Ihre lange Karriere als Bundestagsabgeordnete hat Grünen-Politikerin Renate Künast in dieser Woche beendet, ihren Rechtsstreit gegen die Verbreitung von Falschzitaten in den sozialen Medien führt sie unvermindert weiter. Unter anderem mit Unterstützung von HateAid, der Hilfsorganisation gegen Hass und Hetze im Netz, sowie ihres Würzburger Anwalts Chan-jo Jun.
Jetzt ist Künast ein Fall für das oberste deutsche Gericht: Am kommenden Dienstag wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe über die beiden Revisionen gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom Januar 2024 entscheiden. Sowohl Künast als auch Meta, der Facebook-Mutterkonzern, hatten dagegen Rechtsmittel eingelegt.

Das OLG hatte die Rechtsauffassung von Künast und Jun weitestgehend bestätigt. Demnach sind Plattformbetreiber wie Facebook verpflichtet, einmal gemeldete, rechtswidrige Beiträge - und "sinngleiche" Kopien - proaktiv selbst aufzuspüren und dauerhaft zu löschen.
Das Renate Künast zugeschriebene Zitat ist erfunden
Konkret wehrt sich die ehemalige Bundesministerin gegen sogenannte Memes, also Wort-Bild-Montagen, die ein Bild von ihr in Verbindung mit dem erfundenen Zitat "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!" zeigen. Wegen dieses Fakes war die Politikerin immer wieder Anfeindungen in den sozialen Medien ausgesetzt.
Dass Künast nie eine solche Äußerung getätigt hat, bestreitet auch der Meta-Konzern nicht. Das Unternehmen hält es aber für nicht zumutbar, neben den von der Politikerin gemeldeten - und anschließend entfernten - Posts auf Facebook auch nach sämtlichen sinngleichen Kopien des Fakes zu suchen. Dabei handelt es sich unter anderem um Varianten mit abgewandeltem Layout, mit im Hintergrund veränderten Pixel-Strukturen oder mit zusätzlichen beleidigenden Kommentaren. Rein automatisierte Verfahren reichten für diese Überprüfung nicht aus.

Laut einer Pressemitteilung des BGH hält Meta weiter an seiner Rechtsauffassung fest. Der Konzern fordert, Künasts Klage vollständig abzuweisen - und hat deshalb das oberste deutsche Gericht eingeschaltet. Künast wiederum möchte, dass die OLG-Entscheidung aufgehoben wird. Aus ihrer Sicht soll der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Frankfurt aus der ersten Instanz vom April 2022 bestätigen.
Grünen-Politikerin möchte Schmerzensgeld
Die Richter am Landgericht hatten Meta damals - neben der Verpflichtung, konsequent zu löschen - auferlegt, der Grünen-Politikerin wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu zahlen. Das OLG wies diese Forderung zurück.

Wie immer das Verfahren jetzt ausgeht: Künasts Anwalt Chan-jo Jun erwartet in Karlsruhe eine "wegweisende Entscheidung" im Kampf gegen Rechtsverstöße im Internet. Er sei zuversichtlich, dass die BGH-Richter das Urteil aus den Vorinstanzen bestätigen, sagt der Würzburger Jurist auf Nachfrage.
Es sei aber nicht ganz auszuschließen, dass der BGH das Verfahren nach der Verhandlung am Dienstag noch einmal für eine endgültige Entscheidung weiterreicht: an den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Schließlich gelte im Umgang mit Rechtsverletzungen im Netz mittlerweile vor allem europäisches Recht, sagt der Anwalt.