Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber hatte es im November 2022 bereits angekündigt: Das Jobcenter will sich nicht mit einem Urteil abfinden, mit dem das Amtsgericht Würzburg Klagen des Jobcenters (gemeinsame Einrichtung der Stadt und der Bundesagentur für Arbeit) gegen einen Würzburger Vermieter abgewiesen hat. Dabei war es um Vorwürfe gegangen, nach denen der Vermieter seit Jahren systematisch und im großen Stil Mieten beim Jobcenter falsch abgerechnet haben soll.
Verstoß gegen die Mietpreisbremse und Mietwucher lauten die Vorwürfe in den drei Verfahren der Berufungsverhandlung, die am Mittwoch vor dem Landgericht Würzburg verhandelt wurden. Konkret geht es um drei Wohnungen, deren Mietbescheinigungen höhere Quadratmeteranzahlen aufweisen, als es tatsächlich der Fall sein soll.
Mit Urteil vom 7. November hat das Gericht die Klagen als unbegründet abgewiesen
Zum Hintergrund: Im März 2022 hatte diese Redaktion über den Würzburger Vermieter berichtet. Der Mann, damals Besitzer von 14 Häusern, hatte dem Jobcenter offenbar mehrfach zu hohe Quadratmeterzahlen von Wohnungen für Sozialhilfeempfänger mitgeteilt.
Nach der Berichterstattung erstattete die Stadt Würzburg Strafanzeige. Die Ermittlungen dazu dauern noch an, teilt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Aus ermittlungstaktischen Gründen seien derzeit keine weiteren Auskünfte möglich.

Davon unabhängig reichte das Jobcenter Würzburg Zivilklagen ein. Das Jobcenter verklagte den Vermieter und beantragte die Rückzahlung überzahlter Mieten für zwei Wohnungen. Mit Urteil vom 7. November 2022 hat das Amtsgericht die Klagen als unbegründet abgewiesen. Im Mietvertrag sei von der Quadratmeterzahl keine Rede gewesen, heißt es. Zwischen den Vertragspartnern habe es also keine schriftliche Vereinbarung über die Wohnfläche gegeben.
Vermieter und Verwalter geben falsche Quadratmeterangaben offen zu
Nun ging es zweitinstanzlich vor dem Landgericht um die Vorwürfe Verstoß gegen die Mietpreisbremse, Mietwucher und Betrug. Mietpreisbremse bedeutet, dass – mit Ausnahmen – bei Neuvermietung der Mietzins nur zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Von Mietwucher wiederum wird gesprochen, wenn die verlangte Miete mehr als 150 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt.

Das Jobcenter Würzburg durfte für Wohnungen (Stand 2021) bis 30 Quadratmeter bisher maximal 13 Euro pro Quadratmeter zahlen. Seit Januar 2023 wurde der Betrag auf 16,20 Euro erhöht. Ein Mitarbeiter des Jobcenters, der als Zuhörer anwesend war, erklärte auf Nachfrage des Richters, dass diese Beträge die Stadt Würzburg festlege. "Wir bekommen die Anweisung vom Sozialreferat. Wir vollziehen nur."
Für diese festgelegten Beträge des Jobcenters wären die Wohnungen des Vermieters zu teuer. Deshalb wurden in den Mietbescheinigungen mit Absicht falsche Quadratmeterangaben gemacht, um den Quadratmeterpreis zu verringern. Das geben Vermieter und Verwalter offen zu. "Mein Fokus liegt darauf, jedem eine Chance zu geben", erklärt der Verwalter. Er habe ein "sehr gemischtes Mieterklientel". 15 bis 20 Prozent der Mieterinnen und Mieter seien Sozialhilfeempfänger.
Hat das Jobcenter von den Falschangaben gewusst? Das behaupten Vermieter und Verwalter
Der Vermieter beharrt darauf, dass das Jobcenter über die falschen Quadratmeterangaben Bescheid wusste: "Das ist ein offenes Geheimnis." Sein Verwalter geht noch weiter. Seit 2017 arbeitet er in Festanstellung für den Vermieter, 325 Würzburger Wohnungen verwaltet er dabei. "Das Jobcenter hat mir gesagt, ich soll mehr Quadratmeter angeben. Es sei froh, wenn seine Mandanten überhaupt eine Wohnung bekommen. Das prüfe eh keiner nach", erklärte der 40-Jährige im Zeugenstand.
"Zwei bis vier Mal" hätten verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters dies ihm gegenüber in Telefongesprächen gesagt. An Einzelheiten, wann die Telefonate stattgefunden haben, wie die Personen hießen und um welche Wohnungen es sich dabei handelte, daran könne er sich jedoch nicht mehr erinnern.
Main-Post-Quelle hatte 2022 berichtet, dass das Jobcenter von falschen Angaben gewusst habe
Er habe auch in den Jahren danach falsche Quadratmeterangaben auf die Mietbescheinigungen geschrieben, sagte der Verwalter vor dem Landgericht. Irgendwann unterbrach ihn der Richter: Er solle als Zeuge nicht weiter aussagen, er könne sich sonst strafbar machen.
Bereits im Oktober 2022 berichtete diese Redaktion über eine ehemals beim Jobcenter beschäftigte Person. Man habe beim Jobcenter Bescheid gewusst, dass der Vermieter falsche Quadratmeter angebe und es sei auch aufgefallen, wenn die Mieten immer genau so berechnet waren, dass sie vom Jobcenter noch getragen wurden, sagte die Person, die anonym bleiben möchte.
Man müsse die Rolle des Jobcenters verstehen, hieß es in der an Eides statt versicherten Aussage der Person weiter: Der sozialverträgliche Wohnungsmarkt in Würzburg sei sehr angespannt und dadurch sei die Situation für die Jobcenter sehr schwierig. "Man will den Wohnungssuchenden die Wohnung nicht verwehren, wenn sie endlich eine gefunden haben und ein einzelner Mitarbeiter kann da auch nichts tun."
Jobcenter-Anwalt: Das Amt hat keine Kenntnis von falschen Quadratmeterangaben
Es steht Aussage gegen Aussage. Rechtsanwalt Tobias Beckmann aus Hamburg vertritt die Stadt Würzburg in der Sache. Er habe keine Hinweise darüber, dass Mitarbeitende des Jobcenters von den falschen Quadratmeterangaben wussten, erklärte er. "Das ist kein offenes Geheimnis." Er habe mehrere Gespräche mit dem Jobcenter geführt, dabei hätte niemand behauptet, davon gewusst zu haben.
Anwalt Beckmann soll nun die sogenannten Richtlinien für die Erbringung der Kosten der Unterkunft in der Stadt Würzburg dem Richter nachreichen. Anschließend soll ein Sachverständiger die genauen Quadratmetergrößen in den Wohnungen messen.