritten früher anders als heute?
Hepf: Damals sollte der Narr alles aus der Bütt heraus erzählen – die Profis heute brauchen keine Bütt, bei Fastnacht in Franken zum Beispiel steht keine mehr. Die Leute auf der Bühne bewegen sich, manche brauchen auch Inventar.
Wie unterscheidet sich ansonsten der Fasching heute von dem damals?
Hepf: Heute ist alles professioneller, Organisation und Infrastruktur sind moderner - allein der Unterschied zwischen den Mainfrankensälen heute und der Turnhalle, in der wir damals aufgetreten sind! In der Turnhalle mussten wir erst selbst eine Bühne aufbauen. Da waren 300 Leute in einer Halle, die mit 100 schon zu voll gewesen wäre. Die Leute saßen auf Bierbänken – wenn der obere Teil geschunkelt hat, mussten alle mitschunkeln, so eng war das. Auch die Technik hat sich verbessert: Wenn ich heute auftrete, habe ich nur ein Headphone. Damals hat der Ton zwischendurch gepfiffen oder war ganz weg, mitten in der Rede.
Was war früher besser?
Hepf: Das Publikum war damals dankbarer und nicht so kritisch, es hat mehr mitgemacht. Früher war die Stimmung hervorragend, da musste man den Applaus nicht einfordern, der kam nach jedem Satz auf der Bühne von selbst. Heute muss oft die Kapelle mit einem Tusch nachhelfen.
Welcher Faschingsbrauch sollte unbedingt beibehalten werden?
Hepf: Die Schlappsau-Tradition. Als Mitte des 18. Jahrhunderts der Rokokogarten Veitshöchheim bekannt wurde, lud der damalige Fürstbischof von Seinsheim einmal im Jahr die wichtigsten Leute der Gemeinde zum Feiern ein. Um unerkannt mitfeiern zu können, haben sich die Knechte und Gesellen im Ort als feine Leute verkleidet. Daraus wurden die Veitshöchheimer Schlappsäue, die bei den Leuten schellen und um Essen und Trinken betteln. Das hat sich bis heute gehalten: 2024 waren 150 Schlappsäue in Veitshöchheim unterwegs – mit einem Lampenschirm auf dem Kopf und einem Vorhang als Umhang.

Gibt es heute mehr Frauen in der Bütt als damals?
Hepf: Nein. Wir haben auch damals gute Frauen gehabt; in den 60er und 70er Jahren waren wir im Veitshöchheimer Carnelval Club (VCC) sogar stärker mit Frauen besetzt als mit Männern. Marianne Arntz und Barbara Kinzkofer sind zum Beispiel 40 Jahre lang als die "Ratschweiber" aufgetreten, haben Veitshöchheimer Tratsch als Geschichtli gebracht und waren hervorragend. Aber auch außerhalb des VCC waren die Geschlechter ausgewogen, weil sie auch gut sind, die Frauen.
Sie haben mit 85 Jahren immer noch einen sehr vollen Terminkalender…
Hepf: Ich hab' immer gesagt, wenn ich 80 bin, hör' ich auf mit Fasching. Das hat nicht geklappt und ich sag' jetzt auch nicht mehr, wann ich aufhör'. Heuer hätte ich in meinem Kalender mindestens zehn Auftritte gehabt. Leider falle ich diese Session krankheitsbedingt aus.

Welche Rolle spielt Fasching in Ihrem Leben?
Hepf: Eine große. Weil's was Schönes ist, wenn man auf der Bühne Erfolg hat. Wenn man als Einzelner dort steht und da unten klatschen 500, 600 Leute. Der Erfolg, der Applaus, das ist das Brot der Künstler. Oder wenn Du mit den Großen auftreten kannst. 2019 wurde ich zu "Feucht-fröhlich" nach Feucht bestellt, das ist ein sehr bekannter Faschingsclub mit hervorragenden Büttenrednern. Da waren nur Profis – und dazwischen der Rudi Hepf. Das hat mich stolz gemacht.