Manchmal kann so etwas Banales wie eine nasse Hose zu einem Problem werden. Doch die Flüchtlinge, die in kleinen Booten an den Küsten der griechischen Inseln Lesbos, Kos, Samos oder Chios ankommen, sind so froh, heil übers Meer in die EU gelangt zu sein, dass sie sich über nasse Kleidung keine Gedanken machen. Manche legen die letzten Meter bis zum Strand im Wasser zurück. „Sie glauben, jetzt haben sie es geschafft“, sagt Vera Hoxha.
Die 37-jährige Würzburgerin war vor kurzem mit fünf anderen Helfern der „Mobilen Flüchtlingshilfe“ auf Chios. „Viele Flüchtlinge wissen aber nicht so genau, was dann noch vor ihnen liegt“, so Hoxha. Die Helfer wissen es. Deshalb versuchen sie, die Flüchtlinge dazu zu bringen, das Boot nicht vorzeitig zu verlassen. Denn trockene Kleidung ist in einem Flüchtlingscamp nicht selbstverständlich – bei Temperaturen um die Null Grad.
Die vielen Freiwilligen vor Ort versorgen die Ankommenden so gut es geht. Sie halten Ausschau nach Flüchtlingsbooten, verteilen trockene Kleidung und warmes Essen. Ohne die Freiwilligen aus aller Welt würde die Versorgung in manchen Camps wohl zusammenbrechen.
Auch Hoxha und die anderen Mitglieder der „Mobilen Flüchtlingshilfe“ aus Unterfranken tun, was sie können. Vier Teams haben in den vergangenen Wochen in Camps in Frankreich, Kroatien, Serbien und auf der griechischen Insel Chios mitgearbeitet. Das Geld dafür haben viele Würzburger und Schweinfurter gespendet. Die Helfer haben dennoch einen Teil ihrer Reisekosten selbst bezahlt. „Das sollte ja schließlich kein Abenteuerurlaub werden“, sagt Hoxha.
Auf Chios gibt es vier Camps, berichtet Hoxha. Bis zu 1500 Menschen kommen dort unter. Vergangene Woche seien es aber bis zu 2700 gewesen, weil das Fährpersonal gestreikt hätte. Die Flüchtlinge verlassen Chios nach ihrer Registrierung normalerweise gleich wieder: Manche kaufen einen Flug nach Athen, die meisten nehmen eine Fähre zum Festland. Sie wollen schnell weiter, bevor noch mehr Länder ihre Grenzen dichtmachen.
Die Stimmung in den Camps hat Hoxha als relativ entspannt erlebt. Im Januar hat sie eine Woche lang Essen und Kleidung verteilt und am Strand nach Booten Ausschau gehalten. „Die Helfer dürfen dort viel machen und werden nicht bei der Arbeit behindert.“ In anderen Camps entlang der Balkanroute sei das anders.
Auf Chios wird die Essensversorgung komplett durch Freiwillige organisiert und finanziert. Der Staat stelle nur Wasser, so Hoxha. Ein Helfer habe einen Essenswagen organisiert und koche täglich für Hunderte Menschen. Das Geld dafür komme von einer Spenderin aus der Schweiz.
Rettungswesten taugen nichts
Viele Dinge, die die Flüchtlingshelfer erlebt haben, sind erschreckend. Besonders schockiert war Hoxha über die Rettungswesten, die viele Flüchtlinge anhatten. „Das sind keine echten Rettungswesten, die sind nur nachgemacht“, sagt die 37-Jährige. „Wir haben alle Westen, die am Strand lagen, untersucht. Da waren nur gefälschte dabei.“ Die Helfer haben in eine Schwimmweste einen 20 Kilo schweren Stein eingebunden und ins Wasser geworfen. Das Gewicht hätte die Weste locker tragen müssen. Tat sie aber nicht.
Die Flüchtlinge in Griechenland sind größtenteils Syrer und Afghanen, erzählt Hoxha. „Es sind auch viele Familien mit vielen Kindern dabei.“ Ein kleiner Junge ist ihr besonders in Erinnerung geblieben. „Er war vielleicht drei oder vier Jahre alt und ist nur in Strümpfen über die Kieselsteine gelaufen.“ Er war ohne Eltern unterwegs. Hoxha forschte nach und fand heraus, dass die Eltern des Jungen bei einem Bombenangriff in Syrien gestorben sind. Der Junge war in Begleitung seines Onkels, der selbst noch drei kleine Jungen hatte. „Sie hatten alle keine richtigen Winterschuhe an. Aber ich habe so lange gesucht, bis ich für alle Kinder passende Schuhe und Socken hatte“, berichtet Hoxha und lächelt.
Anderen Flüchtlingen konnte sie nicht so gut helfen, wie sie es gerne getan hätte. „Bei der Kleiderausgabe mussten wir streng sein, weil nicht genug für alle da war“, sagt sie. „Nur wer wirklich nasse Sachen anhatte, bekam etwas Trockenes.“ Einen Mann, der seit 14 Tagen in den gleichen Klamotten steckte, musste sie abweisen. „Das tut mir jetzt noch leid“, so Hoxha. „Ich hätte ihm wenigstens eine saubere Unterhose geben können.“
Die Helfer planen im Februar neue Fahrten zu Flüchtlingscamps in Griechenland, Kroatien, Serbien, Slowenien und Frankreich. Das Team freut sich über Spenden. Mehr Infos auf der Facebook-Seite „Mobile Flüchtlingshilfe“.