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Würzburg: Missbrauchsgutachten für Bistum Würzburg ist da: Mindestens 226 Opfer, jeder dritte Fall sollte vertuscht werden

Würzburg

Missbrauchsgutachten für Bistum Würzburg ist da: Mindestens 226 Opfer, jeder dritte Fall sollte vertuscht werden

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    Hier ist es: Anja Amend-Traut, Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch (UKAM) im Bistum Würzburg, übergibt das lange erwartete Gutachten an Bischof Franz Jung. 
    Hier ist es: Anja Amend-Traut, Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch (UKAM) im Bistum Würzburg, übergibt das lange erwartete Gutachten an Bischof Franz Jung.  Foto: Silvia Gralla

    Zwischen 1945 und 2019 sind im Bistum Würzburg mindestens 226 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Das ist ein Ergebnis des lange erwarteten Gutachtens, das die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg (UKAM) an diesem Dienstag Bischof Franz Jung überreicht hat.

    Die Studie identifizierte 51 Beschuldigte, für die ein plausibler Tatverdacht besteht. Davon waren 50 Männer, 43 von ihnen Kleriker. Damit liegt die Täterquote - also der Anteil der Kleriker im Bistum, die mutmaßliche zu Tätern geworden sind - bei 1,1 Prozent.

    Frühere Studie der Deutschen Bischofskonferenz führte mehr Täter auf

    Diese Zahlen fielen überraschend niedrig aus: So zählte im Jahr 2018 die sogenannte MHG-Studie, eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene bundesweite Untersuchung zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, 62 beschuldigte Kleriker aus dem Bistum Würzburg. Die Täterquote gab die MHG-Studie mit 4,4 Prozent an.

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    Der Wiesbadener Gutachter Hendrik Schneider erklärte diese Diskrepanz bei der Pressekonferenz in Würzburg mit einem engeren Tatbegriff. So habe die UKAM Vorgaben gemacht, wonach etwa einige Grenzüberschreitungen wie "Berührungen oberhalb der Kleidung" nicht als Missbrauch gewertet wurden.

    Gutachter spricht von "Verzögerungstaktik der Kirche"

    Die Zahlen erschüttern dennoch. Die Studie spricht von 449 Taten. Ziehe man Schätzwerte aufgrund ungenauer Angaben in Akten heran, käme man auf 3053 Taten für denselben Personenkreis, heißt es in dem Gutachten. Das Durchschnittsalter der Betroffenen beim ersten Missbrauch lag laut Studie bei 9,8 Jahren, im Schnitt wurden sie knapp eineinhalb Jahre immer wieder missbraucht.

    Im Fall von 18 Beschuldigten sieht das Gutachten Hinweise auf ein Einwirken durch den Beschuldigten oder Bistumsangehörige auf Betroffene mit dem Ziel, die Taten zu verschleiern. Gutachter Schneider spricht von "Verzögerungstaktik der Kirche", die auf eine strafrechtliche Verjährung der Taten abgezielt habe. Betroffenen habe man "suggeriert, dass man sich kümmert". Erst ab dem Jahr 2000 sei hier im Bistum eine "Kultur des Hinschauens" entstanden, allerdings habe es auch dabei in Würzburg anfangs "ganz massiv geknirscht", so Schneider.

    Jahrzehntelang hätten sich auch Staatsanwaltschaften zurückgehalten. Je höher der Rang des Klerikers, desto demütiger seien die Strafverfolgungsbehörden bei den Ermittlungen aufgetreten. Eine Betroffene brachte es während der Pressekonferenz auf den Nenner: "Staatsanwälte und Therapeuten kuschten vor den Bischöfen."

    Bischof Jung spricht von "schwerem Versagen"

    Marcel Romanos, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg, wurde deutlich: "Wir sprechen über Machtmissbrauch, fehlende Prävention und Meldewege. Opfer wurden marginalisiert, Täter geschützt." Romanos formulierte für das Bistum Handlungsempfehlungen. Unter anderem forderte er, Schutzkonzepte auch gegen existierende Widerstände in den Gemeinden zu etablieren und die personellen Kapazitäten für Prävention und Intervention deutlich auszuweiten.

    Bischof Franz Jung will sich erst kommende Woche inhaltlich zur Studie äußern. Er sprach am Dienstag von einem "schmerzlichen Tag". Er wolle sich "ungeschönt unserer Vergangenheit stellen" und kündigte "notwendige Konsequenzen" an. Jung räumte ein "schweres Versagen" der Kirche ein und entschuldigte sich für die "Schuld, die Kirche und Verantwortungsträger auf sich geladen haben". 

    Beendet scheint das Thema Missbrauch nicht: Alexander Schraml, externer Ansprechpartner für Betroffene sexuellen Missbrauchs im Bistum, sagte, bei ihm seien im ersten Quartal 2025 bereits mehr Vorwürfe eingegangen als im ganzen Jahr 2024.

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