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Würzburg/Kitzingen: Minusgeschäft und Aus für drei sozialpsychiatrische Beratungsstellen des BRK Würzburg: "Faustschlag ins Gesicht"

Würzburg/Kitzingen

Minusgeschäft und Aus für drei sozialpsychiatrische Beratungsstellen des BRK Würzburg: "Faustschlag ins Gesicht"

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    Oliver Pilz ist Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Würzburg und sagt: "Wenn wir jetzt nicht anfangen, Kosten zu sparen, müssen wir irgendwann noch mehr Dienste einstellen."
    Oliver Pilz ist Geschäftsführer des BRK-Kreisverbandes Würzburg und sagt: "Wenn wir jetzt nicht anfangen, Kosten zu sparen, müssen wir irgendwann noch mehr Dienste einstellen." Foto: Daniel Peter

    "Eine Katastrophe!!!" So kommentierte eine Nutzerin auf dem Instagram-Kanal dieser Redaktion diese Nachricht: Der Kreisverband Würzburg des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) schließt zum Jahresende seine drei Beratungsstellen des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) in Würzburg, Kitzingen und Ochsenfurt. Der Grund: Sie sind ein Minusgeschäft. 13 Angestellte verlieren wohl ihre Jobs.

    "Als Faustschlag ins Gesicht" empfinde sie die Entscheidung, schrieb die Frau, die sich in ihrem Kommentar "Suizid-Hinterbliebene" nennt. Der Dienst habe ihr sehr geholfen: "Ohne diese Hilfe wäre ich vermutlich selbst nicht mehr am Leben!"

    Nicht nur Menschen mit psychischen Erkrankungen und in seelischen Krisen erhalten beim Sozialpsychiatrischen Dienstes des BRK niederschwellige Beratung. Auch ihre Angehörigen werden von psychologischen und sozialpädagogischen Fachkräften unterstützt. Im vergangenen Jahr profitierten davon 681 Betroffene sowie 101 Angehörige. 

    Kritik am geplanten Aus der drei Beratungsstellen übt auch ein Leser aus Veitshöchheim: "Es wäre geradezu absurd, wenn dies zu einer Zeit passiert, in der deutlich wird, dass wir tatsächlich mehr statt weniger niederschwellige Anlaufstellen brauchen", schreibt er in einem Brief an diese Redaktion. Und verweist auf eine Aussage von Prof. Dominikus Bönsch nach dem Messerangriff in Aschaffenburg. Der Ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Lohr hatte gefordert: "Wir bräuchten einen Ausbau der Sozialpsychiatrischen Dienste."

    Förderung von Beratungsstellen ist eine freiwillige Leistung des Bezirks 

    Die Sozialpsychiatrischen Dienste werden in Bayern von Freien Wohlfahrtsverbänden betrieben. In Unterfranken gibt es insgesamt elf SpDi unterschiedlicher Träger gemeinnütiger sozialer Arbeit. Gefördert werden sie nach einer bayernweit einheitlichen Richtlinie von den Bezirken. Teile der Förderung, wie etwa Betreutes Wohnen und Tageszentren, sind gesetzliche Pflichtleistungen. Die Förderung von Beratungsstellen dagegen ist eine freiwillige Leistung.

    Wie wichtig diese seien, hatte der unterfränkische Bezirkstagspräsident Stefan Funk erst bei einem Pressegespräch des Krisennetzwerks Unterfranken im November betont. Gerade der Bedarf an niederschwelligen Hilfsangeboten für Menschen mit psychischen Problemen werde "in Zukunft noch deutlich zunehmen" in dieser "völlig verrückten Welt", prognostizierte Funk. Gleichwohl räumte er damals ein, dass die Finanzierung solcher Angebote immer herausfordernder werde. 

    Den Sozialpsychiatrischen Dienst des BRK-Kreisverbands Würzburg förderte der Bezirk Unterfranken im vergangenen Jahr mit rund 672.000 Euro, für dieses Jahr sind zirka 674.000 Euro vorgesehen.

    Mit den Pauschalen seien die Kosten schon jahrzehntelang nicht gedeckt, heißt es beim BRK-Kreisverband. Geschäftsführer Oliver Pilz verweist auf ein "Defizit in mittlerer fünfstelliger Höhe" allein für Personal- und Sachkosten der drei Beratungsstellen. Insgesamt verzeichne man ein Minus "von 400.000 bis 500.000 Euro".   

    Vorsitzender Eberth: Eigenfinanzierung der BRK-Dienste wird immer schwieriger

    Solche Summen aus Eigenmitteln aufzubringen, werde für einen Kreisverband angesichts schrumpfender Spenden und schwindenden Ehrenamts immer schwieriger, sagt der ehrenamtliche Vorsitzende, Würzburgs Landrat Thomas Eberth (CSU).  

    "Wir haben intensiv abgewägt: Welche Leistung ist nicht ganz so schmerzlich streichbar und hat nicht so dramatische Auswirkungen, wie sie beispielsweise die Schließung eines ambulanten Dienstes, der Tagespflege oder eines Seniorenheims hätte?", erklärt der Vorsitzende des Kreisvorstands. Einen solchen Großbereich einzustellen, "würde unserem Defizit zwar guttun, aber dann wäre die Frage: Wie viel Menschlichkeit haben wir dann noch, und wie viel Menschlichkeit können wir als BRK außerhalb unseres Rettungsdienstes noch an den Tag legen?"

    Würzburgs Landrat Thomas Eberth ist ehrenamtlicher Vorsitzender des BRK-Kreisvorstands Würzburg.
    Würzburgs Landrat Thomas Eberth ist ehrenamtlicher Vorsitzender des BRK-Kreisvorstands Würzburg. Foto: Daniel Peter

    So sei die Schließung der Beratungsstellen "mehr noch im ländlichen Raum von Ochsenfurt und Kitzingen als in der Stadt Würzburg", wo es andere Angebote gebe, "keine schöne Entscheidung, aber finanziell notwendig". BRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Oliver Pilz macht klar: "Wenn wir jetzt nicht anfangen, Kosten zu sparen, müssen wir irgendwann noch mehr Dienste einstellen."

    Interne Irritationen über neue Dienstautos der Geschäftsführer

    Intern sorgt derweil für Gesprächsstoff, dass Pilz und sein Stellvertreter Stefan Dietz trotz des Sparkurses mit neuen Dienstautos fahren und an neuen Schreibtischen arbeiten. Pilz wirkt irritiert auf die Nachfrage: "Ich fahre dienstlich ungefähr 50.000 Kilometer im Jahr. Da braucht's halt auch mal ein neues Auto." Ebenso wie neue Büroausstattung, "wenn der Schreibtisch 30 Jahre alt ist". Man habe darauf geachtet, "sorgsam mit den Kosten umzugehen". So seien beide Dienstwagen geleast.

    Pilz räumt ein: "Persönlich kann ich nachvollziehen, dass das nicht gut ankommt", wenn Menschen ihre Jobs verlieren. Er betont aber auch: "Wir leben nicht über unsere Verhältnisse."

    Bezirk Unterfranken will neuen Träger für die Beratungen suchen

    Während das Aus der Beratungsstellen beim BRK beschlossene Sache ist, hat der Bezirk angekündigt, mit anderen Trägern Gespräche führen zu wollen, "um eine Fortführung beziehungsweise Übernahme der Beratungen im sozialpsychiatrischen Bereich zu erreichen".

    Eberth wirft bereits einen Blick in die weitere Zukunft: Um das Sozialsystem aufrechterhalten zu können, müssten Träger ihre Leistungen bündeln und sich womöglich spezialisieren. "Das wird ein Riesenthema und gesellschaftlich eine wahnsinnige Herausforderung." Laut einer im Oktober 2024 präsentierten Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege mussten bereits zwei Drittel der Einrichtungen in Bayern aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Angebote einschränken oder einstellen. 

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