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Würzburg: Mit Baupionier Greissing durch Würzburg: 9 Stationen inklusive 3 Geheimtipps

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Mit Baupionier Greissing durch Würzburg: 9 Stationen inklusive 3 Geheimtipps

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    Eine Fassade, die nur so strotzt vor Selbstbewusstsein: Joseph Greissings Jesuitenkolleg, dem heutigen Priesterseminar, in der Domerschulstraße in Würzburg.
    Eine Fassade, die nur so strotzt vor Selbstbewusstsein: Joseph Greissings Jesuitenkolleg, dem heutigen Priesterseminar, in der Domerschulstraße in Würzburg. Foto: Fabian Gebert

    Vor genau 300 Jahren, am 12. Dezember 1721, starb, der Würzburger Hofbaumeister Joseph Greissing. Mit nur 57 Jahren - und "ahn einer hizigen Kranckheit". Porträts von ihm gibt es keine - anders als von Balthasar Neumann, der schon zu Lebzeiten ein Superstar war. Wohl aber haben einige der Bauten Greissings die Zeiten überlebt – in Würzburg und in ganz Mainfranken.

    Joseph Greissing, geboren 1664, war Nachfolger von Antonio Petrini (1631-1701) und Vorgänger von Balthasar Neumann (1687-1753). Er gilt manchen Kunsthistorikern wegen seiner Liebe zum Ornament als schwächster der drei großen mainfränkischen Barockarchitekten. Dass Balthasar Neumann, genialer Schöpfer der Würzburger Residenz, unerreicht bleibt, ist unumstritten. Aber gegenüber der Strenge und der Wucht der Bauten von Antonio Petrini, Stift Haug etwa, atmen die von Joseph Greissing eine verspielte Souveränität, die mehr ist als nur Prunksucht.

    Es lohnt sich, Würzburg auf den Spuren von Joseph Greissing zu erkunden. Hans Steidle, Historiker und Stadtheimatpfleger, hat einen Rundgang in neun Stationen zusammengestellt. Drei Geheimtipps inklusive.

    Start: Auftakt am Residenzplatz

    Die Ausgangssituation: das Rosenbach-Palais neben der Residenz.
    Die Ausgangssituation: das Rosenbach-Palais neben der Residenz. Foto: Fabian Gebert

    Los geht's am berühmtesten Bauwerk der Stadt. Hier, im Angesicht der Residenz wird klar, dass Balthasar Neumann der einsame Star des mainfränkischen Barock ist und bleibt. Ein Blick hinüber auf das Rosenbach-Palais, heute Staatlicher Hofkeller, macht wiederum die Ausgangssituation deutlich: Geplant von Petrini, ausgeführt von Greissing, strahlt der Bau Klarheit und Strenge aus.

    Station 1: Roter Bau oder Greiffenclau-Palais, Theaterstraße 23

    Das Greiffenclau-Palais in der Theaterstraße. Hier kündigt sich Greissings Freude am Ornament schon an.
    Das Greiffenclau-Palais in der Theaterstraße. Hier kündigt sich Greissings Freude am Ornament schon an. Foto: Fabian Gebert

    Der erste große Palast Greissings in Würzburg. Hier brachte Fürstbischof Johann Philipp II. von Greiffenclau, der von 1699 bis 1719 regierte, die Mitglieder seiner Familie unter. Ein eleganter, schmaler Bau mit markanter Fassade aus rotem Sandstein. An Fenstern und Pilastern, den in die Wand eingelassenen Schein-Säulen, kündigte sich an, dass der Hofbaumeister mehr Fassadenschmuck einsetzen würde als sein Vorgänger Petrini.

    Station 2 und Geheimtipp Nr. 1: Ehemaliger Gartenpavillon, Spiegelstraße 10

    Mitte der 1950er Jahre zugunsten der Straße verkleinert, inzwischen auch noch von einer Seite zugebaut: der ehemalige Gartenpavillon in der Spiegelstraße.
    Mitte der 1950er Jahre zugunsten der Straße verkleinert, inzwischen auch noch von einer Seite zugebaut: der ehemalige Gartenpavillon in der Spiegelstraße. Foto: Fabian Gebert

    Die meisten Passanten gehen achtlos an diesem Kleinod in Gelb und Weiß vorbei. Kein Wunder, wurde der ehemaligen Gartenpavillon in den 1950er Jahren doch der Straße zuliebe um zwei Fenster-Felder verkleinert und in den letzten Jahren auch noch ziemlich eingebaut. "Das ist nicht gut gelaufen", sagt Stadtheimatpfleger Hans Steidle. Typisch für Greissing ist der vorkragende Sims zwischen Erdgeschoss und erstem Stock, der die Fassade gliedert.

    Station 3: Nordflügel und Gartenpavillon des Juliusspitals

    Derzeit wegen Corona leider nicht zugänglich: der Innenhof mit dem Fürstenbau des Juliusspitals, hier auf einem Archivbild.
    Derzeit wegen Corona leider nicht zugänglich: der Innenhof mit dem Fürstenbau des Juliusspitals, hier auf einem Archivbild. Foto: Archivbild Silvio Galvagni

    Weiter geht es durch Dominikanergasse (wo man einen schönen Blick auf den Chor der Dominikanerkirche hat) und Kolpingstraße zum Juliusspital. Den Nordflügel des Hauptgebäudes mit dem prachtvollen Mittelbau, Fürstenbau genannt, hat Greissing entworfen. Zu sehen sind er und der beliebte Gartenpavillon derzeit nur vom Hof aus. Wegen Corona ist das Areal leider nicht zugänglich.

    Station 4 und Geheimtipp Nr. 2: Hof Friedberg, Bronnbacher Gasse 43

    Der Hof Friedberg in der Bronnbacher Gasse. Typisch für Greissing ist der Wechsel zwischen rotem und gelbem Sandstein.
    Der Hof Friedberg in der Bronnbacher Gasse. Typisch für Greissing ist der Wechsel zwischen rotem und gelbem Sandstein. Foto: Fabian Gebert

    Noch ein Baudenkmal, das kaum als solches wahrnehmbar ist. Der Innenhof von Hof Friedberg ist laut Hans Steidle neben dem des Weinhauses "Stachel" der einzige, der nach dem Krieg in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt wurde. Typisch für Greissing ist die Zweifarbigkeit, also der Wechsel von gelbem und rotem Sandstein.

    Kundiger und gefragter Erklärer der Stadt, ihrer Geschichte und ihrer Gebäude: Heimatpfleger Dr. Hans Steidle, hier bei einem Tag des offenen Denkmals in der St. Johanniskirche.
    Kundiger und gefragter Erklärer der Stadt, ihrer Geschichte und ihrer Gebäude: Heimatpfleger Dr. Hans Steidle, hier bei einem Tag des offenen Denkmals in der St. Johanniskirche. Foto: Archivfoto Silvia Gralla

    Bauherr des Hofs Friedberg war Gallus Jacob, zu Beginn des 18. Jahrhunderts Direktor der fürstbischöflichen Hofkammer – "eine Art Finanzminister", sagt Steidle. Nach dem Regierungsantritt von Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn 1719 musste Jacob sein Vermögen im heutigen Wert von 20 Millionen Euro herausrücken, um einem Prozess wegen Unterschlagung zu entgehen. Ohne diesen "Zuschuss" in die Staatskasse wäre die Residenz möglicherweise nie gebaut worden.

    Station 5: Rückermainhof, Karmelitenstraße 20

    Eines des prachtvollsten Häuser Würzburgs: Der Rückermainhof in der Karmelitenstraße.
    Eines des prachtvollsten Häuser Würzburgs: Der Rückermainhof in der Karmelitenstraße. Foto: Fabian Gebert

    Vorbei an der Marienkapelle, auf deren Turm Joseph Greissing einst eine Zwiebelkappe gesetzt haben soll (die jetzige, gotische Turmspitze ist viel jünger), geht es zum Rückermainhof in der Karmelitenstraße. Mit seiner gut 70 Meter langen Front und dem eindrucksvoll aufragenden Mittelbau gehört der ehemalige Verwaltungssitz des Ritterstifts St. Burkard zu den prachtvollsten Häusern Würzburgs. Typisch hier die ständig vor und zurück springende Wandgestaltung mit  rustizierten, also stark abgesetzten Fassadensteinen und einer überreichen Bauplastik mit Säulen, Giebeln, Pilastern, Ornament-Bändern und Heiligenfiguren. "Das ist eine Mauer des Triumphes", sagt Hans Steidle, "ganz großes Theater."

    Station 6: Neumünster

    Wer die Gestaltung Neumünster-Fassade verstehen will, muss relativ nah daran entlanggehen.
    Wer die Gestaltung Neumünster-Fassade verstehen will, muss relativ nah daran entlanggehen. Foto: Fabian Gebert

    An Balthasar Neumanns gelb-weißem Kaufhaus am Markt vorbei geht es Richtung Neumünster. Den heutigen Blick vom Schmalzmarkt auf die Kirche mit den Reliquien der drei Frankenapostel gab es früher nicht, die Fassade war dank enger Bebauung nur aus der Nähe und von der Seite aus zu sehen. Joseph Greissing gestaltete sie deshalb mit drei konkaven Feldern. Geht man an dieser Fassade entlang, bietet sich, ähnlich wie bei einer 3-D-Postkarte, alle paar Schritte ein neues Bild. Auch die Kuppel stammt von Greissing, sie ist am besten vom Lusamgärtchen und vom Kiliansplatz aus zu sehen.

    Station 7: Jesuitenkolleg, heute Priesterseminar, Domerschulstraße 18

    Hier lehrten einst die Jesuiten, heute ist die Domerschulstraße 18 Sitz des Priesterseminars.
    Hier lehrten einst die Jesuiten, heute ist die Domerschulstraße 18 Sitz des Priesterseminars. Foto: Fabian Gebert

    Wo heute das Priesterseminar untergebracht ist, lehrten einst die Vertreter des Eliteordens des Papstes, die Jesuiten. Die typische Greissing-Fassade strahlt durch und durch deren Standesbewusstsein aus, auch wenn die Statue des Ordensgründers Ignatius von Loyola inzwischen einer Christusfigur gewichen ist. Auch der Fürstbischof hat sich mehrfach verewigen lassen – mit seinem Wappen und mit den mythischen Wesen, die seiner Familie den Namen gaben: mit Greifen.

    Station 8: Pfarrkirche St. Peter und Paul

    Aus dem Schiff der barocken Kirche St. Peter und Paul ragen die Türme des Vorgängerbaus. Im Inneren ist davon nichts zu bemerken.
    Aus dem Schiff der barocken Kirche St. Peter und Paul ragen die Türme des Vorgängerbaus. Im Inneren ist davon nichts zu bemerken. Foto: Fabian Gebert

    Weiter geht es via Neubaukirche, mit deren Turmkuppel Joseph Greissing 1699, damals noch Stadtzimmermeister, seine erste Würzburger Meisterleistung ablieferte. Vor dem Abbiegen von der Neubaustraße in die Peterstraße geht der Blick zu den drei Barockhäusern, die im Volksmund immer noch "Greisinghäuser" heißen – obwohl ausgerechnet an ihnen Joseph Greissing nicht beteiligt war. Sie sind nur in seinem Stil verziert. Ziel der nächsten Etappe ist die Pfarrkirche St. Peter und Paul am Peterplatz, auch sie mit kühn geschwungener Fassade, diesmal konvex. Greissing hatte den Auftrag, die romanisch-gotische Kirche umzubauen, allerdings sollten Chor und Türme stehenblieben. Der Hofbaumeister entwarf ein lichtes Schiff mit umgehender Empore und machte die Türme kurzerhand zu Vierungspfeilern. Von außen sieht man, wie sie an ungewohnter Stelle durchs Dach stoßen, der Innenraum wirkt dagegen vollkommen harmonisch.

    Station 9 und Geheimtipp Nr. 3: Hof zum Heubarn, Sanderstraße 7

    Den Balkon tragen Atlanten: Der Hof zum Heubarn in der Sanderstraße 7
    Den Balkon tragen Atlanten: Der Hof zum Heubarn in der Sanderstraße 7 Foto: Fabian Gebert

    Auch das aufstrebende Würzburger Bürgertum beauftragte Joseph Greissing gerne. Denn er betrieb ein erfolgreiches Unternehmen, das – sehr innovativ – schlüsselfertig baute. Bauherr in der Sanderstraße 7 war der fürstbischöfliche Oberkriegskommissar Roman Urban Schropp. An der reich verzierten Fassade fällt der von Atlanten getragene Balkon auf, beim Blick durch den Torbogen ein Gartenportal - ohne Garten dahinter. "Eine Erinnerung daran, dass Würzburg auch eine Stadt der Gärten war, auch wenn davon kaum etwas übrig ist", sagt Hans Steidle.

    Joseph Greissing: Leben und WerkGeboren 1664 auf einem Bergbauernhof bei Bregenz in Österreich, war Joseph Greissing gelernter Zimmermann. Er reiste, wie damals üblich, als Mitglied eines Vorarlberger Bautrupps durch die Lande. In den Trupps waren alle Baugewerke vertreten, weswegen Greissing sich wohl früh zusätzliches Fachwissen aneignen konnte. 1699 wurde er Stadtzimmermeister in Würzburg und zwei Jahre später Antonio Petrinis Nachfolger als Hofbaumeister. Welche Städte er gesehen hatte, welche Bauten er kannte, bevor er in Würzburg ankam, ist schriftlich nicht belegt. "Zwischen seinem Eintrag ins Taufregister und seiner Einstellung als Stadtzimmermeister gibt es keine Dokumente", sagt Historiker und Stadtheimatpfleger Dr. Hans Steidle.Greissings Schaffenszeit fällt mit der Regierungszeit von Fürstbischof Johann Philipp II. von Greiffenclau (1699-1719) zusammen. Das erklärt auch, warum so viele seiner Bauten außerhalb Würzburgs entstanden: Die Entsendung des Hofbaumeisters ins Umland galt als Gunstbeweis des Fürstbischofs und war nicht zuletzt auch politische Geste, vor allem in Richtung Konkurrenz-Hochstift Bamberg.Einige Greissing-Werke außerhalb Würzburgs: Zisterzienserabtei Bronnbach (Main-Tauber-Kreis), Rathäuser Eibelstadt und Iphofen, Amtshaus (heute Landratsamt) in Bad Neustadt an der Saale, Amtshaus in Mainberg (Lkr. Schweinfurt),  Katholische Pfarrkirche in Kleinbardorf (Rhön-Grabfeld), Friesenhäuser Schloss (heute Rathaus) in Giebelstadt (Lkr. Würzburg), Katholisches Pfarrhaus in Ochsenfurt, Talkirche Münnerstadt; Pfarrkirchen in Kleinbardorf, Gereuth bei Friesenhausen, Goßmannsdorf und Ebern (Lkr. Haßberge), Bad Kissingen-Hausen, Steinbach bei Lohr; Schlösser in Elfershausen, Trappstadt, Burgpreppach, Birnfeld, Hohlach und Walkershofen bei Uffenheim; Schelfenhaus in Volkach.Quelle:  maw

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