In der Region war sie ein Begriff: Die Metzgerei Bauer in Oberpleichfeld stand nicht nur für handwerkliche Qualität, sondern auch für Gastronomie, denn zur Metzgerei gehörte auch das Gasthaus "Goldener Stern". Doch vor wenigen Tagen ist die mehr als 130-jährige Tradition des Familienunternehmens zu Ende gegangen. Metzgerei und Gasthaus haben geschlossen.
Seit Jahren schon arbeitete Besitzer Helmut Bauer mit seiner Lebenspartnerin Karolin Göbel, seinem Bruder Günter und vielen Verwandten hart an der Grenze des Machbaren. Bauer selbst hat in den letzten 30 Jahren 60 bis 70 Stunden pro Woche nur für die Metzgerei gearbeitet.
Doch der hohe Einsatz für den Betrieb war nicht das eigentliche Problem, auch wenn die zeitliche Belastung der Lebensqualität schon stark zusetzte. "Es wäre alles nicht so schlimm, wenn es einen Nachfolger gegeben hätte", sagt Bauer. "Meine beiden Söhne haben kein Interesse, den Betrieb weiterzuführen, und meine Frau und ich sind auch nicht mehr so fit, dass wir diesen Stress ohne gesundheitliche Schäden überstehen."
Zum Abschied spielte die Musikkapelle
So war am 8. August der letzte Tag für die Gaststätte und die Metzgerei. Sang- und klanglos endete die Firmengeschichte aber nicht: Die örtliche Musikkapelle spielte unter Leitung von Burkard Hummel ein wehmütiges Abschieds-Ständerle.
Ihren Anfang nahm die lange Firmengeschichte im Jahre 1888, als unter dem Namen Protzeller eine Gaststätte eröffnet wurde. Wie aus alten Unterlagen hervorgeht, wurde damals auch Bier gebraut und im heute noch sichtbaren Bierkeller gelagert.
Aus alten Zeiten stammt auch eine Tradition: Ältere Ortseinwohner berichten, dass die Gäste zur Bierprobe auf der Bank vor dem Haus eine Maß ausschütteten und darauf Platz nahmen. Hat die Lederhose auf der Bank "gepappt" (geklebt), so war das Bier gut und der Brauer wurde für sein Können gelobt – was mit reichlich Biergenuss quittiert wurde.
1950 heiratete der Bergtheimer Kilian Bauer in den Betrieb ein. Er und seine Frau Ida führten fortan das Geschäft. Früh erkannte er, dass Essen und Trinken zusammen gehören und bezog von Andreas Reich aus Obereisenheim verschiedene Wurstwaren. Doch das war ihm bald zu umständlich und er beschloss, für die Wirtschaft ein paar Schweine zu schlachteten. Das kam gut an und so hat er 1967 den Gastraum in zwei Räume geteilt und 1984 die Metzgerei von einer Thekenabfertigung neben dem Gastraum in einen eigenständigen Verkaufsraum umgewandelt, der mit kleinen Änderungen bis heute bestand.
Der Inhaber lernte einst beim Bruder
Bauer überzeugte schließlich seinen Sohn Helmut, den Betrieb zu übernehmen. Helmut Bauers Bruder Günter hatte im elterlichen Anwesen bereits den Metzgerberuf gelernt und mit einem Meisterbrief abgeschlossen. Helmut, der dreizehn Jahre Jüngere, erlernte dann schließlich bei seinem Bruder den Beruf, 1989 folgte die Meisterprüfung.
Als Kilian Bauer 1990 seinem Sohn Helmut den Betrieb übergab, wurde der der Schlachtraum erweitert. Helmut Bauer empfand die Betriebsübernahme als Herausforderung: Nach und nach erweiterte er das Sortiment an Wurst und Fleischwaren, sodass er in den letzten Jahren pro Woche meist elf Schweine zu sechzig verschiedenen Wurstsorten und Fleischprodukten verarbeitete.
Gastwirtschaft war beliebter Treffpunkt
Die Gastwirtschaft war bei der Bevölkerung sehr beliebt. Kartpartien am Wochenende und der bekannte Frühschoppen bei der "Ida" sowie die Generalversammlungen der Vereine gehörten zum festen Programm. Ripple und Kraut oder die "Ida-Pizza" gehörten dazu. Außerdem war die Gastwirtschaft bis 1986 das Fußballer-Quartier, danach wurde es durch das neu errichtete SVO-Sportheim abgelöst.
Außerdem standen in den vergangenen 40 Jahren die Besucher an den Donnerstagen besonders im Winter Schlange, um das berühmte Kesselfleisch zu essen, sodass oft bis zu 120 Portionen über den Tisch gingen. Karolin Göbel servierte darüber hinaus mittwochs und freitags bis zu 70 Tagesessen – eine Tradition, die erst mit dem Corona-Lockdown im März abrupt abbrach.
