„Tut uns Leid, wir können Sie nicht behandeln“, habe es geheißen, und weiter: Man nehme aus den Reihen der gesetzlich Versicherten nur noch AOK-Mitglieder auf, berichtet die Leserin.
Ungläubig habe sie noch einmal nachgefragt: „Wenn die Kinder also bei der AOK wären, würden Sie sie nehmen?“ Die Antwort blieb unverändert eindeutig, schildert die Frau, deren Kinder bei der KKH-Allianz versichert sind.
Markert hat die beiden einjährigen und sechsjährigen Kinder inzwischen bei einem anderen Kinderarzt in Behandlung. Sie will aber die Situation aus der Praxis zuvor nicht verstehen – erst recht nicht, weil sie von ihrer eigenen Krankenkasse dorthin empfohlen worden war. Wenn man sie mit dem Argument abgewiesen hätte, die Praxis sei überfüllt, hätte ihr das eher eingeleuchtet, sagt sie.
Bei der AOK-Direktion Würzburg bestätigt Pressesprecher Hans-Joachim Scheller, dass die AOK Bayern einen speziellen Kinderarzt-Tarif mit dem Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte abgeschlossen hat. Es sei ausdrücklicher Wunsch des Gesetzgebers, solche Verträge zur integrierten Versorgung zwischen einzelnen Krankenkassen und Leistungserbringern zu schließen. Der Arzt müsse erweiterte Leistungen zur Vorsorge und Früherkennung bieten, darüber hinaus verkürzte Wartezeiten und Abendsprechstunden für berufstätige Eltern. Er werde dafür „etwas besser bezahlt“ als von anderen Kassen, die solche Verträge nicht anbieten.
Die KKH-Allianz indes erklärt, Vertragsärzte müssten gesetzlich Krankenversicherte, die sich durch Vorlage einer Krankenversichertenkarte legitimiert haben, ausnahmslos behandeln. „Ob und inwieweit andere Einzelverträge mit anderen Krankenkassen bestehen, ist davon unabhängig“, so ein Sprecher. Sollte tatsächlich auf eine andere Kasse verwiesen werden, „die ein vermeintlich besseres Angebot hat“, stelle dies „einen groben Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht“ dar.
An Vertragsarzt-Pflichten, das heißt die Behandlungspflicht gegenüber allen gesetzlich Versicherten, erinnert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bayerns die Ärzte mit kassenärztlicher Zulassung. Die Zusage der KV an den Arzt, gesetzlich Versicherte behandeln zu dürfen, schließe auch eine Behandlungspflicht ein, so KV-Pressesprecherin Kirsten Warweg.
„Ärzte mit kassenärztlicher Zulassung unterliegen einer Behandlungspflicht.“
Kirsten Warweg Kassenärztliche Vereinigung
Ausnahmen gebe es dann, wenn der Arzt zum Beispiel wegen Überfüllung der Praxis völlig überfordert sei. Aber auch dann stehe es ihm nicht zu, nach Kassenzugehörigkeit zu selektieren. Auch dürfe der Arzt abweisen, wenn das persönliche Verhältnis zum Patienten gestört sei. Doch ein solches hatte bei Heike Markert noch überhaupt nicht eingesetzt.
Verunsicherte Patienten können sich an die Infoline der KV (siehe unten) wenden. Konsequenzen für den Arzt seien in Wiederholungsfällen nicht auszuschließen, so Pressesprecherin Warweg.
In einem anderen Licht betrachtet Dr. Christian Potrawa die Dinge. Er ist selbst niedergelassener Arzt und Vorsitzender im Ärztlichen Kreis- und Bezirksverband, der Standesorganisation der Ärzte. Ein Arzt habe zwar eine Behandlungspflicht im Notfall, aber nicht die Verpflichtung, Patienten aufzunehmen. Viele Praxen seien überfüllt, und ab einer gewissen Grenze würden höhere Patientenzahlen sogar zu Abschlägen bei der Bezahlung führen, argumentiert er. Die Politik gebe solche Rahmenbedingungen vor. Um sie zu ändern, rät er: „Wenden Sie sich an Ihren Abgeordneten!“
Aus der betreffenden Arztpraxis, in der man Heike Markerts Kinder nicht als Patienten annahm, erhielt die Redaktion eine Stellungnahme. Grundsätzlich habe die Praxis wegen Erreichen der von der kassenärztlichen Vereinigung festgelegten Obergrenze im Bereich der gesetzlich krankenversicherten Patienten einen Aufnahmestopp. Mit anderen Worten: Sie ist für Kassenpatienten überfüllt. Der besagte Kinderarzt-Vertrag der AOK sei ebenso wie der Hausarzt-Vertrag der AOK in der Erwachsenenmedizin an einen Vertrag geknüpft, der aus dem üblichen Abrechnungsmodus für die Ärzte ausgegliedert sei. Daher können eigentlich überfüllte Arztpraxen diese in den Kinderärztevertrag oder Hausärztevertrag freiwillig eingeschriebenen Patienten noch annehmen.
„Die Teilnahme am sogenannten Pädiatrie zentrierten Vertrag beziehungsweise Hausarzt zentrierten Vertrag ist für AOK Patienten freiwillig. Sie binden sich mit Ihrer Unterschrift für einen definierten Zeitraum an den Arzt ihres Vertrauens“, heißt es aus der Praxis.
Und weiter: „Dadurch, dass nun alle medizinischen Informationen eines Patienten bei einem Arzt zusammenlaufen, kann dieser den Patienten viel effektiver betreuen und ihm unnötige Doppeluntersuchungen, die bei häufigen Arztwechseln unweigerlich anfallen, ersparen. Die Kosten dieser unnötigen Doppeluntersuchungen fallen natürlich der AOK nicht zur Last, so dass nicht nur die Patienten, sondern auch die AOK davon profitieren können.“
Fazit? Die Rechtslage ist umstritten. Der einzelne Mediziner entscheidet vielfach nach Kapazität – nicht immer für den Patienten nachvollziehbar. Letztlich aber hat auch Heike Markert einen Kinderarzt gefunden.
Kassenpatienten, die Probleme haben, einen Arzt zu finden, können sich an die Infoline der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Tel. (01805) 79 79 97, wenden oder schriftlich an das Beschwerdemanagement der Kassenärztliche Vereinigung Bayern, Yorckstr. 15, 93049 Regensburg.