Am vergangenen Freitagabend wurden bei einem Messerangriff in Würzburg drei Menschen getötet und zahlreiche verletzt. "Bitte teilt keine Bilder oder Videos. Respektiert bitte die Privatsphäre der Opfer", mahnte das Polizeipräsidium Unterfranken auf Twitter. Trotzdem verbreiteten sich innerhalb kürzester Zeit mehrere mit dem Handy angefertigte Aufnahmen im Internet.

1,1 Millionen Mal wurde etwa ein Twitter-Video angesehen, das einen Kampf zwischen dem Angreifer und herbeigeeilten Helfern zeigt. Gefilmt wurde es aus einer Straßenbahn heraus, einige Fahrgäste feuern die Helfer an, eine Frau schreit schreckerfüllt auf. Auch Fotos und Videos vom Tatort gingen um die Welt. Zu sehen sind Rettungskräfte neben einer Blutlache. Weniger als eine Stunde bevor das Foto im Internet verbreitet wurde, waren Menschen an dieser Stelle gestorben.
"Solche Aufnahmen zu veröffentlichen ist falsch. Sie haben nur etwas bei der Polizei zu suchen", schreibt ein Nutzer auf Twitter. Andere hingegen verweisen auf das öffentliche Interesse und merken an, dass ja immerhin keine Opfer in den Aufnahmen gezeigt würden. Doch wie sind die konkreten rechtlichen Hintergründe? Dürfen solche Inhalte im Internet verbreitet werden?
Bei Ereignissen der Zeitgeschichte wiegt öffentliches Interesse schwer
"Zunächst sind Aufnahmen auf der Straße zulässig", sagt Chan-jo Jun, Experte für Medienrecht in Würzburg. "Unzulässig wird die Verbreitung ohne Einwilligung wegen der Verletzung des Rechts am eigenen Bild, wenn Menschen erkennbar sind, die nicht lediglich Beiwerk sind." Bei Ereignissen der Zeitgeschichte könne jedoch das öffentliche Interesse überwiegen.
"Verboten sind inzwischen auch Bilder, bei denen die Hilflosigkeit einer Person zur Schau gestellt wird, wenn damit der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt wird", so Jun weiter. Untersagt sei zudem die Verbreitung von Bildern Verstorbener sowie die Verbreitung von Gewaltdarstellungen, wenn damit die Menschenwürde verletzt wird.

Unabhängig von moralischen und rechtlichen Aspekten, sprechen jedoch auch taktische Abwägungen gegen die Verbreitung von Aufnahmen im Internet. "Unmittelbar nach oder noch während einer Bedrohungslage kann die Offenlegung von Informationen im Internet – die damit auch gegenüber dem Täter sowie gegenüber weiteren Tätern und Komplizen erfolgen könnte – der Ermittlungsarbeit der Sicherheitskräfte schaden", schreibt das Polizeipräsidium Unterfranken auf Anfrage.
Polizeipräsidium: Strafbarkeit bei geteilten Videos im Internet wird geprüft
Bei Gefahrenlagen sollte die eigene Sicherheit für Zeuginnen und Zeugen oberste Priorität haben, so die Polizei weiter. "Diese sollten sich durch Video- oder Bildaufnahmen nicht selbst in Gefahr bringen. Sollten dennoch Video- oder Bildaufnahmen gefertigt worden seien, bitten wir diese schnellstmöglich der Polizei zur Verfügung zu stellen."
Klar sei jedoch auch, dass auch in Gefahrenlagen mit hohem öffentlichen Interesse der Persönlichkeitsschutz verstorbener, verletzter oder traumatisierter Opfer beachtet werden müsse. "In entsprechenden Fällen wird auch eine Strafbarkeit geprüft", heißt es vom Polizeipräsidium Unterfranken.