Am Wochenende haben sich mehrere Bischöfe an ihre Gemeinden gewandt. Anlass sind die vorab bekannt gewordenen Ergebnisse der von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Auftrag gegebenen Studie zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Auch Würzburgs Bischof Franz Jung äußerte sich am Samstag bei seinem Antrittsbesuch in den Dekanaten Hammelburg, Bad Kissingen und Bad Neustadt.
Bischof Jung: Nicht mit Ignoranz und Arroganz über das Leiden hinweggehen.
Beim Gottesdienst auf dem Kreuzberg sagte Bischof Jung laut Mitteilung des Ordinariats in seiner Predigt, dass Katholiken in diesen Tagen besonders verbunden mit den Menschen seien, die in der Kirche Missbrauch erlebt haben, „die sich jahrelang allein gelassen, verloren, beschämt gefühlt haben, die nie den Mut hatten, darüber zu reden.“ Er habe die Gläubigen gemahnt, nicht mit Ignoranz und Arroganz über das Leiden von Menschen hinwegzugehen.
Am Mittwoch veröffentlichten „Die Zeit“ und „Spiegel“ Ergebnisse der Studie, die erst am 25. September bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda vorgestellt werden sollten. Demnach werteten die Forscher rund 38.000 Personal- und Handakten von 1946 bis 2014 aus. Sie protokollierten mindestens 3677 mutmaßliche Opfer von sexuellem Missbrauch an überwiegend männlichen Minderjährigen, 1670 Kleriker hätten diese Taten begangen.
Bischof Wiesemann: Versagen und Schuld treffen auch die Leitung der Kirche.
Der Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, dessen Generalvikar Bischof Franz Jung vor seiner Weihe neun Jahre lang war, äußert angesichts dieser Ergebnisse deutliche Selbstkritik. In seiner Erklärung, die am Wochenende in allen Gottesdiensten der Diözese Speyer verlesen wurde, heißt es: „Versagen und Schuld treffen auch die Leitung auf allen Ebenen der Kirche.“ Leider sei der Schutz der Kirche oft vor den Schutz der Betroffenen selbst gestellt worden, „das bedauere ich zutiefst“.
Hart mit seiner Kirche ins Gericht geht laut Domradio auch Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln: Es gebe nichts zu beschönigen: „Verantwortlich waren Seelsorger, Gott geweihte Menschen“, sagte er. „Ich bin zutiefst getroffen, und ich schäme mich an dieser Stelle für meine Kirche“ – auch dafür, dass nachweislich vertuscht worden sei.
Nach Angaben der „Zeit“ fanden sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation. In mindestens zwei Bistümern seien Akten gezielt vernichtet worden.
Kardinal Marx ist tief erschüttert und beschämt
Am Donnerstag hat sich bereits Bambergs Erzbischof Ludwig Schick zur Studie geäußert: „Bitten wir, dass Gott die Wunden der Opfer heilt und den Tätern zu Einsicht, Reue und Buße verhilft.“ Wie Erzbischof Schick zeigt sich auch der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx am Sonntag bei einem Gottesdienst in Schönstatt (Vallendar) „tief erschüttert und beschämt“. Er fügte laut DBK-Mitteilung hinzu: „Seit 2002, dann besonders ab 2010 und jetzt wieder, spüre die Kirche, dass die tiefe Wunde des Missbrauchs nicht verheile.“ 2002 wurde das Ausmaß des Missbrauchs in den USA, 2010 in Deutschland bekannt.
Per Video wandte sich der Passauer Bischof Stefan Oster an Betroffene und Gläubige. Er sprach von Verbrechen, die jetzt schonungslos ans Licht gebracht würden. Dabei sei das „was wir inzwischen wissen, bestimmt nicht alles“. Das sehen auch die Autoren der Studie so. Laut „Spiegel“ hätten die Forscher aufgrund der Datenmanipulation keine Erkenntnisse über das Dunkelfeld erlangt.
Diözese Würzburg veröffentlicht Ergebnisse erst am 25. September
Die Diözese Würzburg will die Ergebnisse für ihren Bereich nach der offiziellen Vorstellung in Fulda veröffentlichen und dazu Stellung nehmen, heißt es aus dem Ordinariat. Laut den bereits bekannten Statistiken gab es dort von März 2010 bis März 2017 insgesamt 107 beziehungsweise von September 2017 bis März 2018 vier übermittelte relevante Vorwürfe. Strafrechtlich verurteilt wurde in diesem Zeitraum ein Täter.