Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg/Schweinfurt: Nach Missbrauchsgutachten: Ungewöhnlich viele Kirchenaustritte in Unterfranken

Würzburg/Schweinfurt

Nach Missbrauchsgutachten: Ungewöhnlich viele Kirchenaustritte in Unterfranken

    • |
    • |
    Noch drin oder raus? Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens wenden sich auch in Unterfranken viele katholische Gläubige von der Kirche ab - und erwägen ihren Austritt (Symbolbild).
    Noch drin oder raus? Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens wenden sich auch in Unterfranken viele katholische Gläubige von der Kirche ab - und erwägen ihren Austritt (Symbolbild). Foto: Susanne Wahler-Göbel

    In Unterfrankens Standesämtern herrscht Ausnahmezustand, und er wird wohl noch eine Weile andauern: Das vor einer Woche veröffentlichte Gutachten zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im katholischen Erzbistum München und Freisingnehmen viele katholische Gläubige zum Anlass, aus der Kirche auszutreten. Die Anfragen in dieser Woche sind ungewöhnlich hoch, freie Termine in den Rathäusern werden weniger. Wie viele Kirchenaustritte gab es in Unterfranken zuletzt? Wie tritt man aus und was sind die Folgen? Hier klären wir die wichtigsten Fragen. 

    Gibt es seit der Veröffentlichung des Gutachtens mehr Anfragen für Kirchenaustritte?

    Die angefragten Standesämter in Unterfranken bestätigen durchweg: Ja, seit einer Woche gibt es viel mehr Anfragen als sonst. In Bad Kissingen etwa waren es 39 Anfragen allein von Donnerstag bis Dienstag. "Deutlich mehr Anfragen als sonst, überhaupt nicht zu vergleichen", heißt es aus dem dortigen Standesamt. Auch das Standesamt der Stadt Schweinfurt erhielt in dieser Woche sehr viele Anrufe. Die Zahl der Anfragen per Telefon lasse sich nur schwer schätzen, heißt es von der Stadt Würzburg. Aber seit der Veröffentlichung des Gutachtens gab es bis Dienstag allein 70 Anfragen per Mail. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum vor einem Jahr, 21. Januar bis 25. Januar 2021, registrierte das Würzburger Standesamt nur zehn Anfragen.  

    undefined

    Wie viele Kirchenaustritte gab es in Unterfranken zuletzt?

    Für das Jahr 2020 meldet die Diözese Würzburg 7186 Kirchenaustritte in allen Dekanaten insgesamt. Zeitgleich gab es 102 Wiederaufnahmen nach einem Austritt und 23 Eintritte insgesamt in den Dekanaten. Mit einigen Schwankungen, nahm die Zahl der Austritte in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Diözese Würzburg immer weiter zu.

    Blickt man auf die Kirchenaustritte, die in ausgewählten Standesämtern in Unterfranken in den vergangenen Jahren registriert wurden, zeigt sich fast überall: Die Mehrheit war römisch-katholisch. Zu beachten ist dabei, dass die Katholikinnen und Katholiken insgesamt in der Bevölkerung in Unterfranken in der Mehrheit sind. Im Jahr 2020 gehörten hier 53 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an. 

    Die Standesämter weisen aber darauf hin, dass die Zahlen nur schlecht vergleichbar sind: Aufgrund der Pandemie gab es im Jahr 2020 weniger mögliche Termine in den Ämtern.

    undefined

    Wo kann ich den Kirchenaustritt beantragen? 

    Für die Erklärung des Kirchenaustritts sind die Standesämter zuständig. Um den Austritt erklären zu können, muss also erst ein Termin beim örtlichen Standesamt vereinbart werden. 

    Kann ich den Kirchenaustritt per Post oder per Mail beantragen?

    Auch dafür braucht es einen Termin, allerdings beim Notar: "Die Unterschrift auf einem schriftlichen Kirchenaustritt muss von einem Notar öffentlich beglaubigt werden oder die Erklärung selbst notariell beurkundet werden", informiert das Standesamt Würzburg. Auch in Zeiten der Pandemie gibt es dafür keine Ausnahmeregelung.

    Bekomme ich derzeit einen Termin beim Standesamt?

    Je nach Standesamt sieht die Situation anders aus. In Bad Kissingen und Kitzingen gibt es aktuell Termine ohne längere Wartezeiten, in Bad Neustadt sind die Termine für Januar knapp geworden. In Würzburg müssen Austrittswillige mit einer Wartezeit von circa drei bis vier Wochen rechnen. Das Standesamt Würzburg plant, ab Februar pro Woche 22 zusätzliche Termine anzubieten, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden.

    Wie läuft ein Kirchenaustritt ab?

    Im Standesamt nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Personalien auf - zum Termin muss daher ein gültiger Personalausweis oder Reisepass mitgebracht werden. Das Ausfüllen der Erklärung des Kirchenaustritts dauert rund zehn Minuten. Ist die Erklärung ausgefüllt, wird der Kirchenaustritt verlesen und von der oder dem Erklärenden unterzeichnet. Der Ablauf ist immer gleich - unabhängig von der Konfession. 

    Der oder die Austretende erhält danach eine beglaubigte Abschrift. Das Standesamt leitet die Mitteilung über den Austritt an die Meldebehörde, das Finanzamt und die jeweilige Religionsgemeinschaft weiter.

    Was kostet der Kirchenaustritt? 

    Die Kosten betragen insgesamt 35 Euro. Diese Gebühr ist bayernweit bei allen Standesämtern gleich.

    Wie reagiert die Kirche auf den Austritt? 

    Nach Angaben der Diözese Würzburg schreiben die örtlichen Seelsorger oder Seelsorgerinnen die ausgetretene Person an und macht ein Gesprächsangebot. Daneben informiert der Brief auch über die Folgen eines Kirchenaustritts.

    Welche Folgen hat ein Kirchenaustritt?

    Aus Verwaltungssicht muss sich hauptsächlich das Finanzamt mit den Austritten beschäftigen: Ab dem Folgemonat nach dem Austritt entfällt die Kirchensteuerpflicht. Aus Sicht der Kirche sind die Folgen zahlreich: Nach dem Austritt ruht laut Diözese ein Großteil der kirchlichen Mitgliedsrechte. Darunter fallen der Empfang der Sakramente und das aktive und passive Wahlrecht in der Kirche. Kirchliche Ämter und Funktionen oder ein Patenamt können Ausgetretene nicht mehr übernehmen. "Sofern kein gegenteiliger Wunsch geäußert wurde, fällt auch das kirchliche Begräbnis weg", teilt die Diözese mit. Wer dennoch eine kirchliche Beerdigung möchte, müsse das  kommunizieren, beispielsweise in einem Testament oder über die Angehörigen.

    Von Wiederaufnahmen und Eintritten erfährt das Standesamt übrigens nur, wenn derjenige oder diejenige das ins Geburtenregister eintragen lassen möchte.

    Sie sind vor Kurzem aus der Kirche ausgetreten oder denken darüber nach, demnächst auszutreten? Dann melden Sie sich gerne bei unserer Redaktion per E-Mail an redaktion.themenmanagement@mainpost.de

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden