Kurz vor Ablauf der Frist wurde aus Mutmaßungen Gewissheit: Das Würzburger Urteil gegen einen 38-jährigen Logopäden wegen Missbrauchs von sieben kleiner Buben wird vorläufig nicht rechtskräftig. Den Familien der Opfer stehen weitere Wochen der Ungewissheit bevor. Denn die Verteidiger Alexander Hübner und Jan Paulsen haben gegen das Urteil Revision eingelegt.
Bisher keine Begründung für Einspruch
Das bestätigten am Dienstag auf Nachfrage sowohl Anwalt Paulsen als auch der Sprecher des Landgerichts Würzburg im Missbrauchfall, Rainer Volkert. Ob die Verteidiger des 38-Jährigen wirklich Zweifel nach der kurzen mündlichen Urteilsbegründung haben oder nur vorsichtshalber Einspruch einlegen, um zu sehen, ob im schriftlichen Urteil alle für sie wichtigen Punkte enthalten sind, ist unklar. "Eine Begründung liegt noch nicht vor", so Gerichtssprecher Volkert. Das Landgericht hatte in der vergangenen Woche elf Jahre und vier Monate Haft für angemessen erklärt und dem Verurteilten verboten, je wieder als Therapeut für Kinder in dem Alter der Opfer tätig zu sein.
Am Ende der wochenlangen Beweisaufnahme hatten die Vorstellungen darüber weit auseinandergeklafft, welche Strafe angemessen wäre: Die Staatsanwaltschaft forderte fast 14 Jahre, die Verteidigung weniger als zehn Jahre. Eine möglicherweise sogar lebenslängliche Inhaftierung durch Sicherungsverwahrung - wie die Anwälte der Opfer gefordert hatten - war nach einem Gutachten nicht mehr möglich. Es hatte dem Verurteilten eine sehr geringe Rückfallgefahr attestiert.
Frist dauerte einen Tag länger
Normalerweise haben Prozessvertreter eine Woche Zeit, um sich zu überlegen, ob sie ein Urteil akzeptieren. Ausgerechnet in dem Fall des Würzburger Logopäden dauerte das quälende Warten wegen des Feiertages einen Tag länger. Die festgelegte Einspruchsfrist endet am Dienstagabend um Mitternacht.
- Lesen Sie hier den Standpunkt zum Urteil im Missbrauchsfall
Schon vor Ablauf aber erklärte Pressesprecher Thomas Goger in Bamberg auf Anfrage: "Die Generalstaatsanwaltschaft wird keine Revision einlegen." Die Strafzumessung sei für die Ankläger nur dann anfechtbar, wenn dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen wäre, "zum Beispiel, weil relevante Aspekte überhaupt nicht oder falsch berücksichtigt wurden". Dies aber, so Goger, "war hier nicht der Fall".
Nach dem schriftlichen Urteil vier Wochen Zeit
Die beiden Verteidiger wollen zuerst die maßgebliche schriftliche Urteilsbegründung in Händen halten. Dann haben sie vier Wochen Zeit, um sich zu äußern, was ihrem Mandanten an dem zunächst nur kurz mündlich zusammengefassten Urteil nicht akzeptabel erscheint. Denkbar wäre auch eine Rücknahme der Revision, die häufig nur vorsichtshalber eingelegt wird. Die Anwälte der Opfer, die selbst keine Möglichkeit der Revision gegen das Urteil haben, äußerten sich zunächst nicht.