Eine Entscheidung ist am Montag noch nicht gefallen. Allerdings machte die Verhandlung vor dem Landgericht Würzburg deutlich, wie schwer es ist, sich zu wehren, wenn via Facebook Verleumdungen verbreitet werden. Ob Anas Modamani künftig wieder ohne Angst vor Terror-Anschuldigungen in Berlin leben und arbeiten kann, muss sich noch zeigen.
So einen Auftrieb hat das Landgericht bei einem Zivilverfahren noch nicht erlebt. Gut 40 Journalisten verfolgen das Verfahren, vor der Tür stehen fast noch einmal so viele Ton- und Kameraleute. Die Reporter kommen aus ganz Europa, selbst „Al Jazeera“ aus Katar und die „New York Times“ sind vertreten. In den USA mache sich kaum jemand so viele Gedanken um Persönlichkeitsrechte im Internet wie die Europäer, sagt Melissa Eddy, die Berlin-Korrespondentin der renommierten Zeitung. Gerade deshalb sei der Prozess für ihre Leser von großem Interesse.
Anas Modamani war bereits am Sonntag mit seiner Gastmutter Anke Meeuw aus Berlin nach Würzburg gekommen. Noch am Abend gab er Interviews für einen Dokumentarfilm, den die Amerikanerin Adrienne Collatus dreht. Den Medientrubel lässt der 19-Jährige souverän über sich ergehen, nach der Verhandlung stellt er sich den Kamerateams.
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Die Facebook-Vertreter beeindrucken Jun nicht
Das öffentliche Interesse genießt Modamanis Anwalt, der Würzburger Chan-jo Jun. Auch wenn die Entscheidung über den Antrag auf Einstweilige Verfügung erst am 7. März verkündet wird, hat er eines längst erreicht: Die Politik in Deutschland diskutiert quer durch die Parteien, inwieweit Gesetze verschärft werden müssen, damit Facebook deutsches Recht einhält und sich Opfer von Hetze leichter wehren können.
Ein erster Erfolg ist da schon, dass sich der Internet-Riese überhaupt der öffentlichen Verhandlung stellt und nicht versucht, sich mit Hinweis auf den europäischen Firmensitz Dublin der deutschen Justiz zu entziehen. Die Facebook-Vertreter Martin Munz und Christian Wirth sind gewiefte Anwälte, aber Jun ist keiner, den das beeindruckt. Streckenweise verliert sich der Dialog in juristischen und technischen Details. Volkmar Seipel, der Vorsitzende Richter der Kammer, schüttelt ein ums andere Mal den Kopf. „Neuland“ sei das Verfahren für ihn, weder er noch seine beiden Kollegen hätten einen Facebook-Account, räumt er ein.
Anwalt Jun will derweil partout nicht glauben, dass Facebook zwar Kinderpornos, Bilder von entblößten Brüsten und Urheberrechtsverletzungen beim Abspielen von Musik binnen kurzer Zeit erkennen und blockieren kann, nicht aber die Fotomontagen, mit denen seit langem gegen Modamani gehetzt wird. Genau das aber behaupten Wirth und Munz. Derzeit verfüge Facebook nicht über eine „Wundermaschine“ zur Bilderkennung, sagen sie. „Möglicherweise aber in fünf, zehn oder 15 Jahren.“
Zahlreiche Screenshots als Beweis
In die Defensive geraten die Facebook-Anwälte, als Jun fragt, warum die von ihm in einem Schriftsatz ans Gericht konkret benannten Hetz-Beiträge mittlerweile zwar für Nutzer in Deutschland gesperrt sind, nicht aber auf der übrigen Welt. Das passe nicht zum Bekenntnis, das Munz gleich zu Beginn der Verhandlung abgegeben hatte: Facebook bedauere, dass Anas Modamani Opfer von Verleumdungen geworden ist. Wenn man diese Beteuerungen ernst meine, sagt Anwalt Jun, müsse man die Posts nicht nur in Deutschland blockieren, sondern weltweit konsequent löschen, damit sie nicht immer wieder von Flüchtlingsfeinden geteilt werden können.
Dass selbst dann nicht gelöscht wird, wenn User eine der hundertfach geteilten Falschnachrichten über das Portal melden, belegt Jun anhand zahlreicher Screenshots. Auch diese Redaktion hat zuletzt einen Lügen-Post über Modamani gemeldet. „Verstößt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards“, lautete die Antwort von Facebook. Deshalb werde man ihn nicht entfernen.