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Würzburg: "Mir wird schnell langweilig": Warum der Tenor Daniel Behle mit einer ganz besonderen "Winterreise" in Würzburg gastiert

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"Mir wird schnell langweilig": Warum der Tenor Daniel Behle mit einer ganz besonderen "Winterreise" in Würzburg gastiert

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    "Ich kann mich nicht bis an mein Lebensende mit Tamino und Belmonte begnügen." Daniel Behle ist bekannt für besondere Projekte.
    "Ich kann mich nicht bis an mein Lebensende mit Tamino und Belmonte begnügen." Daniel Behle ist bekannt für besondere Projekte. Foto: Lucia Hunziker

    Daniel Behle, Jahrgang 1974, ist nicht nur einer der gefragtesten deutschen Tenöre, sondern der möglicherweise vielseitigste. Sein Spektrum reicht von Mozart bis Wagner, vor allem aber tritt er immer wieder mit besonderen Projekten hervor. Etwa mit einem Abend unter dem Titel "Behlcanto" mit italienischen Belcanto-Hits, begleitet nicht von Orchester, sondern von einem Saxofon-Quintett. Außerdem ist er auch als Komponist erfolgreich, zuletzt mit der Operette "Hopfen und Malz".

    Beim 3. Sinfoniekonzert der Saison des Philharmonischen Orchesters Würzburg am 27. und 28. Februar ist er Solist der "Winterreise", dem Liedzyklus von Franz Schubert in einer orchestrierten Version des Komponisten Hans Zender (1936–2019) aus dem Jahr 1993. Wobei diese Version weit über eine reine Orchesterbearbeitung hinausgeht. Zender nannte sie eine "komponierte ­Interpretation".

    Frage: Herr Behle, wo erreiche ich Sie gerade?

    Daniel Behle: Ich bin in Amsterdam, heute Abend ist die fünfte Vorstellung von Mozarts "Idomeneo", und ich singe den Idomeneo.

    Da ist die "Winterreise" in der Zender-Version ja richtiges Kontrastprogramm. Was erwartet das Publikum?

    Behle: Die Version wurde ja bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt, einem Festival für Neue Musik. Sie ist dementsprechend mit avantgardistischen Spieltechniken gespickt. Sehr anspruchsvoll für das Orchester, aber sehr farbenfreudig. Zender hat es komplett vermieden, den Zyklus mit erwartbaren, möglicherweise historischen Klängen umzusetzen, sondern auf zeitgenössische Effekte gesetzt. Manche der Stücke wirbelt er regelrecht durcheinander. Er fängt relativ klassisch an und lässt das dann immer mehr auseinanderbrechen. Und das entspricht wiederum dem, was mit dem Winterreisenden passiert, der ja in immer größere Verzweiflung gerät.

    Daniel Behle mit seinem Programm "Behlcanto" 2020 im Theater Schweinfurt.
    Daniel Behle mit seinem Programm "Behlcanto" 2020 im Theater Schweinfurt. Foto: Josef Lamber

    Wie singt sich das Stück?

    Behle: Ich bin darin der Letzte, der Schubert die Stange hält. Es gibt ein paar Verfremdungen, in einigen Passagen muss man mit Mikrofon singen, weil das Stück so stark instrumentiert ist, dass man nichts mehr hört. Etwa in der Nummer 18, "Der stürmische Morgen", wo die Naturgewalten sehr lautmalerisch dargestellt sind. Hans Zender hat diese Bearbeitung übrigens auf einer Zugreise geschrieben, und er hat mal erzählt, dass er immer ein bisschen enttäuscht war, dass seine anderen Stücke weniger gespielt wurden als diese eine Bearbeitung, die er da einfach so gemacht hat.

    "Dass Schubert ein sehr einsamer Mensch war, schimmert überall durch."

    Daniel Behle über die "Winterreise"

    Geht es Zender auch darum, auszuloten, ob Schubert vielleicht doch ein toller Opernkomponist gewesen wäre? Schubert hat ja nur eine durchkomponierte Oper hinterlassen, die aber im Musikbetrieb praktisch keine Rolle spielt.

    Behle: Bei Schuberts vielen hinterlassenen Arien merkt man immer wieder ein hin- und hergerissen Sein zwischen heldischem Operngestus und liedhaftem Denken. Gleichzeitig war es damals ja relativ neu, Lieder zu einem Zyklus zusammenzufassen, der dann wirkte wie ein 80-minütiges durchkomponiertes tragisches Drama. Zender hat diese Form des Liedzyklus' in die große sinfonische Form übertragen. Dass Schubert ein sehr einsamer Mensch war, schimmert überall durch - und das löst beim Publikum immer wieder große Empathie aus. Man möchte ja auch Held sein, fühlt sich aber oft überfordert und nicht verstanden vom Leben.

    Sie machen viele Projekte abseits vom 08/15-Betrieb. Was ist dafür der Anstoß?

    Behle: Diese ganzen Projekte sind ja nicht finanziell motiviert. Dafür kommt zu wenig rüber, ökonomisch betrachtet. Aber sie machen mir eine riesengroße Freude, weil ich mich in verschiedenen Konstellationen bewegen kann, mit Repertoire, für das ich sonst nicht angefragt werden würde. Das gibt mir auch die Chance, mich abzusetzen. Heute ist ja die Gefahr sehr groß, dass sich alles immer mehr gleicht, dass alles immer möglichst allen gefallen soll. Und das wird mit KI noch schlimmer werden. Deswegen ist diese selbstauferlegte Vielfältigkeit eine Befriedigung für mich selbst. Auch wenn ich ohne bedeutend weniger Stress hätte. Aber in letzter Instanz sind wir Künstler Egoisten. Wir können nicht anders. Und mir wird schnell langweilig, deshalb kann ich mich nicht bis an mein Lebensende mit Tamino und Belmonte begnügen.

    Karten für die Konzerte am 27. und 28. Februar (20 Uhr) im großen Saal der Musikhochschule Würzburg: Tel. (0931)  3908-124, www.mainfrankentheater.de

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