Sie war nach dem Abitur einige Monate als Weltenbummlerin unterwegs, frischte dabei ihr Englisch auf und machte dann eine Gärtnerlehre. Es folgten das Jura-Studium und noch die Ausbildung zur Steuerberaterin. Heute ist sie die erste Frau an der Spitze des Bürgerspitals seit rund 700 Jahren – genau genommen seit 697 Jahren, sagt die neue Leitende Stiftungsdirektorin Annette Noffz.
Seit mehr als zehn Jahren ist Annette Noffz im Gesundheitswesen tätig. Die 51-Jährige war in den Führungsetagen bei der Medical Park AG als Leiterin im Rechnungswesen, später beim Passauer Wolf als Prokuristin – beides Unternehmen, die Kliniken, Reha-Zentren und Pflegeinrichtungen führen. „Als ich zum Passauer Wolf kam, gab es dort zwei Reha-Einrichtungen – als ich ging, vier“ sagt sie und spielt dabei auf viel Aufbauarbeit an, die sie mitgestalten konnte. Ihr oblagen die Bereiche Finanzen, Controlling, Vertragswesen und IT. Annette Noffz ist nun Vorstand, Nachfolgerin des früheren Stiftungsdirektors im Bürgerspital Dr. Michael Rückert. Eingestellt hat sie der Stiftungsrat der Stiftung Bürgerspital mit Oberbürgermeister Georg Rosenthal an der Spitze.
Die schlanke, fast zierliche Frau ist verantwortlich für einen Betrieb mit 500 Mitarbeitern. Der Kontakt mit ihnen ist ihr ebenso wichtig wie Renovierungs- und Umbaupläne für Seniorenheime und – das ist neu – die im Sommer zusätzliche Außenbewirtschaftung des Weinhauses an der Semmelstraße. Vorstellungsgespräche und Arbeitsverträge gehören ebenfalls zu ihrem Arbeitsbereich. Und sie verhandelt Pflegesätze für die Seniorenheime und für Rehabilitationsmaßnahmen im Geriatriezentrum. Außerdem trägt sie die Verantwortung für das Weingut und die Immobilien des Bürgerspitals.
Weingut und Liegenschaften brächten „keine Reichtümer“, meint sie, doch es bleibe genug, um in Qualität zu investieren. „Baulichkeiten werden gehalten, angepasst oder verbessert“, sagt Annette Noffz. Als Beispiel nennt sie den aktuellen Umbau im bürgerspitälischen Seniorenheim St. Nikolaus in der Sanderau, wo helle, komfortable Einzelzimmer mit Bädern mit ebenerdigen Duschen gebaut werden. Insgesamt sollen mehr Einzelzimmer offeriert werden. Das Bürgerspital bietet rund 750 Plätze für Senioren, davon 430 im Pflegebereich und 320 im betreuten Wohnen. Dazu kommen 35 stationäre Reha-Plätze.
„Menschen, die ein Leben lang viel Gutes getan haben, will und muss ich respektvoll behandeln.“
Annette Noffz
Leitfäden für die Art und Anzahl von Leistungen, Veränderungen und Verbesserungen sind im Rahmen des Qualitätsmanagements zu finden, in das sich die neue Geschäftsführerin, die am 1. August die Leitung übernahm, mit eingebracht hat. „Unsere Reha wurde im Jahr 2012 erstmals zertifiziert; die Pflegeheime sind es schon seit Jahren“, sagt Annette Noffz stolz, das heißt: Die Angestellten machen gute (medizinische, pflegerische und therapeutische) Arbeit. Reha vor Pflege, lautet das Ziel. Die Erfahrung zeige, dass es vielen Senioren nach der Reha – egal, ob sie nach Unfall oder Krankheit hierher kamen – wieder so gut gehe, dass sie selbstständig weiterleben können. Selbst pflegebedürftige alte Menschen kämen hinterher „viel besser zurecht“.
Sie selbst ist Sportlerin, joggt jeden Morgen, skatet mit Langlaufski, fährt Rad und wandert – „gerne in den Weinbergen“, bemerkt sie, „und eine Weingegend ist ja auch eine kulinarische Gegend. Ich esse gern!“
Viele Mitarbeiter seien stolz, für das Bürgerspital zu arbeiten, sagt die Stiftungsdirektorin. Das soll so bleiben. Mit dem Überschuss aus den Wirtschaftsbereichen des Bürgerspitals kann sie die Fachkräfte-Quote höher halten als anderswo möglich.
Wer im Bürgerspital wohnt oder als Patient versorgt wird, findet Betreuer vor, die auch Gespräche anbieten und zu Freizeitaktivitäten vom Spaziergang bis zum Schiffsausflug in Begleitung ermuntern. Sehr anrührend sei, wenn wöchentlich die Hundegruppe komme: Vierbeiner, von ihren Besitzern hierher geführt, verschieden in Alter und Größe, die sich gerne streicheln und bewundern lassen. „Gerade Kranken, und insbesondere Demenzkranken geht da das Herz auf.“
Pavillons und Gärten sind im Sommer gern aufgesuchte Plätze, in den kalten Monaten ist es der Wintergarten im Komplex an der Semmelstraße. Annette Noffz' Wunsch, im Gesundheits- und Pflegebereich zu arbeiten, und dies geografisch in einer Umgebung mit Fluss, Weinbau und relativ kurzen Strecken zu Freunden, Familie und ihrem Mann hat sie hierher geführt. Auch der Wunsch zu gestalten, und nicht wie in der Steuerkanzlei „hinterher zu arbeiten“.
Sehr nachdenklich macht sie, dass immer mehr alte Menschen ohne Angehörige sind, die sich kümmern. Nicht nur deshalb sagt sie: „Menschen, die ein Leben lang viel Gutes getan haben, will und muss ich respektvoll behandeln.“
Stiftung Bürgerspital
Auf 120 Hektar Rebfläche, zu 90 Prozent auf Würzburger Stadtgebiet, werden in erster Linie klassische, fränkische Rebsorten in renommierten Weinlagen angebaut. Ungewöhnlich für fränkische Weinlagen: Rund 30 Prozent der Anbaufläche entfallen auf Riesling, eine spätreifende Rebsorte, welche die besten Lagen und steile Südhänge erfordert und in Franken insgesamt nur mit 5 Prozent im Ertrag steht. Mit rund 27 Prozent ist der Silvaner vertreten und in etwa gleicher Größenordnung Burgundersorten. Darüber hinaus sind natürlich Rebsorten wie Bacchus und Müller-Thurgau und Cuvée-Weine im Angebot.
Wirtschaftliche Grundlage der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Geist ist die umfangreiche Liegenschaftsverwaltung, die aus der früheren Kapitalverwaltung und Landwirtschaft hervorgegangen ist. Heute erfüllen über 650 Erbbaurechte (60 Hektar) und über 200 Wohnungs- und gewerbliche Vermietungen die Stiftungssatzung, wonach durch entsprechende Grundstückspolitik – nicht durch Anhäufung von Kapital – der Bestand der Stiftung zu sichern ist.
Gewinne macht das Bürgerspital keine: was an Ergebnissen aus den Liegenschaften und dem Weingut kommt, wird in die Seniorenwohnstifte und -heime und in die Reha investiert.
Der Stiftungsrat hat inklusive Oberbürgermeister zwölf Mitglieder. Neben der Stiftung Bürgerspital werden acht weitere Stiftungen verwaltet.