Nachdem die Kameras aus sind, stehen Jessica Hecht (Bündnis 90/ Die Grünen), Katharina Räth (SPD), Andrew Ullmann (FDP), Aaron Valent (Die Linke) und Paul Lehrieder (CSU) beisammen - da Hülya Düber (CSU) aus persönlichen Gründen absagen musste, ist der Bundestagsabgeordnete für sie eingesprungen. Sie duzen sich, sie kennen sich - am nächsten Abend wird man sich bei der nächsten Diskussionsrunde treffen.
Vorher hatten die Würzburger Direktkandidatinnen und -kandidaten zur Bundestagswahl kontrovers, aber sachlich diskutiert. In den Redaktionsräumen der Main-Post beantworteten sie in einer online übertragenen Live-Veranstaltung Fragen von Leserinnen und Lesern.

"Die meisten Menschen bewegt das aktuelle Migrationsthema", begann Main-Post-Redakteur Christoph Sommer. Ob die CDU künftig mit der AfD koalieren würde, war eine Frage. Welche Lösungen Parteien der Mitte zur Begrenzung der Migration haben, eine andere.
Grünen-Politikerin Hecht erklärte, dass sich Probleme nicht durch Zurückweisung an deutschen Grenzen, sondern nur gemeinsam mit europäischen Partnern und bei Einhaltung der Menschenrechte lösen ließen. "Viele Kommunen und Landkreise haben Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen, das verstärkt die Wohnungsnot", sagte Hecht. Und: "Es gibt Grenzen der Aufnahmefähigkeit." Das wichtigste sei, die "friedliche Mehrheit" von Geflüchteten gut zu integrieren
Viele Fragen von Lesern und Leserinnen zum Migrationsthema
CSU-Abgeordneter Lehrieder verteidigte das Vorgehen der Union. "Die Attentate von Magdeburg und Aschaffenburg haben die Situation verändert." Da Grüne und SPD "wegen Wahlkampfgetöse" bei einer Verschärfung der Migrationspolitik nicht mitgemacht hätten, habe die Union die Zustimmung der AfD in Kauf genommen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD oder gar eine Koalition werde es aber keinesfalls geben. Laut Lehrieder habe man mit dem Vorstoß nicht länger warten können. Denn: "Zwei Drittel der Bevölkerung wollen, dass etwas passiert."
Dieses Argument brachte auch Federico Beck (AfD) vor: "Über 60 Prozent der Bevölkerung wollen diese Veränderung. Was ist jetzt nicht demokratisch?"

Die Frage von Main-Post-Redakteur Thomas Fritz, ob man jetzt noch eine Koalition mit der Union plane, beantwortete SPD-Kandidatin Räth: Friedrich Merz habe sein Wort gebrochen und damit Vertrauen verspielt. Aber: "Demokraten müssen miteinander reden. Ich kann keine Koalition mit einer demokratischen Partei ausschließen."
FDP-Abgeordneter Ullmann sagte, ihm sei die Zustimmung zum Fünf-Punkte-Plan und zwei Tage später zum Zustrombegrenzungsgesetz nicht leicht gefallen. "Aber als Volksvertreter muss man Politik für die Menschen machen. Dass die Parteien der Mitte die Probleme der Migration nicht ernst genommen haben, hat die AfD groß gemacht." Auch er kritisierte, dass "Rot und Grün Kompromissvorschläge abgelehnt haben".
Räth und Hecht widersprachen: Eine generelle Zurückweisung aller Asylsuchenden an den deutschen Grenzen sowie einer Inhaftierung von Ausreisepflichtigen habe man nicht zustimmen können, weil dieser Vorschlag inhuman sei und bestehende Gesetze gebrochen hätte.
Bürgerversicherung, Cannabis und Klimaschutz
Eine weitere Frage, die Leserinnen und Leser interessierte: Wer will eine Bürgerversicherung für alle, anstelle des bisherigen Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung? SPD, Grüne und Linke sind dafür. Linken-Kandidat Valent: "Die Krankenversicherung beruht auf dem Solidaritätsprinzip, es ist nicht fair, dass man sich aus diesem System freikaufen kann, wenn man genug Geld hat." Wenn alle einzahlten, würde das nicht alle aber einen Teil der Probleme im Gesundheitssystem lösen.
FDP-Gesundheitsexperte Ullmann meinte dagegen: "Wir haben keine Zweiklassenmedizin in Deutschland. Das Problem seien nicht fehlende Einnahmen, sondern zu hohe Ausgaben."
Zur Cannabis-Legalisierung erklärten die Vertreter von CSU und AfD, dass sie diese rückgängig machen würden. Bei der Frage nach einer Mietpreisbremse hatten AfD, CSU und FDP eine andere Meinung als der Rest. Beck erklärte, seine Partei wolle weniger Staat, "also auch weniger Regularien". Laut Lehrieder verhindere ein Mietendeckel Investitionen. Sollen Beamte in die Rentenversicherung einzahlen? Diese Frage beantworteten die Vertreter von FDP und CSU mit Nein, alle anderen mit Ja.
"Warum reden die Grünen im Wahlkampf nicht über Klimaschutz?", wollte ein Leser wissen. Hecht sagte, dass Klimaschutz "das gesamte Wahlprogramm und die Haltung" der Grünen bestimme. Es gebe aber anderer Probleme, die auch Menschen umtreibe und "dazu sagen wir natürlich auch was".
Die SPD verbindet laut Kandidatin Räth "Klimaschutz mit der sozialen Frage". Es brauche Förderprogramme für Menschen, die sich zum Beispiel ein E-Auto oder eine Sanierung nicht leisten könnten.
Lehrieder: "Wir können auch zusammenarbeiten"
Zum Schluss fragen die Journalisten, wie sich die Kandidaten in den nächsten vier Jahren in die Gesellschaft einbringen wollen. Bemerkenswert war die Antwort von Aaron Valent, der bei der wöchentlichen Sozialberatung seiner Partei in Würzburg weiter arbeiten will, wo er Menschen bei Problemen mit Behörden oder Sozialkassen hilft. "Falls ich in den Bundestag komme, werden ich einen Teil meiner Diät für solche Projekte zur Verfügung stellen. Denn wir müssen in der Gesellschaft zusammen halten.
Ähnliche Worte fand auch der scheidende Bundestagsabgeordnete Paul Lehrieder in seinem Schlusswort. Er appellierte an die Vertreter der demokratischen Parteien in der Runde: "Arbeitet zusammen, vor allem für die Menschen am Rande der Gesellschaft." In seiner letzten Sitzung im Bundestag habe er sich für bessere Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern eingesetzt und habe breite Unterstützung bekommen. "Wir können auch zusammenarbeiten."