Mittwoch, 20.03.2019: Gegen 22 Uhr stürmt ein Sondereinsatzkommando das Privathaus eines Würzburger Logopäden. Er und sein Ehemann werden festgenommen, die gemeinsamen Pflegekinder in Obhut genommen. Der Vorwurf: "Dringender Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie der Herstellung und der Verbreitung von Kinderpornografie".
21. März 2019: Die Ereignisse überschlagen sich: Zur Klärung des Falles gründet die Würzburger Kripo eine Sonderkommission. Zuständig für die Ermittlungen ist die Zentralstelle Cybercrime Bayern bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg. Rund 50 Polizeibeamte durchsuchen insgesamt zehn potentielle Tatorte. Dazu gehören die aktuellen und ehemaligen Praxisräume des Logopäden und Einrichtungen, in denen er und sein Ehemann tätig waren. Darunter ein inklusiver Kindergarten und die Räumlichkeiten der DJK Würzburg, wo der Beschuldigte über Jahre ein inklusives Kinderturnen anbot.
Am Nachmittag wird der Ehemann des Logopäden wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn bestehe kein hinreichender Tatverdacht.
Der verdächtige Logopäde wird dem Haftrichter vorgeführt und kommt in Bamberg in Untersuchungshaft.
24. März 2019: Die Stadt Würzburg teilt mit, dass die beiden Pflegekinder des Paares, ein vierjähriger Junge und ein fünfjähriges Mädchen, nicht missbraucht worden seien.
April/Mai 2019: Die Sonderkommission lädt rund 1000 Personen, deren Kinder mit dem Logopäden in Kontakt waren, zu insgesamt elf Informationsveranstaltungen. Über 700 Elternteile nehmen daran teil.
17. Mai 2019: Eine 29-jährige Mutter, die ihren Sohn auf sichergestellten Fotos erkannte, geht an die Öffentlichkeit. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegen den Logopäden, aber auch gegen die Kita, in der der Missbrauch stattfand.
11. Juli 2019: Bei der Festnahme des Tatverdächtigen soll das Sondereinsatzkommando so hart vorgegangen sein, dass jetzt das Landeskriminalamt (LKA) untersuche, ob eine Körperverletzung im Amt vorliege. Der Beschuldigte hatte Schlagspuren, Blutergüsse und klagte über Rippenschmerzen, stellte selbst jedoch keine Anzeige.
2. August 2019: Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, dass es insgesamt vier Tatorte gegeben habe. Es handele sich um zwei Standorte der Logopädiepraxis, eine Kindertageseinrichtung und einen integrativen Kindergarten. Alle Tatorte liegen in Würzburg.
12. September 2019: Die Ermittlungen des LKA gegen SEK-Beamte wegen Körperverletzung im Amt werden eingestellt.
30. September 2019: Im Beisein von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich teilen die Cybercrime-Experten der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die bisherigen Ermittlungsergebnisse in einem Pressegespräch mit: Demnach gab es sieben männliche Tatopfer unter sechs Jahren, teilweise mit hochgradigen körperlichen und/oder geistigen Behinderungen. Der Tatzeitraum erstreckt sich von 2012 bis März 2019. Insgesamt gab es 78 Missbrauchstaten, in 45 Fällen war es schwerer sexueller Missbrauch. 23 000 kinderpornographische Bilder und Videos wurden sichergestellt. Die meisten stammten nicht von den Würzburgern Opfern, der Beschuldigte teilte Bilder und Filme im sogenannten Darknet. Generalstaatsanwalt Thomas Janowsky gibt bekannt, dass die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen seien, die Anklage werde vorbereitet.
8. Oktober 2019: Die Ermittlungen gegen den Ehemann des Logopäden werden eingestellt. Die Ermittlungen haben ergeben, dass eine Beteiligung oder auch nur die Kenntnis der Taten ausgeschlossen werden kann.
20. November 2019: Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg erhebt wegen des Vorwurfs von sexuellem Missbrauch von Kindern in 66 Fällen Anklage gegen den Logopäden am Würzburger Landgericht. Prozessbeginn ist der 5. März.