K.-o.-Tropfen sind ein Thema, über das gesprochen werden muss - nicht erst seit den Veröffentlichungen um Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Bei Konzerten sollen Frauen unter anderem mithilfe von K.-o.-Tropfen betäubt und somit gegenüber sexuellen Übergriffen wehrlos gemacht worden sein. Doch es betrifft mehr Menschen, als man glaubt.
Während sich die offiziell bei der Polizei Unterfranken angezeigten Fälle im niedrigen zweistelligen Bereich befinden, liegt die Dunkelziffer viel höher. Das weiß auch Janika Schmidt, Sozialpädagogin beim Würzburger Verein Wildwasser, der sich gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen einsetzt. "Wir haben viele Frauen in der Beratung, die von K.-o.-Tropfen berichten", erklärt sie. Zwei Betroffene erzählen ihre Geschichte.
Mona (27) wurden mutmaßlich 2018 in einem Würzburger Club K.-o.-Tropfen verabreicht
"Ich war an einem Abend im Jahr 2018 mit Freunden unterwegs. Wir waren damals oft zusammen feiern. Zum Vorglühen habe ich lediglich einen Gin Tonic bei einem Kumpel Zuhause getrunken, danach sind wir in einen Club in der Würzburger Innenstadt gegangen. Meine Freunde standen an der Garderobe an, in der Zeit habe ich mir einen zweiten Gin Tonic an der Bar geholt und habe anschließend in der Nähe der Garderobe auf sie gewartet.

Meinen Drink stellte ich direkt neben mir auf eine Ablage. Dann kam ein Typ zu mir und hat mich angesprochen. Ich kannte ihn nicht und habe ihm relativ schnell signalisiert, dass ich kein Interesse habe. Als er nicht aufhörte, drehte ich mich zu meinen Kumpels um, habe auf sie gezeigt und dem Mann gesagt, dass ich mit ihnen da bin und er mich in Ruhe lassen soll. Dann ist er gegangen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich einen Filmriss.
"Heute frage ich mich natürlich, was passiert wäre, wenn meine Kumpels nicht dagewesen wären, bei dem Gedanken wird mir richtig schlecht."
Mona, mutmaßliches Opfer von K.-o.-Tropfen
Meine Freundin hat mir im Nachhinein erzählt, dass ich bevor ich in den Club gegangen bin, nicht betrunken war und dann direkt nach diesem Getränk völlig abwesend gewirkt habe, als hätte ich wahnsinnig viel getrunken. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Bett meines Kumpels aufgewacht bin - mit Klamotten und meinen Schuhen an. Er hatte auf dem Sofa übernachtet und mir dann erzählt, dass meine Kumpels mich zu ihm heim gebracht haben, sie haben mich gestützt, da ich so getorkelt bin und orientierungslos war. Sie wollten mich nicht nach Hause zu mir bringen, weil ich zu dem Zeitpunkt noch zu Hause bei meinen Eltern gewohnt habe und sie nicht wollten, dass es mir dann unangenehm ist.
Ich wollte dann einfach nur schnell in mein eigenes Bett und bin mit dem Taxi gefahren. Mir war kotzübel und ich habe mich mehrmals übergeben. Auch mehrere Tage danach war mir noch schlecht und schwummrig. Heute frage ich mich natürlich, was passiert wäre, wenn meine Kumpels nicht dagewesen wären, bei dem Gedanken wird mir richtig schlecht. Man fühlt sich so machtlos. Seitdem habe ich keinen Fuß mehr in diesen Club gesetzt. Durch den Vorfall bin ich vorsichtiger geworden, obwohl ich schon immer vorsichtig gewesen bin - aber jetzt weiß ich, wie schnell so etwas gehen kann."
Matthias Skolaski (29) wurden mutmaßlich im Sommer 2015 in einer Bar Tropfen verabreicht
"Es war ein Abend irgendwann im Sommer 2015. Ich war beim Training und bin anschließend mit Freundinnen und Freunden in eine Bar in Bamberg gegangen. Dort habe ich lediglich zwei Bier getrunken. Man muss aber dazu sagen, dass die Bar sehr voll war, wir standen am Tresen und ich habe nicht auf mein Getränk geachtet. Alle Erinnerungen von danach sind weg.

Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann am nächsten Morgen zu Hause aufgewacht bin und direkt in unserer WhatsApp-Gruppe gefragt habe, was los war. Mir wurde dann erzählt, dass wir nach den zwei Bier noch in eine andere Bar gegangen sind und ich auf einmal komplett zusammengebrochen bin. Ich bin umgefallen, konnte nicht mehr laufen und nicht mehr reden - als hätte ich 20 Shots auf einmal getrunken. Meine Freunde haben mich dann in ein Taxi gesetzt, aber der Taxifahrer wollte mich erst nicht mitnehmen, weil ich so fertig war. Meine Freunde sagen, dass sie mich noch nie so gesehen haben, sie haben mich dann nach Hause begleitet.
Zwei Tage lang ging es mir so elend. Ich war nur im Bett gelegen, konnte mir nicht erklären, was passiert ist. Erst am dritten Tag habe ich meine Gedanken fassen können und mir sind K.-o.-Tropfen in den Kopf geschossen. Ich habe keinerlei Verdacht, wer das gemacht haben könnte. Aber da zwei Freundinnen von mir auch Bier getrunken haben, kann es natürlich sein, dass die Drogen einer der beiden gelten sollten. Nach dem Vorfall war ich etwa zwei Monate komplett nüchtern, ich hatte einfach eine schlechte Assoziation mit Alkohol, obwohl der damit ja nichts zu tun hatte. Seitdem achte ich verstärkt auf die Getränke meiner Freunde und habe da ein Auge drauf."
Anlaufstellen für HilfesuchendeDas Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen bietet deutschlandweit unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 116 016 erste Hilfe an. Es ist ein Unterstützungsangebot für Frauen, die von jeder Form von Gewalt betroffen sind, und steht rund um die Uhr zur Verfügung.Auch die Fachberatungsstelle Wildwasser steht Frauen, denen K.-o.-Tropfen verabreicht wurden, beiseite: Theresienstraße 6-8, 97070 Würzburg; Tel.: (0931) 13287; E-Mail: info@wildwasserwuerzburg.de.Opfer-Telefon des Weißen Rings (steht Frauen und Männern zur Verfügung): 116 006. Bundesweit, kostenfrei, anonym. Sieben Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr.Quelle: ssc