Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Würzburg
Icon Pfeil nach unten

„Meine Lieder sind meine Kinder“

Landkreis Würzburg

„Meine Lieder sind meine Kinder“

    • |
    • |
    Margit Sponheimer 1967 bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“. So liebten die Menschen ihr Margittsche.
    Margit Sponheimer 1967 bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“. So liebten die Menschen ihr Margittsche. Foto: Foto: SWR-Ringpress

    Margit Sponheimer wurde 1943 nicht am Rosenmontag in Mainz, sondern an einem Sonntag in Frankfurt geboren. Doch bereits 1959 hatte s'Margittsche in der Mainzer Fastnacht ihre ersten Auftritte. Ihr Solo-Debüt bei „Mainz bleibt Mainz“ in den 60er Jahren wurde dann gleich ein Hit: „Gell, du hast mich gelle gern“. Das Lied verkaufte sich damals über eine Million mal. 1969 wurde Margit Sponheimer mit „Am Rosenmontag bin ich geboren“ endgültig zur Ikone der Fastnacht. 1998 gab sie ihren Rücktritt bekannt und arbeitet seither als Volksschauspielerin – gelegentliche Gastauftritte zur Faschingszeit inklusive. Sponheimer lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Mainz. Im Interview spricht sie über die Faszination Fastnacht und ihre Liebe zu Franken.

    Frage: Frau Sponheimer, Sie werden heuer als Gast im Publikum erstmals bei der ,Fastnacht in Franken‘ in Veitshöchheim sein. Wie sind Sie auf die Sitzung aufmerksam geworden?

    Margit Sponheimer: Ich habe das mal zufällig im Fernsehen eingeschaltet und war sofort gefangen. Donnerwetter. Das ist eine starke Sendung. Da passiert was auf der Bühne, das ist eine urwüchsige Fastnacht. Mich hat auch die ganze Fröhlichkeit des Abends begeistert. Deshalb möchte ich mir das mal live anschauen.

    War Ihnen als Mainzer Fassenachts-Ikone die fränkische Fastnacht vorher ein Begriff?

    Sponheimer: Natürlich. Ich bin früher auch oft dort aufgetreten. Ich kann mich noch gut an Würzburg und die Huttensäle erinnern. Aber erst durch die Fernsehsitzung wurde mir vor Jahren bewusst, wie sehr sich die fränkische Fastnacht weiterentwickelt hat.

    Was gefällt Ihnen konkret?

    Sponheimer: Naja, der Peter Kuhn ist als politischer Redner natürlich spitze. Und da gibt es noch meine zwei Lieblinge, na . . .

    Waltraud & Mariechen?

    Sponheimer: Jaaaaaa, die beiden sind mir als allererstes aufgefallen. Herrlich. Die beiden erinnerten mich sofort an Fraa Babbisch un Fraa Struwwelich aus der Määnzer Fassenacht. Ich dachte: ,Boah!‘ Dass Heißmann und Rassau zwei fantastische Kabarettisten sind und das ganze Jahr über ihre Auftritte haben, habe ich erst später erfahren.

    Was gefällt Ihnen noch?

    Sponheimer: Ich finde, bei der ,Fastnacht in Franken‘ stimmt das Gesamtpaket. Tolle Bühne, gute Reden, schöne Tänze, und dann natürlich die vielen bayerischen Politiker, bei denen man schon gespannt darauf ist, in welcher Maskerade sie kommen.

    Dennoch scheint der Fernsehfasching in der Krise. Die Sender haben die Übertragung von Sitzungen massiv zusammengestrichen. Was stimmt nicht mehr?

    Sponheimer: Sehen Sie, wir haben das ganze Jahr über ein Riesenangebot an Unterhaltung. Früher war es toll, wenn man von Januar bis Aschermittwoch mal feiern und sich kostümieren konnte. Heute kann ich das ganze Jahr mit grünen, gelben, blauen Haaren rumspazieren und es juckt keinen. An jedem Abend läuft in jedem Programm eine Sendung mit einem Kabarettisten, guten und halbguten. Dazu diese Flut an sogenannten Comedians. Ist ja eine Überfütterung. Dadurch hat es der Amateurnarr, wie wir ihn in Mainz ja noch haben, schwerer. Als ,Mainz wie es singt und lacht‘ startete, gab es nur die ARD, da hat ganz Deutschland zugeguckt. Heute gibt es eine enorme Vielfalt und ein komplett verändertes Nutzerverhalten.

    Bedauern Sie diese Entwicklung?

    Sponheimer: Alles ist vergänglich. Es gab eine Marika Rökk, eine Zarah Leander, eine Caterina Valente, jede hatte ihre Zeit. Irgendwann ist der Höhepunkt vorbei, und die Leute suchen sich neue Stars. Heute Stern, morgen schnuppe – so geht das. Früher wurde man noch aufgebaut. Wir hatten natürlich in Mainz das Glück, dass Menschen in ganz Deutschland unseren Dialekt mochten und auch verstanden. Es war die erste große Sitzung in der ARD und wurde so zur Mutter der Fastnachts-Sendungen.

    Aber auch der Klassiker in Mainz hatte seine Probleme.

    Sponheimer: Das ist doch wie im Leben. Einmal ist man oben, einmal unten. So ist das auch mit solchen Sendungen. Immer oben kann keiner sein. Auch ein Luis Trenker musste mal wieder vom Gipfel runter. Das ist gesund, sonst schnappt man ja über. Bodenhaftung ist wichtig. Es ist gut, was in Mainz passiert ist: Es wurde sich in gutem Sinne wieder zusammengerauft. Wichtig ist auch, dass die Vereine immer noch eine Mitsprache beim Programm haben. Ich finde, die Sitzung ist wieder fröhlicher geworden.

    Sie waren Ende der 50er Jahre die erste Sängerin auf Fastnachtsbühnen. Heute sind die klassischen Fastnachtssänger rar geworden.

    Sponheimer: Ja, im Gesang haben wir ein Solistensterben. Nehmen Sie Köln: Da gibt es klasse Gruppen, alle perfekt, da ziehe ich meinen Hut. Aber solistisch? Ich kenne in Deutschland keinen mehr, der seine Lieder singt. Es fehlen aber auch gute Texter und Komponisten für die Fastnachtsmusik. Viele machen es sich heute bequem: Man nimmt einen bekannten Schlager und macht nen anderen Text dazu. Da haben die Leute die Melodie schon im Ohr und klatschen mit. Aber das ist kein Original-Fastnachtslied.

    Woran liegt diese Entwicklung?

    Sponheimer: Schalten Sie doch mal das Radio ein: Nur noch englische Musik. Ich gehe an Weihnachten in die Kirche, und was singen sie da? Gospels und ,Mary and the Child‘, da dachte ich: ,Ja, wo simma dann?‘ Aber das ist Zeitgeist, und den muss ich akzeptieren. Das hat nix mit Volkstümelei zu tun. Ich stelle das halt fest. Dafür singen die Chinesen fröhlich unser Loreleylied.

    Ist das so?

    Sponheimer: Klar. Gehen Sie mal in eine Mittelschule und fragen die Kinder, welche Volkslieder sie noch können? Fragen Sie mal!

    Bedauern Sie diese Entwicklung, weil dadurch ein Stück Identität verloren geht?

    Sponheimer: Natürlich. Wir haben ein wunderbares Liedgut, ein tolles musikalisches Erbe, das langsam in Vergessenheit gerät.

    Ihre Fastnachtskarriere haben Sie offiziell 1998 beendet. Sie klingen heute sehr mit sich im Reinen. Haben Sie die Rücktrittsentscheidung nie bereut?

    Sponheimer: Es war eine tolle Zeit. Freude geben, ist Freude erleben. Das war mein Motto. Aber ich habe das über 40 Jahre gemacht, das reicht ja auch. Ich dachte mir: ,Geh‘ lieber ein bisschen zu früh, als dass die Leute irgendwann sagen: ,Ohh, singt die immer noch?‘ Es war ja nicht immer alles leicht. Man wird ständig an den besten Titeln und an seinen Hits gemessen. In meinen Kostümrollen konnte ich dann später in Ruhe älter werden. Einmal kam ich als Marktfrau, einmal als kritische Waschfrau (singt): ,Ich wäsch der ganze feine Leut‘ ihr dreckisch Wäsch.'

    Kennen Sie all Ihre Texte noch auswendig?

    Sponheimer: Ja, natürlich. Das sind doch alles meine Kinder.

    Haben Sie Kinder?

    Sponheimer: Leider nein. Ich habe erst spät geheiratet. Früher war das ja anders. Da musste man verheiratet sein, um Kinder zu bekommen. Ich stamme aus einem ganz bürgerlichen Haus und habe früh mit der Wanderschaft begonnen: Nach den ersten Erfolgen vermittelte mir ein Agent Auftritte in ganz Deutschland. Bierfest, Turnfeste, Bunte Abende, da lernte ich für den Beruf und fürs Leben. Einmal bin ich auch mit einem Artisten aufgetreten, der mir einen Satz mitgegeben hat, den ich nie vergessen habe: ,Vergiss nicht zu grüßen, wenn du die Leiter hochgehst, du triffst sie alle wieder auf dem Weg nach unten.‘ Da ist sehr viel Wahres dran.

    Wie viele Lieder haben Sie gesungen?

    Sponheimer: Ich kenne die Zahl nicht. 150 vielleicht? Bestimmt. Ich hatte in dem Mainzer Komponisten Toni Hämmele einen großen Förderer. Er war es ja, der die Mainzer Fastnacht groß gemacht hat. Ohne ihn hätte es keinen Ernst Neger und keine Margit Sponheimer gegeben. Er hat uns Jahr für Jahr mit zwei, drei neuen Liedern ausstaffiert. Und wir hatten Dusel, dass es ankam.

    Im Nachkriegsdeutschland trafen die Lieder ins Herz.

    Sponheimer: Natürlich. Lieder wie ,Am Rhein geht die Sonne nicht unter‘ hatten viele Freunde, der Rhein ist ja ein langer Strom – und das Lied funktioniert ja auch mit dem Main. Oder ,Humba tätärä‘. Das war ja Wahnsinn, dass Hämmerle auf so eine Strophe kommt! Früher saßen die Leute in Abendgarderobe im Publikum und haben außer geraucht und getrunken nichts gemacht. Mit der ,Humba‘ ging ein Ruck durch die Menschen, der das Fastnachtsverhalten in Sitzungen nachhaltig verändert hat. Man wollte aufspringen und mitsingen. Das war der erste Schritt zur Befreiung des Publikums in Mainz. Heute geht fast jeder maskiert in eine Sitzung.

    ,Am Rosenmontag bin ich geboren‘ wurde dann Ihr Markenzeichen.

    Sponheimer: Ja, das Lied wurde mir auf den Leib geschrieben. Damals war Hämmerle leider schon gestorben. Wir waren auf der Suche nach einem Komponisten. In Frankfurt gab es einen Redakteur des Hessischen Rundfunks, Franz Rüger, der auch am 7. Februar Geburtstag hat wie ich. Wir saßen also zusammen, und er fragte, an was für einem Tag ich geboren sei. ,Ich bin ein Sonntagskind‘, sagte ich.

    Er antwortete: ,Ich bin am Rosenmontag geboren.‘ Da rief unser Verleger, der Wiener Charly Niessen dazwischen: ,Seid's amal ruhig. Dös is a Zeile. Dös is a Zeile‘. So entstand das Lied. Es ist mein populärster Schlager geworden, und Niessen, der Komponist, hat immer gesagt, es sei sein Goldenes Kalb gewesen. Selbst in Südafrika und in den Niederlanden wurde das Lied gesungen.

    Ein Lied, das Sie unsterblich macht.

    Sponheimer: Das wäre schön. Klar, das Lied wird mich überleben, es ist mein Heiligtum. Immer wenn ich bei Mainz 05 im Stadion bin und bei einem Tor singt das ganze Stadion ,Am Rosenmontag bin ich geboren‘, dann werde ich ganz klein und denke: ,Danke, lieber Gott, dass du mir so viel Glück mitgegeben hast.‘ Ich empfinde es als große Gnade, dass ich so etwas miterleben darf. Aber ich bin jetzt 72 und immer noch im Gespräch, das ist doch toll.

    Neuere fränkische Fastnachtslieder heißen ,Vollwärmeschutz der Liebe‘ oder ,Heringsdösle‘. Können Sie damit etwas anfangen?

    Sponheimer: Nein, davon habe ich noch nichts gehört. Vielleicht höre ich die falschen Radiosender. Aber was mir an der fränkischen Fastnacht gefällt, ist, dass die Leute ihr Brauchtum bewahren und das machen, was zu ihnen passt. Dass sie nicht Mainz nachäffen, dass sie nicht Köln nachäffen, sondern sich ihre Ursprünglichkeit erhalten. Das finde ich toll, und das ist auch das Erfolgsrezept der Franken. Karneval ist ein Volksfest der Narren. Tradition ist ein Schatz. Ein Gut, das niemals verraten werden darf, nur weil vielleicht einmal die Einschaltquote nicht stimmt.

    Außer der Fastnacht, welche Berührungspunkte haben Sie mit Franken?

    Sponheimer: Ich liebe die Fränkische Schweiz. Dann war ich auch schon in Kloster Banz und Vierzehnheiligen. Bamberg ist eine meiner Lieblingsstädte. In meiner Galerie hier im Haus hängt ein Ölgemälde von Klein-Venedig, weil ich diese Stadt so liebe. Und Würzburg, mein Gott, da saß ich schon als junges Mädchen in den Weinkellern. Franken ist ein reiches Land. Was ihr da an Kultur und Geschichte habt, ist einfach toll.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden