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Würzburg: Mehr Mathe und Deutsch, weniger kreative Fächer: Was eine Würzburger Expertin von der Grundschulreform hält

Würzburg

Mehr Mathe und Deutsch, weniger kreative Fächer: Was eine Würzburger Expertin von der Grundschulreform hält

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    Prof. Sanna Pohlmann-Rother ist seit 2017 Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität.
    Prof. Sanna Pohlmann-Rother ist seit 2017 Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität. Foto: Christoph Weiß

    Auf die Pisa-Schlappe folgt eine "Pisa-Offensive": Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) erhöht die Zahl der Mathe- und Deutschstunden an Grundschulen. Dafür wird bei den kreativen Fächern und Englisch gestrichen – der Religionsunterricht dagegen nicht angetastet. Was halten Schulexperten von der Reform? Fragen an Prof. Sanna Pohlmann-Rother, Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Uni Würzburg.

    Die jüngste Pisa-Studie für die Schulen in Deutschland hat auch die Politik in Bayern aufgeschreckt. Zurecht?

    Prof. Sanna Pohlmann-Rother: Ich verstehe die Reaktion der Politik, aus Sicht der Bildungsforschung sind diese Ergebnisse allerdings nicht überraschend. Speziell für die Grundschulen haben in den letzten Jahren bereits andere Studien – wie IGLU 2021 oder der IQB-Bildungstrend – bedenkliche Ergebnisse gezeigt. Leistungen sinken ab, Mindeststandards werden nicht erreicht. Wir beobachten hier einen klar negativen Trend.

    Zieht die Politik die richtigen Schlüsse, wenn man nun – wie in Bayern geplant – Mathe und Deutsch in der Grundschule stärken will?

    Pohlmann-Rother: Es ist durchaus sinnvoll, ein Augenmerk auf die Grundkompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben zu legen. Da geht es ja um wichtige Voraussetzungen für das weitere schulische Lernen.

    Haben Sie eine Idee, warum Grundschüler heute so viel schlechter schreiben und rechnen als noch vor 15 Jahren?

    Pohlmann-Rother: Das gibt es ein Bündel von Ursachen. Wir sollten aufpassen, hier nicht zu verkürzen und zum Beispiel ausschließlich die stärker gemischte Zusammensetzung von Klassen verantwortlich machen. Das Bildungssystem hat versäumt, Kinder regelmäßiger auf ihren individuellen Förderbedarf hin anzuschauen und entsprechende Angebote zu machen. Das müsste schon im Kindergarten verstärkt beginnen.

    Klingt gut, klingt aber auch nach großem Personalaufwand. Hängen die Schwierigkeiten nicht auch am Lehrermangel?

    Pohlmann-Rother: Der Lehrkräftemangel ist definitiv ein Problem. Die Attraktivität des Lehrerberufs müsste gesteigert werden, um mehr Menschen für den Beruf zu motivieren und so mehr individuelle Förderung in den Klassen leisten zu können. Bayern hat mit der Anhebung des Einstiegsgehalts für Grundschullehrkräfte da bereits einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Es sind aber noch weitere Anstrengungen nötig.

    Gestrichen wird jetzt bei den "weichen" Fächern Musik, Kunst, Gestalten und Werken, sie werden in einem Verbund zusammengefasst. Wie wichtig sind diese Fächer aus schulpädagogischer Sicht für die Entwicklung der Kinder?

    Pohlmann-Rother: Diese ästhetisch-kreativen Fächer sind wichtig, etwa zur Förderung kreativen Denkens. Gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt wird es noch wichtiger, flexibel und kreativ mit Problemen umgehen zu können. Insofern haben diese Fächer absolut ihre Berechtigung. Aber natürlich sind Lesen und Schreiben entscheidend für allen weiteren schulischen Erfolg.

    Und die Eltern sollen dann schauen, dass ihre Kinder außerhalb der Schule Musik und Sport machen?

    Pohlmann-Rother: Auch schwierig mit Blick auf soziale Gerechtigkeit. Da gibt es natürlich bildungsnahe Elternhäuser, die das sowieso fördern. Aber aus pädagogischer Sicht wären Ganztagsangebote an den Schulen hilfreich, die den Kindern auch unabhängig vom sozialen oder finanziellen Status der Eltern kreative Angebote und individuelle Förderung bereitstellen. Elternhäuser sollten nicht auffangen müssen, was in der Schule nicht passiert. Die Grundschule hat einen klaren Bildungs- und Erziehungsauftrag. Wichtig dabei sind eine gute Partnerschaft und ein regelmäßiger Austausch zwischen Eltern und Lehrkräften.

    Im Umfang unangetastet bleibt der Religionsunterricht. Wie finden Sie das?

    Pohlmann-Rother: Wenn man den Fokus stärker auf die Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen legt, muss man ja irgendwo sparen bzw. man muss abwägen. Das ist schwierig. Wenn der Religionsunterricht teilweise so viele Stunden hat wie der Heimat- und Sachunterricht, dann finde ich das schon diskussionswürdig. Aber hier gab es keinerlei Beweglichkeit.

    Bayerische Grundschüler haben im Bundesvergleich bereits eine relativ üppige Stundentafel. Wie sinnvoll wäre es da, noch etwas draufzupacken? Der Lehrer- und Lehrerinnenverband ist dafür offen...

    Pohlmann-Rother: Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Zeit an der Schule zu erhöhen. Damit haben Lehrkräfte mehr Flexibilität und Möglichkeiten, den Unterricht pädagogisch sinnvoll zu gestalten. Pädagogisch sinnvoll wäre auch, über den Ausbau von Ganztagsangeboten mit einer gezielteren Förderung der Kinder nachzudenken. Zugleich sollte nicht nur über die Zeit an den Schulen, sondern über die richtige Nutzung dieser Zeit gesprochen werden. Die Qualität des Unterrichts ist von großer Bedeutung. Und dafür braucht es Lehrkräfte, die an der Universität sehr gut ausgebildet werden.

    Bayern will nun Sprachtests vor der Einschulung verbindlich machen, heißt: Wer nicht gut genug Deutsch kann, muss warten. Finden Sie solches Aussieben richtig?

    Pohlmann-Rother: Um zu diagnostizieren, wo Kinder stehen, sind Testverfahren sinnvoll. Die Frage ist nur: Was kommt danach? Werden die Kinder dann aufbauend auf ihrem Lernstand individuell gefördert? Oder wird vor allem mit dem Ziel der Selektion getestet? Verpflichtende Sprachtests, deren Ergebnisse über die Einschulung oder Nicht-Einschulung eines Kindes entscheiden, bringen diese Gefahr mit sich. Das wäre jedoch ein klarer Rückschritt für das inklusive Schulsystem.

    Englisch soll in der dritten und vierten Klasse von zwei auf eine Stunde reduziert werden. Braucht es überhaupt Fremdsprachenunterricht in der Grundschule?

    Pohlmann-Rother: Es gibt durchaus Studien, die zeigen, dass ein früher Englischunterricht seine Berechtigung hat und Kinder, die mit Englisch in der Grundschule starten, später Vorteile haben, zum Beispiel im Lese- und Hörverständnis. Ich halte hier das Kürzen für eher problematisch. Es geht in der Grundschule um das Vertraut werden mit der Sprache, intuitives Lernen, grundlegendes Sprechen und Hörverstehen. Kinder können da wichtige Vorläufer-Kompetenzen für die anschließenden Schulen ab der fünften Klasse entwickeln.

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