Die drei Geschäftsführer einer mutmaßlich betrügerischen Rohrreinigungsfirma aus dem hessischen Heuchelheim sitzen seit Mitte November in Untersuchungshaft. Dies hat Volker Bützler, der stellvertretende Sprecher der Staatsanwaltschaft Gießen, dieser Redaktion auf Anfrage bestätigt. „Gegen die Firma liegen weit über hundert Anzeigen aus verschiedenen Bundesländern wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs vor“, so Sprecher Bützler weiter.
Den drei Geschäftsführern – drei Brüder – wirft die Staatsanwaltschaft vor, ihren Kunden weit überhöhte Rechnungen gestellt zu haben sowie nicht bestellte und nicht geleistete Arbeiten abgerechnet zu haben und teilweise Kunden eingeschüchtert zu haben. Die Anzeigen gegen die drei Brüder werden, so die Staatsanwaltschaft, in einem Sammelverfahren behandelt.
Den Namen der mutmaßlich betrügerischen Firma darf der Sprecher der Gießener Staatsanwaltschaft öffentlich nicht nennen, „sonst handelt es sich um Vorverurteilung“. Bützler bestätigt aber, dass die Rohrreinigungsfirma aus Heuchelheim unter verschiedenen Namen agiert. Über die mutmaßlich betrügerischen Praktiken und die Horror-Rechnungen einer Rohrreinigungsfirma aus dem hessischen Heuchelheim hat diese Redaktion in letzter Zeit mehrfach berichtet. Denn auch in Unterfranken hatte die Firma Kunden.
In einem Fall hatten Monteure der hessischen Firma einer 81-jährigen Würzburgerin eine Rechnung über 841 Euro für eine simple Rohrreinigung präsentiert und sofortige Barzahlung verlangt. Nach Einschätzung des Obermeisters der Würzburger Sanitär-, Heizungs- und Klempner-Innung, Franz Fuchs, der die Rechnung einsah, wurden dabei Arbeiten mehrfach verrechnet. In einem weiteren unterfränkischen Fall hatten Monteure der Firma einer 89-jährigen Seniorin aus Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) eine „Grundsanierung“ ihres Abflusssystems für weit über 3000 Euro angeboten. Als die Seniorin aufgeregt zu ihrer Sparkasse lief, um das Geld abzuheben, witterte der Angestellte Unheil. Er alarmierte die Polizei, die ein Strafverfahren wegen versuchten Betrugs einleitete. Insgesamt liegen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Würzburg gegen die Firma laut Sprecherauskunft mindestens zwei Strafanzeigen vor.
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Auf unsere Berichte über die mutmaßlich betrügerische Rohrreinigungsfirma hin haben sich in der Redaktion etliche Leser gemeldet, die angegeben haben, ebenfalls Opfer der Firma geworden zu sein, aber keine Anzeige erstattet zu haben. Unter ihnen ist die Würzburgerin Suse L. (Name der Redaktion bekannt), die der Redaktion ihre Rechnung in Kopie hat zukommen lassen. Wie im Fall der 81-jährigen Würzburgerin wurden bei Suse L. nach der Behebung einer Rohrverstopfung nicht nur die Rohrreinigung nach laufenden Metern berechnet, sondern zusätzlich noch die Arbeitsleistungen der Monteure sowie eine angebliche „Grundreinigung“.
Suse L. bezahlte 510 Euro in bar. „Ich erinnere mich sehr gut an die Firma“, berichtet sie. Deren Monteure hätten ihr auf ihre Bitte hin, die Rechnungssumme überweisen zu dürfen, bedeutet, sie gingen erst weg, wenn sie das Geld bar auf die Hand erhalten hätten. „Einer der Monteure hat mir gesagt, in einem Ton, der mir Angst gemacht hat: 'Wir kennen ja jetzt Ihre Adresse'.“ Die Verstopfung hätten die Monteure übrigens nicht beseitigt; dafür habe sie dann eine andere Firma kommen lassen müssen.
Wie der „Gießener Anzeiger“ berichtet, hat die polizeiliche Aktion gegen die Rohrreinigungsfirma in Heuchelheim in dem kleinen hessischen Ort mit rund 8000 Einwohnern einiges Aufsehen erregt. Polizeikräfte seien am 16. November gleichzeitig an mehreren Objekten in Heuchelheim und Gießen angerückt, um dort Geschäfts- und Privaträume zu durchsuchen. Laut dem Blatt sind bei der Aktion die drei Geschäftsführer festgenommen worden. „Umfangreiches Beweismittel“ sei sichergestellt worden. Dass die Behörden „endlich mal“ gegen diese Heuchelheimer Firma ermittelt hätten, sei längst überfällig gewesen, sagt gegenüber dieser Redaktion Ralph Sluke, der Geschäftsführer des Deutschen Fach-Verbands der Rohr- und Kanal-Technik-Unternehmen (VRKT). „Solch ein Unternehmen bringt ja die ganze Branche in Verruf.“
Der Imageschaden, den die mutmaßlich betrügerische Firma in den vergangenen Jahren im ganzen Bundesgebiet angerichtet habe, sei immens. Bezugnehmend auf die „weit über hundert Anzeigen“, die laut Gießener Staatsanwaltschaft gegen das Unternehmen vorliegen, meint Sluke, dass die Dunkelziffer noch viel höher sei, womöglich in die Tausende gehe. Denn die wenigsten Opfer gingen zur Polizei und stellten tatsächlich Strafanzeige. Das habe er im Gespräch mit Kunden erfahren.
Dass die mutmaßlich betrügerische Firma nicht in den Fachverband aufgenommen werden musste, liegt am Würzburger Rechtsanwalt Stephan Jäger. Wie Jäger gegenüber dieser Redaktion bestätigt, hat die Heuchelheimer Firma im Februar dieses Jahres um Aufnahme in den Fachverband nachgesucht. Als der Verbandsvorstand dieses Ansinnen ablehnte, drohte die Heuchelheimer Firma mit einer Klage und der Meldung bei der zuständigen Kartellbehörde. „Diesseits wird dem gelassen entgegengesehen“, antwortete Jäger im Auftrag des Fachverbands. Mit dem Argument, dass der VRKT keineswegs der einzige Berufsverband für Rohrreiniger sei und deshalb keine Aufnahmepflicht bestehe, erreichte Jäger, dass der VRKT dem Ansinnen der Heuchelheimer nicht nachgeben musste.
Der Heuchelheimer Firma wird nicht nur banden- und gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen, sondern auch die Verwendung irreführender Ortsnetzrufnummern. Für den berichteten Würzburger Fall ist dies belegt. Täuscht eine Firma in Werbeanzeigen vor, dass sie ein ortsansässiges Unternehmen sei, ist dies allerdings nicht ein Fall für Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern Sache der Bundesnetzagentur. Diese vergibt Rufnummern an Firmen.
Mit Blick speziell auf ein „namentlich nicht zu nennendes, aber bundesweit agierendes Rohr- und Kanalreinigungsunternehmen“ bestätigt der Sprecher der Bundesnetzagentur, Michael Reifenberg, dass allein in diesem Jahr 300 Rufnummern abgeschaltet wurden. „Mit Hilfe der abgeschalteten Ortsnetzrufnummern wurde in Werbeanzeigen vorgetäuscht, dass der Anbieter ein vor Ort ansässiges Unternehmen für Rohr- und Kanalreinigungsarbeiten sei.
Die abgeschalteten Nummern gaben eine Ortsnähe aber nur vor. „Tatsächlich wurde eine Rufweiterleitung an den Sitz des Unternehmens verwendet“, heißt es in einer Pressemitteilung der Behörde. Auf die Frage, ob ein Unternehmen, das bereits in großem Stil irreführende Ortsnetzrufnummern verwendet habe, neue Nummern zugeteilt bekomme, sagt Sprecher Reifenberg: „Ja. Da kann man nichts tun.“
Der Bitte dieser Redaktion, mit der aktuellen Geschäftsführung des Heuchelheimer Unternehmens zu sprechen, um eine Stellungnahme zu bekommen, hat die Firma nicht entsprochen.
Verdachtsberichterstattung und Namensnennung Manch ein Leser dürfte sich verwundert die Augen reiben und fragen: „Warum hat diese Redaktion in der vergangenen Woche den vollen Namen einer mutmaßlich betrügerisch agierenden Firma genannt und tut es jetzt nicht mehr?“ Die Antwort gibt Rechtsanwalt Malte Nieschalk von der Kanzlei Weberling in Berlin, die diese Redaktion in Presserechtsfragen berät. „Wegen der Gefahr der öffentlichen Vorverurteilung darf über einen Verdacht nur dann berichtet werden, wenn an der Information ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit besteht. Dies ist regelmäßig nur bei schwerer oder in anderer Weise hervorstechender Kriminalität der Fall“, so Nieschalk. Da sich ein Verdacht im Zuge der Ermittlungen immer auch als falsch herausstellen könne, dürfe die Berichterstattung nicht den Eindruck erwecken, der Betroffene sei schon überführt. Nieschalk führt aus, dass dies der Grund ist, warum Medien auf Bezeichnungen wie „mutmaßlich“ zurückgreifen müssen. Nieschalk erklärt, dass ein verurteilter Täter es dulden muss, dass „das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in freier Kommunikation auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird“. Für den noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten gilt dies aber nicht in gleicher Weise. Die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung gebiete eine entsprechende Zurückhaltung. grr