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Würzburg/Schweinfurt: Long Covid, Chronisches Fatigue Syndrom, immer noch krank: 4 Frauen aus Unterfranken schildern, wie es ihnen geht

Würzburg/Schweinfurt

Long Covid, Chronisches Fatigue Syndrom, immer noch krank: 4 Frauen aus Unterfranken schildern, wie es ihnen geht

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    Nelly Schlimbach ist seit 2020 an ME/CFS erkrankt. Die Krankheit ist unberechenbar. Sie ist bislang nicht heilbar und macht Menschen zu Pflegefällen. 
    Nelly Schlimbach ist seit 2020 an ME/CFS erkrankt. Die Krankheit ist unberechenbar. Sie ist bislang nicht heilbar und macht Menschen zu Pflegefällen.  Foto: Thomas Obermeier

    Der Beginn der Corona-Pandemie liegt nun fünf Jahre zurück. Auf den ersten Blick scheint alles wie früher. Doch Covid hat Spuren hinterlassen, Leben verändert - und Hunderttausende Menschen dauerhaft krank gemacht. Das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) hat besonders junge Menschen aus ihrem Alltag gerissen und zu Pflegefällen gemacht.

    Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sind in Deutschland etwa 500.000 Erwachsene und 50.000 Kinder von der Krankheit betroffen. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Erkrankten demnach verdoppelt. Die Ursache der Erkrankung ist bislang unbekannt. Das Chronische Fatigue Syndrom tritt vor allem nach Virusinfektionen auf. Betroffene leiden an ausgeprägter Erschöpfung und hoher Belastungsintoleranz. Bis heute lässt sich die Krankheit nicht eindeutig diagnostizieren.

    Viele Betroffene erhalten keine Therapie, vielen fehlt die Anerkennung als Schwerkranke. Hier berichten vier Patientinnen über ihre Krankheit. 

    1. Nelly Schlimbach (46): "Es ist hart, dem Leben nur zuzuschauen"

    Nelly Schlimbach aus Oberpleichfeld (Lkr. Würzburg) erkrankte 2020, gleich zu Beginn der Corona-Pandemie. Sie verbringt die Tage hauptsächlich im Liegen auf der Couch. 
    Nelly Schlimbach aus Oberpleichfeld (Lkr. Würzburg) erkrankte 2020, gleich zu Beginn der Corona-Pandemie. Sie verbringt die Tage hauptsächlich im Liegen auf der Couch.  Foto: Thomas Obermeier

    "Mein Zustand verbessert sich nicht. Ich liege 95 Prozent des Tages. Sitzen, stehen und gehen kann ich nur wenige Minuten. Sprechen, hören und fernsehen sind nur wenige Stunden pro Tag möglich. Mein Mann kocht und kauft ein. Freunde, Nachbarn und Familie helfen aus. Mein Alltag funktioniert nur durch gnadenlose Disziplin. Ich liege still und schaue stundenlang auf die weiße Wand.

    Es ist hart, dem Leben nur zuzuschauen. Kein Spaziergang, kein Restaurantbesuch, keine Geburtstagsfeier, kein Kuchenbacken, geschweige denn Arbeit oder Reisen. Wie sehr ich das alles vermisse!

    Am 28. Februar 2020 ging ich mit Halsschmerzen früher nach Hause. In der folgenden Woche besuchte ich mit einem leichten Infekt meine Hausärztin. Auf Covid wurde ich nicht getestet. Ich hoffte, nach einer Woche wieder gesund zu sein. Doch auch nach vier Wochen ging es mir nicht besser. Erschöpfung, Schwindel, Atemnot und Konzentrationsprobleme kamen hinzu. Die Hausärztin überwies mich zu zahlreichen Ärzten. Alle Blutwerte und EKG unauffällig. Niemand fand etwas. Online recherchierte ich meine Symptome. Das Ergebnis: ME/CFS. Alles passte. Unerforscht und unheilbar. 

    Ich versuchte, von zu Hause zu arbeiten, stundenweise, mit Liegepausen. Es dauerte zwei Jahre, bis mir ein Neurologe ME/CFS diagnostizierte. Meine Hausärztin unterstützt mich seitdem bei Heilversuchen mit Off-Label-Medikamenten, die ich selbst zahle.

    Ich bin froh über die befristete Erwerbsminderungsrente und Pflegegrad 1. Dankbar für die Unterstützung meines Umfelds. Kolleginnen und Kollegen organisierten ein Crowdfunding für eine Help-Apherese, eine Blutwäsche. Sie half nicht, aber mit dem Geld kann ich weitere Heilversuche finanzieren. Ich hoffe, dass irgendwann etwas hilft."

    2. Klara Hemmann (25): "Ich mache mir Sorgen um die finanziellen Mittel"

    Klara Hemmann aus Würzburg erkrankte 2020 an Corona. Heute ist die 25-Jährige ein Pflegefall und kann nicht mehr arbeiten.  
    Klara Hemmann aus Würzburg erkrankte 2020 an Corona. Heute ist die 25-Jährige ein Pflegefall und kann nicht mehr arbeiten.   Foto: Patty Varasano

    "Im Dezember 2020 infizierte ich mich vermutlich bei der Arbeit im Krankenhaus mit dem Coronavirus. Anfangs hatte ich nur Schnupfen und Husten, doch die Symptome verschlimmerten sich täglich. Fast vier Wochen war ich krank und bin bis heute nicht vollständig genesen. So begann meine Odyssee zu verschiedenen Ärzten.

    Meine Hausärztin stellte schnell fest, dass ich unter "Long-Covid" leide. Doch zu jener Zeit war dieser Begriff selbst für viele Ärzte noch fremd. Eine Reha, die ich im August 2021 begann, brachte mir mehr Schaden als Nutzen, sodass ich begann, mich in Selbsthilfegruppen zu informieren. Dort stieß ich auf das Krankheitsbild ME/CFS. Im April 2022 erhielt ich die Diagnose ME/CFS.

    Einzig die Immunadsorption half mir bisher, doch sie ist sehr teuer. Das ist ein Therapieverfahren, bei dem Autoantikörper bei einer Blutwäsche aus dem Blut entfernt werden. Deshalb organisierte ich eine Spendenaktion. Dank der großzügigen Unterstützung aus meinem Umfeld sammelte ich 12.000 Euro für die Behandlung. Ich danke allen Unterstützern! Seit der Behandlung im Dezember spüre ich eine deutliche Besserung und hoffe inständig, dass sie diesmal von Dauer ist.

    Meine Hausärztin betreut mich und hat heute einige Kenntnisse über meine Erkrankung erworben. In Würzburg und Umgebung gibt es jedoch keinen wirklichen Experten für diese Krankheit. Durch die Immunadsorptionen habe ich ein Stück Lebensqualität zurückgewonnen. Die hohen Kosten dieser Behandlung sind für viele Betroffene unerschwinglich, da die Krankenkassen die Kostenübernahme weiterhin verweigern. Auch ich mache mir Sorgen um die finanziellen Mittel für zukünftige Behandlungen."

    3. Sandra Umbenhauer (38): "Die Müdigkeit ist mein ständiger Begleiter"

    Sandra Umbenhauer aus Würzburg erhielt nach der zweiten Corona-Impfung die Diagnose Chronisches Fatigue Syndrom.
    Sandra Umbenhauer aus Würzburg erhielt nach der zweiten Corona-Impfung die Diagnose Chronisches Fatigue Syndrom. Foto: Patty Varasano

    "Noch immer spüre ich die Erschöpfung, die mich schneller einholt als früher. Die Müdigkeit ist mein ständiger Begleiter. Dennoch geht es mir heute besser. Im Januar 2021 hatte ich mich gegen Corona impfen lassen. Zwei Wochen später traten erste Symptome auf: Schwindel, Müdigkeit, Erschöpfung. Ich suchte viele Ärzte auf – Hausarzt, Neurologe, Schwindelambulanz, Orthopäde, HNO-Arzt. Doch niemand konnte oder wollte helfen. Mein Hinweis auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung wurde ignoriert.

    Erst im Januar 2022 sprach man in der Post-Covid-Ambulanz in Nürnberg, die sich auch mit Impfschäden befasst, die Diagnose Chronisches Fatigue Syndrom aus. Sie rieten mir zu viel Ruhe und empfahlen auch Nahrungsergänzungsmittel. Aktuell geht es mir so gut, dass ich nicht mehr in Behandlung bin. Ich kann wieder mehr unternehmen: essen gehen, Kino, Urlaub, Freunde treffen. Doch bei Überlastung muss ich Treffen abbrechen oder verschieben, manchmal sehr kurzfristig.

    Geholfen haben mir Nahrungsergänzungsmittel und Infusionen mit Vitamin C und Alpha Liponsäure. Manche Probleme bestehen weiterhin. Bei einem kleinen Infekt kehren alle Symptome zurück: Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Müdigkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen. Die Erholung dauert doppelt oder dreimal so lange."

    4. Heike Seufert (62): "Mein Körper lädt nicht mehr auf, egal wie viel ich ruhe"

    Heike Seufert aus Schweinfurt erkranke bereits vor Corona an ME/CFS. Sie engagiert sich in der Selbsthilfegruppe für Betroffene in Unterfranken.
    Heike Seufert aus Schweinfurt erkranke bereits vor Corona an ME/CFS. Sie engagiert sich in der Selbsthilfegruppe für Betroffene in Unterfranken. Foto: Johannes Kiefer

    "Seit zehn Jahren bin ich krank. Nach einer Virusgrippe 2014 wurde ich nicht mehr gesund. Im August 2015 brach ich zusammen. Es folgte eine jahrelange Odyssee bei Ärzten. Nach drei Jahren erhielt ich die Diagnose ME/CFS. Die Symptome, die ich erlebe, sind allgemeines Krankheitsgefühl, Erschöpfung, die oft zeitverzögert auftritt und alle Symptome verschlechtert, selbst bei geringster Belastung. Dazu gehört auch kein erholsamer Schlaf. Mein Körper lädt nicht mehr auf, egal wie viel ich ruhe.

    Wenn ich Termine habe, muss ich den Tag zuvor und danach ruhen, um sie wahrnehmen zu können. Soziale Kontakte und kulturelle Veranstaltungen sind kaum möglich, da jede Aktivität Konsequenzen hat. Wenn ich das Pacing nicht einhalte, also die Belastungsgrenzen nicht beachte, folgt ein schlechter Tag mit völliger Erschöpfung, an dem ich nichts tun kann. Im schlimmsten Fall kommt es zum totalen Energie-Crash. Die Symptome schwanken und sind nicht berechenbar.

    Seit März 2020 engagiere ich mich in der Selbsthilfegruppe. Wir sind 78 Betroffene aus ganz Unterfranken. Wir versuchen, Fortschritte zu machen, auch wenn es langsam geht. Ich hoffe, dass bald mehr Forschung betrieben wird. Oft sind es Initiativen, die den Unterschied machen. Gerade machen wir mit bei einer Plakataktion zur Aufklärung über ME/CFS. In vielen Städten in Deutschland, auch in Würzburg, werden Plakate aufgehängt, um das Bewusstsein für die Krankheit zu erhöhen."

    Infos und Kontakt: Wer Teil der ME/CFS Selbsthilfegruppe Raum Würzburg und Schweinfurt werden möchte, kann sich bei Heike Seufert melden: mecfs.wue@gmail.com

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