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OCHSENFURT: Luthers Geist unter Putz

OCHSENFURT

Luthers Geist unter Putz

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    Zwei Jahre hat es gedauert, um dem Gebäude der Ratsapotheke am Ochsenfurter Marktplatz seinen historischen Glanz zurückzugeben. Im Bild von links Architekt Friedrich Staib, Bauherrin Beatrice Guttenberger und Staibs Mitarbeiter Daniel von Finck.
    Zwei Jahre hat es gedauert, um dem Gebäude der Ratsapotheke am Ochsenfurter Marktplatz seinen historischen Glanz zurückzugeben. Im Bild von links Architekt Friedrich Staib, Bauherrin Beatrice Guttenberger und Staibs Mitarbeiter Daniel von Finck. Foto: Foto: Gerhard Meißner

    „Auf Menschen Zusag gar nicht bau, allein auf Gott hoff und vertrau.“ – Aus dem Sinnspruch spricht der Geist Martin Luthers, der den Machtinteressen des Klerus widerspricht und den Menschen in direkte Beziehung zu Gott stellt. Es muss ein mutiger Bürger gewesen sein, der die Zeilen Ende des 16. Jahrhunderts, just zur Zeit des strengen Gegenreformators Julius Echter, im erzkatholischen Ochsenfurt an sein Haus schreiben ließ. Und das an prominenter Stelle mit direktem Blick zum Rathaus. Ihre Wiederentdeckung zählt zu den vielen glücklichen Wendungen bei der Restaurierung eines der ältesten Häuser der Stadt. Ein Kuriosum, wie es Architekt Friedrich Staib noch nie gesehen hat.

    Am Anfang war ein Badezimmer

    Die Geschichte begann damit, dass Apothekerin Beatrice Guttenberger in ihrem Elternhaus, der Ratsapotheke am Marktplatz, ein Badezimmer renovieren wollte. Als die Handwerker mit der Arbeit beginnen wollten, wurde schnell klar, dass mit dem Haus etwas nicht stimmt. Vor langer Zeit schon war ein tragender Balken aus dem Fachwerk entfernt und der Mangel hinter Heraklitplatten und Putz versteckt worden.

    Der Architekt, der sich den Fall anschaute, schlug die Hände über den Kopf zusammen, erinnert sich Beatrice Guttenberger. „Man hat der Fassade bereits angesehen, dass statisch etwas nicht in Ordnung ist“, erzählt sie. Doch statt seinem Vorschlag zu folgen und das Rückgebäude mit Betonsäulen zu stabilisieren, wandte sich Beatrice Guttenberger an Restaurator Wolfgang Baude. Der riet ihr, mit Friedrich Staib einen in Denkmalsachen erfahrenen Architekten hinzuzuziehen. Damit nahmen die Dinge ihren Lauf.

    Ein bauliches Juwel kam zum Vorschein

    Die Stabilität ließ sich mit einem unscheinbaren Stahlträger wiederherstellen. Doch je mehr von den alten Putzschichten und im Lauf der Zeit angebrachten Gips- und Leichtbauplatten entfernt wurden, desto mehr kam von dem übrigen, baulichen Juwel zum Vorschein. Schnell wurde klar, dass es sich bei dem Haus eigentlich um drei Gebäude handelt.

    Der Vorderbau zum Marktplatz hin stammt aus der Zeit um 1450, sagt Friedrich Staib – reinrassige Gotik, wie an den vorspringenden Obergeschossen zu erkennen ist. Die beiden hinteren Gebäude wurden in der Renaissance gegen Mitte des 16. Jahrhunderts angefügt. 100 Jahre später passte man das gesamte Gebäude dem Zeitgeschmack des Barock an. Die kleinen Fachwerkluken wurden zu großen Fenstern mit schmuckvollen Gesimsen erweitert. Das Fachwerk, das damals als Attribut ärmlicher Behausungen galt, verschwand hinter Putz. Dabei muss es von Anbeginn das Haus eines wohlhabenden Bürgers gewesen sein, sagt Friedrich Staib. Die üppige Dimension der Balken lässt darauf schließen, ebenso wie der Standort am besten Platz der Stadt.

    Die Jahrhunderte unbeschadet überdauert

    Zu den größten Überraschungen gehörten die Bemalungen, die die Jahrhunderte unter einen schützenden Putzschicht nahezu unbeschadet überdauert hatten. Neben dem eingangs zitierten Vers kamen unter dem Vorsprung des zweiten Obergeschosses weitere Sinnsprüche zum Vorschein, die Architekt Friedrich Staib dem bekannten Literaten Friedrich Petri und Hans Wilhelm Kirchhof aus der Zeit um 1600 zuordnen konnte.

    Auch in seinem Inneren gab das Haus manches Geheimnis preis. So weist die Holzvertäfelung der guten Stube noch immer die rund 500 Jahre alte Bemalung auf. Neben einem Fenster, das lange Zeit zugemauert war, entdeckten die Handwerker ein schmales, ins Fachwerk eingelassenes Schränkchen. Und an den Zapfenlöchern eines zentralen Balkens wurde offenkundig, wie oft in den zurückliegenden Jahrhunderten schon Wände erneuert und versetzt wurden.

    Jede Stilepoche hat ihre Spuren hinterlassen

    Dass nahezu jede Stilepoche ihre Spuren hinterlassen hat, macht für Friedrich Staib den besonderen Wert des Gebäudes aus – ein offenes Buch der Baugeschichte. Das reicht von den barocken Stuckdecken über Türfassungen aus der Gründerzeit bis zur Aufschrift „Milch, Butter, Käse, Eier“ in den klaren Bauhaus-Lettern des frühen 20. Jahrhunderts, die unter dem Fassadenanstrich verborgen lag. Sie erinnert an das kleine Lebensmittelgeschäft, das die Oma von Beatrice Guttenberger noch betrieben hatte.

    Dieses Nebeneinander verschiedener Stilmerkmale sollte bei der Sanierung erhalten und sogar hervorgehoben werden. Denkmalkonforme Materialen wie Schilfmatten als Putzträger und Putze aus Lehm und Stroh bieten die Gewähr, dass das Haus auch die kommenden Jahrhunderte noch überdauern kann.

    Um Beatrice Guttenbergers ursprüngliche Pläne, Mietwohnungen in dem Haus einzurichten, war es damit natürlich geschehen. Nie und nimmer hätten sich die Sanierungskosten über Mieteinnahmen refinanzieren lassen, sagt sie. Stattdessen ist neben ihrer eigenen Wohnung ein kleiner Seminarraum entstanden und eine kleine Wohnung für den Bereitschaftsdienst ihrer Apotheker.

    Eine Herzblut-Geschichte

    Über Geld will Beatrice Guttenberger nicht reden. Nur so viel: Die Zuschüsse machen einen winzigen Bruchteil der Sanierungskosten aus. Leicht hätten sich erheblich mehr Fördermittel gewinnen lassen, sagt ihr Architekt. Dazu hätte das Gebäude aber noch umfassender restauriert und die Apotheke für viele Monate geschlossen werden müssen.

    So ist Beatrice Guttenberger froh, dass ihr die Kunden während der zweijährigen Bauzeit treu geblieben sind, auch wenn der Eingang zur Apotheke lange Zeit hinter Bauplanen versteckt lag. Ihre Mitarbeiterinnen hätten Schmutz und Baulärm tapfer ertragen und freuen sich nun über einen ganz besonderen Arbeitsplatz.

    „Ein bisschen Wahnsinn gehört schon dazu, so etwas zu machen“, sinniert die Apothekerin, nachdem die Sanierung endlich abgeschlossen ist. „Es ist für mich eine Herzblut-Geschichte“, sagt sie „rein wirtschaftlich betrachtet, ist es Selbstmord.“

    „Ein bisschen Wahnsinn gehört schon dazu, so etwas zu machen.“

    Beatrice Guttenberger, Apothekerin und Denkmalbesitzerin

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