Es war eine Frage der Zeit, bis das in China ausgebrochene, neuartige Coronavirus Deutschland erreicht. Am späten Montagabend hat das bayerische Gesundheitsministerium bestätigt, dass sich ein Mann aus dem Landkreis Starnberg mit dem Coronavirus infiziert hat. Der Patient befindet sich nach Angaben der "Task Force Infektiologie" des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) klinisch in einem guten Zustand, teilt das Ministerium weiter mit. Er werde medizinisch überwacht und ist isoliert.
Darüber hinaus heißt es, die engen Kontaktpersonen würden ausführlich aufgeklärt und über mögliche Symptome, Hygienemaßnahmen und Übertragungswege informiert. Das Risiko für die Bevölkerung in Bayern, sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, werde derzeit als gering erachtet.
Der Patient hat sich bei einem chinesischen Gast seiner Firma angesteckt. Die Frau aus China sei zu einer Fortbildung bei der Firma Webasto im Landkreis Starnberg in Oberbayern gewesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Gesundheitsbehörden.
Bisherige Verdachtsfälle hatten sich nicht bestätigt. Auch bei einem Patient aus Bayern, der in der vergangenen Woche überprüft wurde, war der Befund laut Gesundheitsministerium noch negativ. Dass aber die Wahrscheinlichkeit von Fällen in Deutschland steigen würde, sagte Tropenmediziner Professor August Stich, Chefarzt an der Missio-Klinik unter dem Dach des Klinikums Würzburg Mitte, am Montag gegenüber dieser Redaktion.
Stich hofft, dass alle Krankenhäuser mit Notfallversorgung nun - wie am "Missio" geschehen - Vorkehrungen für einen möglichen Ausbruch und den Umgang mit der Lungenkrankheit treffen. Im Verdachtsfall gelte: sofortiger Mundschutz für den Patienten, Selbstschutz für Ärzte und Pflegepersonal sowie eine isolierte Unterbringung.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht auch nach dem Bekanntwerden des ersten Coronavirus-Falls Deutschland gut gerüstet. Der Fall in Bayern zeige, dass man gut vorbereitet sei, erklärte der CDU-Politiker am Dienstag. "Die Gefahr für die Gesundheit der Menschen in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung aus China bleibt nach Einschätzung des RKI (Robert Koch-Instituts) weiterhin gering." Es sei zu erwarten gewesen, dass das Virus auch Deutschland erreiche.

Die Besorgnis in der Bevölkerung ist groß, auch in Unterfranken. Kleinere Krankenhäuser und Lungenärzte überweisen Patienten mit unklaren Lungensymptomen ans Würzburger Tropeninstitut, wo man auf Reisemedizin spezialisiert ist. Dazu kommen derzeit jede Menge telefonische oder schriftliche Anfragen. Allein am Montag wurden bis zum Nachmittag erneut fünf Patienten vorstellig, die zuletzt in China und anderen asiatischen Ländern unterwegs gewesen waren. Der Chefarzt konnte bei den Betreffenden Entwarnung geben. Stich ist für das Berliner Robert-Koch-Institut an der Ausarbeitung von Plänen für die Erkennung und Behandlung der neuen Virus-Krankheit beteiligt.
Influenza-Pandemieplan muss angepasst werden
Nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist Deutschland gut auf das Coronavirus vorbereitet. "Wir müssen wachsam sein, es besteht jedoch kein Grund zur Panik", sagte DRK-Generalsekretär Christian Reuter am Montag. Er verwies auf den vom RKI und den Bundesländern vorbereiteten Pandemieplan. Er werde mit Blick auf das Coronavirus aktuell noch nicht umgesetzt.

Doch die Situation kann sich rasch ändern. Der genannte nationale Pandemieplan indes betrifft - neben einem Rahmenplan für Pocken - nur die Influenza, also eine Grippe-Epidemie. Für das neue Coronavirus müsste er von Ministerien und obersten Gesundheitsbehörden erst angepasst werden. So scheidet etwa eine Impfkampagne aus, weil man über das Virus noch zu wenig weiß und es keinen Impfstoff gibt. Allerdings könne man aus den Erfahrungen im Umgang mit bekannten Infektionskrankheiten einiges für das Coronavirus ableiten, ist Stich überzeugt.
In China ist die Zahl der Toten nach Angaben der Behörden mittlerweile auf über 100 gestiegen, die Zahl der bestätigten Infektionen weltweit ist nach Informationen der Deutschen Presseagentur auf 4500 nach oben geschnellt.
Erste China-Stopps unterfränkischer Unternehmen
Betroffen sind inzwischen auch unterfränkische Unternehmen mit Werken und Geschäftsbeziehungen in China. Der Automobilzulieferer ZF mit Niederlassung in Schweinfurt macht derzeit keine Geschäftsreisen nach China. Dies gelte bis zur einer Entwarnung in Sachen Corona, so ein ZF-Sprecher. Auch Automobilzulieferer Preh aus Bad Neustadt/Saale, Tochter des chinesischen Konzerns Joyson Electronics, hat vorerst alle Flüge nach China gestoppt. Bei Schaeffler in Herzogenaurach gilt ein China-Reiseverbot für Mitarbeiter zunächst bis 15. Februar.
Dagegen zeigt man sich bei der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt noch gelassen: Bis Montag war bei der IHK kein Unternehmen in Mainfranken bekannt, das aufgrund des Virus' China-Reisen verschoben oder abgesagt hätte. Ähnlich ist die Auskunft von Michael Bischof, unterfränkischer Geschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft.
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