Die ganze Welt verändern – welche Sisyphusarbeit, welche unmögliche Aufgabe! Doch im Kleinen lässt sich durchaus das eine oder andere umkrempeln. Man kann bei sich selbst anfangen. Oder sich die eigene Stadt vornehmen. Das tut „Transition Town“ seit knapp zehn Jahren in vielen deutschen Komunen. Auch in Würzburg gibt es die Bewegung. „Ende 2013 haben wir uns gegründet“, erzählt Initiatorin Josephine Ersfeld. Sie und 14 weitere Würzburger zwischen 20 und 65 Jahren gehören „Transition Town“ derzeit an.
Anders zu leben, heißt für Josephine Ersfeld, bewusst einzukaufen. Also Lebensmittel zu wählen, die saisonbedingt zu haben sind. Die aus der Region stammen. Und die so erzeugt wurden, dass die Produzentinnen und Produzenten gut davon leben können. Schon lange beherzigt die 28-jährige Pädagogin beim Einkauf Nachhaltigkeitsprinzipien: „Abgepacktes Fleisch aus dem Discounter, das könnte ich mir heute einfach nicht mehr kaufen.“
Auch Barbara März, mit der Josephine Ersfeld „Transition Town“ vor zwei Jahren gründete, bemüht sich seit langem, ethisch zu konsumieren. Aus diesem Grund nimmt sie auch am Würzburger Projekt „Solidarische Landwirtschaft“ teil. Hierbei solidarisieren sich aktuell 25 Anteilnehmer mit Biolandwirt Dieter Kraus-Egbers aus Oberaltertheim im Landkreis Würzburg. „Wir zahlen einen festen Preis von 60 Euro im Monat. Dafür bekommen wir jede Woche Biogemüse“, sagt März.
Solidarisch mit dem Biobauern
Das erinnert an die seit langem etablierte Abo-Kiste, geht über dieses Konzept jedoch weit hinaus. Sollte es dem Biobauern zum Beispiel einmal die Ernte verhageln, wird der solidarische Monatsbeitrag dennoch gezahlt, erläutert März: „Wir übernehmen also ein Stück weit das Risiko des Landwirts mit.“ Auch kommt das Gemüse nicht als vorsortierter Mix daheim in einer Kiste an. Alles wird an eine zentrale Stelle gebracht: „Wo sich jeder von uns seinen Anteil selbst abwiegt.“ Niemand kontrolliert, ob 500 oder 600 Gramm Tomaten mitgenommen werden. Denn Vertrauen ist ein wichtiges Moment der solidarischen Landwirtschaft.
Noch ist „SoLaWi“ ein Projekt der Evangelischen Studierendengemeinde (esg), die es auch ins Leben gerufen hat. Räume der esg dienen derzeit auch noch als Depot für das ökologisch erzeugte Gemüse aus Oberaltertheim. Doch bald soll das Projekt zu „Transition Town“ kommen, kündigt Dominik Höfling an, der sich innerhalb der Initiative für die Gründung einer solidarischen Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaft (VEG) engagiert: „Sowie wir geeignete Räume gefunden haben, werden wir das Projekt übernehmen.“ Auch sei an eine Ausweitung gedacht. So soll es künftig unter anderem Nudeln und Reis über die VEG geben.
Lesekreis für Wachstumskritiker
Wie viele andere Mitglieder von „Transition Town“ Würzburg wuchs auch Dominik Höfling mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit auf: „Ich bin diesbezüglich familiär geprägt.“ Das ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen wüssteen nicht, warum es dringend notwendig wäre, das Ruder herumzureißen und als Gesellschaft anders zu leben, sagten die Mitglieder von Transition Town. Manche Bürger mögen zwar schon davon gehört haben, dass Rohstoffe knapp werden und insbesondere Öl zur Neige geht. Doch sie wissen nicht, was sie selbst tun, wie sie konkret anders leben können.
Hier setzt das Bildungsprojekt von Michael Demus an. Im Laden „Malort“ des Politikwissenschaftlers, der sich bereits in Hannover für „Transition Town“ engagierte, trifft sich alle zwei Wochen dienstags ein „Postwachstumslesekreis“. Der richtet sich an Beleckte und Unbeleckte, was die komplexe Thematik der „Wachstumskritik“ betrifft. Gemeinsam werden Bücher von Menschen gelesen, die aufzeigen, warum die Wirtschaft unmöglich weiter wachsen darf. Gemeinsam wird über die Thesen der Autoren diskutiert. Gemeinsam werden Projekte überlegt, die eine nachhaltige Lebensweise ermöglichen.
Kleidertausch und Reparaturen
Nachhaltig zu leben, heißt auch, nicht gleich etwas wegzuschmeißen, weil es ein paar Gebrauchsspuren oder einen kleinen Defekt hat oder nicht mehr ganz modern ist. Kleidung wird oft in den Müll gestopft, obwohl sie noch völlig in Ordnung ist – nur weil sie einem nicht mehr gefällt. Beim Kleidertauschmarkt von „Transition Town“ am vergangenen Sonntag in der Kellerperle konnte man Ungeliebtes Altes gegen schickes Neues eintauschen.
Im Sonntag, 8. November, findet übrigens zum dritten Mal ein Repair-Café statt. Hierbei arbeitet „Transition Town“ mit der Initiative FabLab zusammen. In den FabLab-Räumen in der Veitshöchheimer Straße 14 können an diesem Tag von 14 bis 18 Uhr kaputte Gegenstände und Apparate zusammen mit kundigen Helfern und Anleitern repariert werden. 120 Reparaturen wurden beim letzten Mal im Frühjahr vorgenommen. Die meisten reparierten Sachen, sagen die Initiatoren, funktionieren heute immer noch.
„Transition Town“ freut sich über weitere Mitstreiter. Insbesondere werden weitere Anleiter für das Repair-Café am 8. November gesucht. Kontakt über die Homepage: transition-wuerzburg.de