Für Ärger, Verunsicherung und jede Menge Unverständnis sorgt die Antikorruptionsinitiative der Stadt Würzburg. Diese untersagt allen städtischen Bediensteten die Annahme von Geldgeschenken. Der Aufreger dabei: Damit ist auch das traditionelle „Neujährchen“, ein kleines bares Dankeschön für Dienstleister wie die Männer von der Müllabfuhr, erstmals verboten. Das bringt viele Bürger, die sich bedanken und nicht bestechen wollen ebenso auf die Palme wie die Müllmänner selbst. Diese haben, so ist zu hören, vor lauter Verärgerung heuer die Weihnachtsfeier sausen lassen.
Dieses „Trinkgeld“ an die Stadtreiniger sei zwar eine „gut gemeinte Absicht“, schreibt die Stadt in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig bittet sie die Bürger aber, auf Geldgeschenke zu verzichten. Denn die seit Mai geltende Regelung schütze die Betroffenen sowie das Ansehen der städtischen Dienststellen und verhindere „schon im Ansatz ungewollte Entwicklungen“.
Bislang sah das anders aus. Noch vor zwei Jahren hatte Wolfgang Kleiner, Kommunal- und Umweltreferent der Stadt Würzburg und Werkleiter der Stadtreiniger erklärt, dass die Müllmänner eine schwere Arbeit bei Wind und Wetter leisteten. „Es ist daher schön, wenn ihre Leistung von den Bürgern anerkannt wird und sie Kleinigkeiten bekommen“, so Kleiner seinerzeit. Er gehe davon aus, dass sie Geschenke zurückweisen, wenn die vereinbarte 20-Euro-Grenze überschritten werde. „So viel Vertrauen sollte man seinen Mitarbeitern entgegenbringen.“
Präventive Regelung
Von Vertrauen ist in der 17-seitigen Dienstanweisung zur Korruptionsprävention indes weniger zu lesen als vielmehr von Verbot und Verdacht. Rathaussprecher Georg Wagenbrenner betont derweil, dass die Einführung der Regelung präventiv sei und nicht auf Bestechlichkeitsvorfällen beruhe. Zudem sei eine „Geste des Dankeschöns“ an städtische Mitarbeiter nach wie vor möglich in Form geringer Aufmerksamkeiten wie Kalender, Kugelschreiber oder Bocksbeutel bis zu einem Wert von 20 Euro im Jahr.
Ein betroffener Müllmann (Name der Redaktion bekannt) hält das Bargeldverbot für überzogen. Häufig müssten seine Kollegen und er in diesen Tagen Kuverts oder Geldscheine zurückweisen, was viele Bürger nicht verstünden. „Manche Leute freuen sich einfach, wenn wir pünktlich unsere Arbeit machen oder auch mal klingeln, weil statt der grauen Restmüll- die blaue Papiertonne rausgestellt wurde.“ Es sei selbstverständlich, dass sich die Müllmänner nicht bestechen ließen. Die Truppe sei so verärgert, dass man auf die Weihnachtsfeier verzichtet habe. „Da schwingen dann die Herren schöne Reden und gönnen uns nicht mal fünf Euro Trinkgeld“, sei der Tenor.
Bei den Nachbarkollegen der Würzburger Müllmänner vom Team Orange des Landkreises ist dies nicht der Fall: Geschenke und Bargeld bis zu 50 Euro dürften die Bediensteten annehmen, sagt Alexander Schraml, Vorstand des Kommunalunternehmen des Landkreises. Das Geld wandere allerdings nicht in die eigene Tasche, sondern in eine gemeinsame Personalkasse – zur Finanzierung gemeinsamer Aktivitäten wie Betriebsausflüge oder Grillfeiern. Diese Regelung, die in ähnlicher Form auch für Kliniken und Altenheime des Landkreises gilt, wurde laut Schraml mit den Betriebsräten vereinbart: „Sie funktioniert und wird akzeptiert.“
Auch Brief- und Zeitungsausträger werden häufig am Jahresende mit einem Trinkgeld belohnt. Die Verantwortlichen sehen das locker. „Wir haben keine besonderen Regelungen und gehen davon aus, dass Sach- wie Geldgeschenke den Wert von 25 Euro nicht übersteigen. Da gab's auch noch nie Probleme“, sagt Thomas Kutsch von der Pressestelle der Deutschen Post.
Etliche Kuverts für die Zeitungszusteller trudeln derzeit bei der Main-Post ein. „Die werden ungeöffnet an unsere Träger weitergegeben“, erklärt Hans-Joachim Eberlein von der Verlagslogistik. Viele Leser überreichten ihr „Neujährle“ auch persönlich. Regelungsbedarf gebe es keinen, zumal es für die ganze Firma schön sei, wenn die Kunden mit dem Service zufrieden sind.
Dass das Trinkgeldverbot der Stadt auch bei vielen Bürgern auf Unverständnis stößt, zeigt auch das Internetforum der Main-Post. Leser bemängeln, dass der gesunde Menschenverstand offenbar durch Anweisungen ersetzt werde. Zudem werde mit der Regelung unterstellt, Müllmänner seien korrupt, während „Freikartenbesitzer aus den Chefetagen weiterhin zu Schoppen und gutem Essen eingeladen werden dürfen“, so eine Kritik.
„In den oberen Etagen kommen genug Weihnachtsgeschenke an, aber der Mann, der in der Kälte arbeitet, soll nichts bekommen?“, fragt sich Leser Roland Landes aus Hettstadt. Er gibt dem Postboten, Zeitungsausträger und den Müllmännern fünf Euro als Dankeschön: „Das ist doch keine Bestechung!“ Dass die Abfallentsorger ohnehin unbestechlich sind, hat dieser Tage ein Leser im Landkreis Kitzingen erlebt. Er wollte zwei zusätzliche Säcke Müll entsorgt haben und stellte zwei Flaschen Bier daneben. Diese hätten die Müllmänner mitgenommen, die Säcke nicht.
Stimmen aus den Landkreisen
Stellungnahme des Landkreises Main-Spessart, in dem die Firma Kirsch in Gemünden den Müll einsammelt: „Grundsätzlich darf überhaupt nichts angenommen werden. Niemand aber sagt etwas, wenn einem Mitarbeiter von einem Bürger eine Flasche Wein verehrt wird. Die Geschenke dürfen aber nicht über den Wert eines Bocksbeutels oder Kalenders hinausgehen.“
Bei der Hamburger Firma Veolia, die im Landkreis Kitzingen für die Abfallentsorgung verantwortlich ist, ist die Praxis so: „Unseren Mitarbeitern ist es grundsätzlich untersagt, von Kunden oder Lieferanten Geschenke, Geld oder andere Zuwendungen anzunehmen. Eine Ausnahme sind Geschenke als Dankeschön bei Ostern und Weihnachten. Allerdings dürfen diese Geschenke einen Wert von etwa zehn Euro pro Haushalt nicht überschreiten.“