Wer morgens schnell zum Einkaufen geht, darf nicht damit rechnen, dass die prächtigen Tannen in diesem oder jenen Garten danach noch stehen. Das Fällen geht schnell. Verdammt schnell. Das Wachsen neuer Bäume langsam. Verdammt langsam.
Sängerin Alexandra brachte schon vor vierzig Jahren das Gefühl der Hilflosigkeit auf den Punkt: „Mein Freund der Baum ist tot, er starb im frühen Morgenrot . . .“
Wir scheinen in unserem Wohngebiet mit unserer Liebe zu Bäumen weitgehend allein auf weiter Flur zu stehen. Genauso allein wie unsere drei großen Bäume im Garten. Sie gehören bald zu den letzten ihrer Größe an diesem Standort. Dort, wo vor drei Jahren noch kein Haus zu sehen war, reckt sich heute eine wenig ansehnliche Wohnsiedlung empor. Von wilder, zauberhafter Natur keine Spur mehr. Ein Baum, ein Strauch nach dem anderen, ist in den letzten Jahren verschwunden.
Nicht, weil in diesen Straßen so viel gebaut würde. Einfach so. Weil diese großen Monster stören. Licht weg nehmen. Vor allem die gesunden, prächtigen Tannen. Aber die sind ja eh nichts wert. Und wachsen wahnsinnig schnell nach. Behaupten zumindest jene Anwohner, die sowieso keine neuen Bäume nach pflanzen. Mehr noch: die angesichts neu gepflanzter Bäume im Nachbargarten von einem unzumutbaren „Gefängnis-Gefühl“ sprechen.
Manche Menschen entwickeln geradezu eine Allergie gegen große Bäume auf ihrem Grund und Boden. Das ist kein Problem unserer Zeit. Den Wahnsinn des unmäßigen Bäumefällens beklagte Kurt Tucholsky schon 1930:
Und diese alten Bäume sollten dahingehen, sie, die nicht von heute auf morgen nachwachsen? Die man nicht „nachliefern“ kann? Die nicht in Serien, frei ab Wald, wieder aufgebaut werden können? Nur, damit Beamte etwas zu regieren haben? Nein, das muss nicht sein. Sie sollen stehen bleiben, uns Schatten spenden und leben – gegen die Tollheit betriebsseliger Kleinbürger im Geist und im Amt.
In Tucholskys Worten findet man eine erstaunliche Parallele zur heutigen Zeit. Und damals sprach man noch nicht pausenlos über den Klimawandel und den lebensnotwendigen Schutz der Natur.
Doch keiner begehrt auf gegen die kollektive Lust am Bäumefällen. Zumindest nicht in unserem Wohngebiet. Im Gegenteil. Die meisten Menschen dort winken nur ab. „Die ollen Bäume. Bringen doch nur Schatten. Und das Laub im Herbst. Furchtbar!“
Und dann kleben sie sich ungerührt ihre eben erstandenen Klimaschutz-Plaketten an die Windschutzscheiben. Die man braucht, um in große Städte fahren zu dürfen. Weil die Luft in Deutschland so schlecht ist. Und sie schließen mit stoischer Gelassenheit ihre Fenster. Damit der Lärm der Güterzüge nicht ganz so unerträglich herüber schallt. So wie er es tut, seit so viele große Bäume weg sind.
Klar, gibt es kranke Bäume, die gefällt werden müssen. Aber es gibt auch jede Menge Menschen, die sich achtlos über die Schönheit und den Nutzen alter Bäume hinwegsetzen. Die nicht mal abwägen. Die es toll finden, wenn ihr Gärtner mit der Motorsäge in nur einer Stunde das beseitigt, was 50 Jahre gebraucht hat, um zu wachsen.
Freilich, die Sonne scheint jetzt den ganzen Tag prima in die nackten Häuser hinein. Und die unerträgliche Hitze im Sommer? Kein Problem. Die kann man ja heute locker mit Klimaanlagen und Ventilatoren in den Griff bekommen. Angesichts solcher Gedanken darf man schon mal schon mal panisch werden.
Daten & Fakten
Tag des Baumes Der Tag des Baumes wird in den Ländern der Erde an unterschiedlichen Tagen gefeiert – in Deutschland am 25. April. Der Begründer des Tages ist Julius Sterling Morton (1832 bis 1902). Er lebte in Nebraska, das arm an Bäumen war. Morton forderte die Bürger immer wieder dazu auf, Bäume zu pflanzen. Morton war für seine politischen und landwirtschaftlichen Tätigkeiten weithin bekannt. Am ersten Tag des Baumes wurden am 10. April 1872 über eine Million Bäume in Nebraska gepflanzt.